Kalla Malla
Wie schon damals bei „The Conjuring“ und „Insidious 2“ war ich skeptisch, ob James Wan, der bei „Annabelle“ jedoch lediglich als Produzent fungierte, es wirklich hinbekommt, innerhalb von kürzester Zeit mehrere Geisterhausfilme zu drehen, ohne inszenatorische Überschneidungen zu riskieren. Wo die beiden „Insidious“ Teile recht gimmickhaft daherkommen, lieferte „The Conjuring“ einen wesentlich klassischeren Gruselfilm ab, der nicht wie eine irre Geisterbahnfahrt daherkam. Jetzt läuft sein Spin-Off „Annabelle“ in den Kinos und die Frage ist erneut: Hat der Film eine eigenen Identität, oder liegt er zu nahe an seiner direkten Konkurrenz?
Zum Glück tut er das nicht. Zum einen gab Wan seinen Regieplatz an jemand anderen ab, weswegen seine Handschrift in „Annabelle“ nicht ganz so zum Tragen kommt. Seine vorherigen Filme fühlten sich, trotz ihrer Genrezugehörigkeit zum Horrorfilm, nicht nach B-Ware an. Bei „Annabelle“ hingegen merkt man jedoch deutlich, dass der Film ein Spin-Off ist, welches schnell nebenher gedreht wurde. Das Budget war niedriger (obwohl der Film trotzdem zu keiner Sekunde billig wirkt) und auch das Drehbuch ist wesentlich geradliniger (man könnte auch sagen simpler), als beispielsweise bei „Insidious 2“, der vor allem mit seinen extrem unvorhersehbaren Twists zu punkten wusste.
„Annabelle“ hingegen bietet inhaltlich wenig Neues und kommt einem fast wie eine Schnittstelle zwischen „Rosemaries Baby“ und „The Conjuring“ vor. Lange Zeit passiert erstmal gar nichts, denn man war bemüht, das Leiden der Protagonistin stark in den Vordergrund zu rücken, was natürlich im Umkehrschluss nur mit vielen Dialogen und für den eher Action orientierten Horrorfan mit mehr „Füllmaterial“ von statten geht. Umso überraschender ist dann die erste wirklich harte Szene des Films, als Mitglieder einer satanistischen Sekte in das Haus einfallen und dort ordentlich Terror machen. Der erste Schock des Filmes sitzt, denn er kommt absolut unerwartet daher, wurde aus einer tollen Perspektive gefilmt und ist wirklich brutal.
Generell finde ich, dass „Annabelle“ in den Schockszenen wesentlich derber daherkommt, als „Insidious“ oder „The Conjuring“. Wo diese beiden Film vermehrt mit klassischen Sequenzen der Marke „eine Tür fällt zu“ oder sonstigem arbeiten, ist „Annabelle“ fast schon kreativer. Zwar erschrickt man sich bei den anderen beiden Filmen öfters, aber rein von der Qualität der Jump-Scares, fand ich „Annabelle“ besser als „The Conjuring“.
In vielen Szenen denkt man zu wissen, dass gleich der Schock kommt, aber der Film lässt einen teils quälend lange warten, nur um kurz darauf scheinbar die Gelegenheit auf einen Jump-Scare zu verpassen. Und kaum, dass sich der Zuschauer in Sicherheit wiegt, schlägt „Annabelle“ meistens zu.
Das wäre soweit wirklich alles schön und gut, doch durch die vielen ruhigen Szenen, die meist auch nicht spannend und atmosphärisch daherkommen, nimmt der Film zu oft die Fahrt aus dem Geschehen. Sobald er anfängt, das Gaspedal durchzutreten, ist der Streifen extrem heftig, aber so unerwartet die spannenden Szenen kamen, so schnell sind sie wieder vorbei.
Auch das Drehbuch ist sehr einfach gebaut und bietet keinerlei Überraschung. Der Zuschauer zweifelt zu keiner Sekunde, an der dämonischen Besessenheit der Puppe, weswegen das Rätselraten darum, ob hier wirklich ein Dämon umhergeht oder die Protagonistin einfach bloß spinnt, von vornherein wegfällt. Natürlich wissen wir schon vom Anfang von „The Conjuring“, dass die ekelhaft aussehende Puppe besessen ist, aber mit etwas mehr Feingefühl, hätte man in „Annabelle“ den Zuschauer an seiner Erwartungshaltung zweifeln lassen können, was dem Film an einigen Stellen mehr Tiefgang verpasst hätte.
Dann haben wir noch das Ende, welches sehr plötzlich und nicht wirklich mitreißend über die Leinwand flattert. für mich hörte der Film genau in dem Moment auf, wo ich der Meinung war, er würde erst richtig loslegen. Ratlose Gesichter im Kinosaal um mich herum, zeugten von ähnlichen Ansichten.
Unterm Strich ist „Annabelle“ ein gutes Spin-Off eines herausragenden Horrorfilms. Keinesfalls darf man in diesen Film gehen und glauben, einen gleichwertigen Nachfolger zu den anderen James Wan Filmen zu erhalten. Vielleicht war das Absicht, um das kommende, richtige Sequel zu „The Conjuring“ nicht selbst zu torpedieren, aber meiner Ansicht nach, war „Annabelle“ einfach ein schnell abgedrehter Horrorfilm um die Gruselfans an der Stange zu halten, der zwar unterhält, aber mit etwas mehr Herzblut wesentlich besser hätte ausfallen können.
Der 90 minütige Film schaut sich wie ein 2 Stunden Werk, was an den vielfach vorhandenen „langsamen“ und ruhigen Szenen liegt. Wenn er dann aber mal loslegt, ist er wirklich gruselig, sau spannend und überraschend. Wieso insgesamt ein positives Résumé bei all dieser Kritik? Ganz einfach: Ich hab ihn im Kino gesehen. Wenn man mit zwei Freunden im Kino sitzt, der Saal gut gefüllt ist und man sich zusammen erschrickt, verzeiht man einem Horrorfilm vieles.