Herrmann1977
„Die Abschaffung“
Der Oldenburg-Film schlechthin
Klaus Fricke
Der Städtename kommt in dem Drama um eine Dreiecksbeziehung nicht ein einziges Mal vor. Die liebevoll in Szene gesetzte Kulisse macht den Streifen aber zu einem Hochgenuss für alle, die die Stadt lieben. Das Oldenburgische Staatstheater stellte viele Darsteller und technisches Personal.
Oldenburg Und noch’n Oldenburg-Film: Erst eine Liebesschmonzette, dann zwei Fernseh-„Tatorte“ und nun … ja was eigentlich? Ein Psychodrama, ein Kammerspiel mit bösem Ausgang, gar ein intimer Seelenstriptease? „Die Abschaffung“ von Regisseur Sebastian Herrmann ist all dies und eines obendrein: Dieser atmosphärisch dichte Spielfilm zeigt die vielleicht liebevollste Oldenburg-Kulisse seit der Verkehrswacht-Doku über den Verkehr an der Hunte aus dem Jahr 1958.
Mordfall in der Schweiz
Denn obwohl der Städtename nicht ein einziges Mal vorkommt, nutzt Herrmann für diese subtil-verkorkste Dreiecksbeziehung Oldenburger Autobahnen, Plätze und Brücken aufs Feinste, um Inhalt wie Schauwert des Streifens voranzubringen.
Sebastian Herrmann lag nichts ferner, als einen Oldenburg-Film zu drehen. „Die Abschaffung“ spielt vor allem in einer anonymen Eigentumswohnung und geht auf einen Mordfall zurück, der sich 1995 in der Schweiz abspielte. „Seit 14 Jahren trage ich mich mit der Idee, das Geschehen szenisch umzusetzen“, erzählt der Regisseur und Drehbuchautor, „ich bin froh, dass es nun geklappt hat.“ Besonders hilfreich war dabei das Oldenburgische Staatstheater, das viele Darsteller und technisches Personal abstellte. Heraus kam eine gelungene Gemeinschaftsproduktion – und Oldenburg als Drehort.
Denn die Geschichte könnte sich überall abspielen: Das Ehepaar Aaron und Lilith (mit grandioser Verve gespielt von Rüdiger Hauffe und Sarah Bauerett) beginnt in einer fremden Stadt ein neues Leben, doch alle Träume zerplatzen, als Lilith eine Fehlgeburt erleidet. Mehr und mehr entfernen sich die beiden voneinander: Aaron versinkt in (Selbst-)Zweifel, Lilith lässt ihre Beziehung zu Daniel (herrlich schurkisch gespielt vom „Polizeiruf 110“-Helden Josef Heynert) wieder aufleben. Natürlich geht das Dreiecksverhältnis bald in die Brüche, und am Ende steht die Erkenntnis: Einer ist zu viel. Einer wird abgeschafft!
Der Mord am Ehemann ist dabei nur der letzte Akt eines klassischen Beziehungsmelodrams: hier der in ewiger Liebe dahindämmernde Aaron, dort die intrigante Lilith und der willige Täter Daniel. Das letzte Bild zeigt den toten Gatten mit dem Baby von Lilith und … wem auch immer.
Egozentrik und Verrohung
„Mich hat an der Geschichte vor allem das Warum interessiert“, betont Sebastian Herrmann. Der Regisseur gibt dem Zuschauer nur Hinweise: etwa emotionale Abhängigkeit, kriegsbedingte Verrohung, geldgierige Egozentrik. Der Rest bleibt spekulativ.
„Die Abschaffung“ steht erst am Anfang des Weges ins Kino und Fernsehen. „Er geht jetzt in die Vermarktung, muss auch noch in Details bearbeitet werden. Aber er wird noch in diesem Jahr gezeigt, unter anderem im Rahmenprogramm der Berlinale“, kündigt Herrmann an. Auch das Filmfest Oldenburg ist sein Ziel. „Wäre doch logisch, bei den vielen Oldenburg-Bezügen“, grinst der Regisseur, dessen liebster Drehort der Fliegerhorst („Tolles Gelände, wie ein zweites Babelsberg“) war. Und der auch bei den Schauspielern die heimische Karte zog: Die langjährige Staatstheater-Mimin Eva-Maria Pichler spielt eine verruchte Nazi-Bardame, und Gastwirt Hartmut Ruthenberg spielt den „Ulenspegel“-Kneipier Hartmut – also sich selbst. Zusammengerechnet: „Die Abschaffung“ ist der Oldenburg-Film schlechthin.