Kalla Malla
Schöner kann der Start ins gemeinsame Leben doch eigentlich kaum sein: Der kurz vor dem großen Durchbruch stehende Drehbuchautor Cliff und seine Angebetete Cydney sind frisch verheiratet und befinden sich nun in den Flitterwochen auf Hawaii, wo sie sich bei kühlen Drinks, blühender Flora und herrlichem Sonnenschein wie im Paradies wähnen. Davon, dass in Honolulu vor wenigen Tagen zwei andere Flitterwöchner von einem immer noch flüchtigen Killerpärchen ermordet wurden, wollen sich die Beiden derweil nicht ihren Urlaub verderben lassen. Die Honeymooner möchten fernab ihres stressigen Alltags endlich etwas Einmaliges erleben und entscheiden sich auf Kaua'i deshalb zu einer mehrtägigen Wanderung auf einem alten Trampelpfad, der sie zu einem der bezauberndsten Strände auf ganz Hawaii führen soll. Ihr gemeinsames Abenteuer wird allerdings just von der Begegnung mit einem unheimlichen Anhalterpärchen überschattet, die den Beiden natürlich sofort die Erinnerung an den schrecklichen Doppelmord in Erinnerung ruft. Nicht ganz sorgenfrei setzen Cliff und Cydney ihren Marsch durch den Dschungel fort, nur um kurz darauf die Bekanntschaft mit dem abenteuererfahrenen Nick und seiner lebenslustigen Freundin Gina zu machen. Obwohl der ehemalige Elitesoldat Nick ein Aufschneider erster Güte zu sein scheint, können sich Cliff und Cydney dem Charme des geselligen Pärchens nicht erwehren, weshalb man kurzerhand beschließt, den weiteren Weg zum Strand gemeinsam zurückzulegen. Ein womöglich folgenschwerer Fehler, denn während sie tiefer und tiefer ins Dickicht vordringen, muss Cliff nicht nur feststellen, dass sich ihnen jemand an die Fersen geheftet zu haben scheint, auch Nick und Gina lassen alsbald überaus beunruhigende Ambitionen erkennen...
"Nothing bad ever happens in Hawaii" stellt einer der Charaktere in David Twohy's A Perfect Getaway direkt zu Beginn des Films schmunzelnd fest, doch hätte er den Ausgang dieses 93-minütigen US-Thrillers aus dem Jahre 2009 auch nur erahnen können, so wäre ihm diese unbedachte Äußerung wohl geradewegs im Halse stecken geblieben. Das Werk, mit dem sich Regisseur und Drehbuchautor Twohy, dessen düsterer Science-Fiction-Schocker Pitch Black wohl ebenso wie das vollkommen überzeichnete Bombast-Sequel Riddick noch deutlich in der Erinnerung des actionbegeisterten Filmfans verankert sein dürfte, nach einer fünfjährigen Ruhepause zurückmeldet, ist in seiner Gesamtheit nämlich vieles, nur keine besinnliche Dokumentation einer unbeschwerten Urlaubsreise. Im Gegenteil, vielmehr präsentiert sich die hawaiianische Traumlandschaft hier als pures Kontrastbild zu einer wendungsreichen und ausgeklügelten Story über Mord, Paranoia und menschliche Abgründe, in der letztlich nichts so ist, wie es zunächst scheint. Trotz einem exzellenten Cast, darunter Milla Jovovich, Steve Zahn und Timothy Olyphant, nägelkauender Spannung und schlichtweg betörenden Landschaftsaufnahmen gelingt es David Twohy letztendlich zwar nicht, das Genre des (Psycho-)Thriller auch nur im Entferntesten neu zu erfinden, doch präsentiert sich sein A Perfect Getaway in einer derart selbstbewussten, unkonventionellen und kurzweiligen Inszenierung, dass sich darüber mit Leichtigkeit hinwegsehen lässt.
Die eigentliche Hauptattraktion des Films, sein Dreh- und Angelpunkt, sowie der insgeheime Hauptdarsteller ist dabei ohne Frage die atemberaubende Kulisse Hawaiis. Kaua?i, eine der acht Hauptinseln, präsentiert sich hier in einer derart prächtigen Farbenvielfalt von seiner allerschönsten Seite und vermittelt mit seinen ebenso exotischen wie malerischen Landschaften eine solche Lust auf Urlaub und Abenteuer, dass man nach dem Abspann von A Perfect Getaway am liebsten die Koffer packen und selbst ins tropische Paradies reise würde. Eine somit mehr als perfekte Kulisse für einen Film, da man hier selbst bei vollständigem, inhaltlichen Desinteresse einfach schon aufgrund der einnehmenden Landschaftsaufnahmen kaum in der Lage wäre, seinen Blick vom Geschehen abzuwenden. Dieses moralische Dilemma erspart David Twohy seinem Publikum allerdings, indem er Langatmigkeit durch sympathische Charaktere und eine geschickt ausgelegte, sich immer mehr zuspitzende Spannungskurve zum Fremdwort erklärt. Nun werden aber jene, die auf eine konventionelle Balance von Action und Thrill hoffen, unvermeidlich ihr blaues Wunder erleben, so lässt sich A Perfect Getaway doch erst in seinem eruptiven Finale zum handelsüblichen Quantum an Verfolgungsjagden und Blut hinreißen, während zuvor einzig die der Grundsituation entspringende, subtile Spannung das Geschehen dominiert. Unvermittelt wird das frisch verheiratete Pärchen Cliff und Cydney in eine unbarmherzige Spirale aus Angst und Misstrauen geworfen, in dessen Folge plötzlich niemand mehr der ist, der er bis vor wenigen Augenblicken noch zu sein schien. Inmitten des hawaiianischen Dickichts kulminiert die Situation plötzlich zum subtil ausgetragenen Katz- und Mausspiel, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse zunächst nie eindeutig gezogen sind.
David Twohy bricht dabei mit den Konventionen des Thrillers, lässt seine Charaktere über Filme und deren Storytwists philosophieren, um das Geschehen in einen realen Kontext zu setzen, nur um dann im nächsten Augenblick mit den Anleihen eines B-Movies zu kokettieren. Zwischen ernster Bedrohung und dem schrägen Spiel mit der Erwartungshaltung des Publikums entsteht so eine ganz eigene, perfekt durchdachte Erzählweise, welche immer wieder in denkwürdigen Pointen und Anspielungen gipfelt und sich in einer herrlich grotesken, schwarzhumorigen Szene doch tatsächlich an eine Hommage an Peter Jackson's Splatterfilmklassiker Bad Taste heranwagt. Das Medium Film scheint Twohy's Spielwiese zu sein, auf der er sich zwar nach allen Regeln der Kunst auszutoben weiß, andererseits aber auch stets den todernsten Klimax seines wendungsreichen Plots ansteuert. Nun ist A Perfect Getaway allerdings einer jener Filme, bei denen sich das Geschehen im dramatischen Höhepunkt plötzlich durch einen fantastischen Twist um 180° Grad auf den Kopf stellt, was das Publikum gerade im Fall dieses Werkes wohl derart offensiv in zwei Lager spalten wird, wie dies nur wenigen Thrillern dieser Art zuvor gelang. Viele Zuschauer werden David Twohy's paradiesischen Albtraum nach seinem unvermittelten Twist plötzlich von einer ganz anderen Seite sehen und von zahlreichen, primitiven Zweckdienlichkeiten bis zu gravierenden Logiklücken vielerlei Schwächen in den Plot interpetieren, was man ihnen zunächst auch nicht verübeln kann. So scheinen sich einige der inhaltlichen Prämissen, die A Perfect Getaway zunächst zur dramatischen Entwicklung der Story, der Geschehenisse und der Charaktere anwandte, nicht mit dem Twist vereinen zu lassen, ja ihn nach einer kurzen Überlegung sogar als völlig unsinnig im Raum stehen zu lassen. Gerade diesbezüglich erweist das Drehbuch dann allerdings seine wahre Raffinesse und kommt mit einer regelrecht versteckten, zweiten Handlungsebene daher, die zwar ebenfalls die gesamte Spieldauer über präsent ist, durch die hervorragend geschriebenen, doppeldeutigen Dialoge und Handlungsweisen der Charaktere bis zur finalen Auflösung aber meisterhaft verschleiert wird.
Wenn bei genauerer Überlegung somit auch nicht der große Story-Turnaround als Schwäche des Films ausgelegt werden kann, so doch auf jeden Fall die Art und Weise, wie Twohy seinem Publikum das große Geheimnis näherbringt. Ausgerechnet in der unerwartet spannungsreichsten und dramaturgisch wervollsten Phase des Films wird das Geschehen noch einmal durch einen beinahe 10-minütigen Flashback aufs Brutalste ausgebremst, um somit auch der letzten Dumpfbacke im Publikum jede noch so kleine Erklärung bis ins Detail aufs Silbertablett zu legen. Hier hätte man sich einfach wesentlich kompakter geben und dem Zuschauer die entsprechende graue Masse zutrauen müssen, anstatt mitten im Klimax noch einmal die Notbremse zu ziehen, doch weiß Twohy dies anschließend zumindest noch durch einen angemessen temporeichen Schlussakt wieder glattzubügeln, in dem dann Fäuste und Kugeln nur so durchs Bild fliegen. Da sich A Perfect Getaway in dieser Phase zudem auch den nötigen Raum für die eine oder andere schwarzhumorige Tendenz lässt, wird das Publikum nach einem kurzen Durchhänger letzten Endes doch noch mit einem adäquaten und durchaus furiosen Showdown belohnt, der sich somit stimmig ins Bild eines überdurchschnittlichen Genrevertreters einfügt. Derweil ist es beinahe unnötig zu erwähnen, dass sich über den prominent besetzten Cast letztlich nur lobende Worte finden lassen. Milla Jovovich (Resident Evil), Steve Zahn (Joyride) und Kiele Sanchez (Lost) liefern neben gutem Aussehen auch ein tadelloses Schauspiel ab, stehen dabei aber allesamt im Schatten von Timothy Olyphant (Hitman), der in der Rolle eines durchgeknallten und um keine hanebüchene Story verlegenen Soldaten mal eben die coolste Darbietung seit geraumer Zeit aufs Parkett legt.
Obwohl nicht in den Kinos angelaufen und direkt fürs Heimkino veröffentlicht, inszenierte David Twohy mit A Perfect Getaway einen stimmigen, selbstironischen und mit knisternder Spannung aufwartenden Thriller vor paradisischer Kulisse, welche die investierten 93 Minuten schon alleine rechtfertigen würde. Das stete Rätselraten um die finale Auflösung des Plots büßt seine unterhaltsame Kurzweil dabei zu keinem Zeitpunkt ein, während der stilsicher für ein Budget von 14 Millionen $ eingefangene Thriller letztendlich sogar noch mit einem überraschend blutigen Kontrastprogramm aufwartet. Hochkarätige Schauspieler und ein sofort ins Ohr gehender Score runden den positven Gesamteindruck eines Films ab, der mit seinem gelungenen Twist auch zu einem zweiten Durchlauf einlädt. A Perfect Getaway ist genau das Richtige, um in den anstehenden, tristen Herbsttagen einmal das Fernweh zu wecken und sich nebenbei noch spannend und überaus sehenswert unterhalten zu lassen.