Kalla Malla
Der Tropenexperte Dr. Jeremy Taylor (Al Cliver) begibt sich für eine Expedition in den südamerikanischen Dschungel. Obwohl das Gebiet unerforscht und potentiell gefährlich ist, wird er dabei von seiner Frau Elisabeth (Pamela Stanford) und seiner kleinen Tochter Lena (Anouchka) begleitet. Das soll sich als schwerwiegender Fehler herausstellen, als das Boot des Doktors von Kannibalen geentert und seine Frau bei lebendigem Leib gefressen wird. Lena hingegen wird von den Wilden für eine Göttin gehalten und deshalb in ihr Dorf verschleppt. Den Versuch, seine Tochter zu retten, muss Dr. Taylor mit seinem linken Arm bezahlen. Schwer verletzt kann er in letzter Sekunde von einigen zufällig vorbeifahrenden Amerikanern geborgen werden.
Zurück in New York glaubt niemand die Geschichte des Doktors. Er ist jedoch überzeugt davon, dass seine Tochter noch lebt und plant deshalb eine weitere Reise in das Gebiet des Kannibalenstammes, um sie zurückzuholen. Die Jahre vergehen, bis er sich tatsächlich dazu entschließt, einen weiteren Rettungsversuch zu unternehmen. Unterstützung erhält er dabei von seiner ehemaligen Geldgeberin und einigen wagemutigen Männern, die unbedingt einen Wilden vor die Flinte bekommen wollen. Die Expedition verläuft allerdings nicht wie geplant. Nachdem man tatsächlich in das Gebiet des Kannibalenstammes vorgedrungen ist, muss einer nach dem anderen sein Leben lassen. Als Dr. Taylor allerdings feststellt, dass seine mittlerweile volljährige Tochter (Sabrina Siani) tatsächlich noch am Leben ist, startet er einen letzten verzweifelten Rettungsversuch..
Als "Sexo cannibal" 1980 erschien, war zu diesem Zeitpunkt beinahe schon alles zum Kannibalenfilm gesagt worden. Nach Ruggero Deodato's "Cannibal Holocaust" aus dem Jahre 1979 schien es beinahe unmöglich, das Genre mit einem weiteren Highlight zu schmücken, denn "Nackt und zerfleischt", wie der anstößige deutsche Titel von "Cannibal Holocaust" lautet, vereinte all das, wofür das Kannibalengenre stand und gilt bis heute als umstrittenes Meisterwerk. Dennoch dauerte es danach noch gute 8 Jahre, bis das Genre des Kannibalenfilms wieder in der Versenkung verschwand, nachdem es 1972 von Umberto Lenzi plötzlich mit "Mondo Cannibale" ins Leben gerufen wurde. Über die Jahre versuchten sich diverse Regisseure an ihrer eigenen Interpretation eines Kannibalenfilmes, manche konzentrierten sich dabei auf den Abenteueraspekt, während sich andere unverhohlen auf die Zurschaustellung brutalster Gewalt spezialisierten. Als "Mondo Cannibale 3" und kurz darauf "Cannibal Terror" erschienen, wurde langsam aber sicher das Ende der Kannibalen-Ära deulich, auch wenn in den Folgejahren mit "Die Rache der Kannibalen", "Amazonas" und "Amazonia – Kopfjagd im Regenwald" durchaus noch einmal ein paar Highlights folgen sollten.
Es war jeher eigentlich nur eine Frage der Zeit, biss Jess Franco, der Mann mit den unendlich vielen Pseudonymen, das Kannibalengenre für sich entdecken würde. Der Spanier, der für seine sleazigen und oftmals pornohaltigen B-Movies in Fankreisen Kultstatus erlangte, war noch nie für überragende Filmkunst bekannt und kann, obwohl für knapp 200 Filme verantwortlich, kaum auf wirkliche Meisterwerke in seiner Filmografie zurückblicken. War es in den vorangegangenen Jahren an den Meisterregisseuren Ruggero Deodato, Umberto Lenzi und Sergio Martino, den Kannibalenfilm salonfähig zu machen, kamen Anfang der 80er immer mehr die unbedeutenden Genrebeiträge zum Vorschein, deren Regisseure noch ein Stückchen vom Kuchen abhaben wollten, im Gegenzug aber kaum Qualität bieten konnten. An und für sich sollte man ja meinen, dass Regisseure wie Joe D'Amato und Jess Franco wie die Faust aufs Auge zum Kannibalenfilm passen würden, doch dass es dann eben doch nicht so war, bewiesen Filme wie "Jungfrau unter Kannibalen", "Papaya – Die Liebesgöttin der Kannibalen" und "Diamonds of Kilimandjaro", welche den bisherigen Genrehighlights in keinster Weise das Wasser reichen konnten.
Franco's "Sexo cannibal" mag zwar vielleicht nicht das absolut schlechteste sein, was der Kannibalenfilm hervorgebracht hat - wie mir zu Ohren gekommen ist, soll "Cannibal Terror" noch mieser sein- doch selbst eingefleischte Fans werden hiermit nur noch bedingt ihre Freude haben. Dabei ist die Story des Films noch überaus brauchbar und steht denen anderer, wirklich guter Kannibalenfilme in nichts nach (böse Zungen könnten nun anfügen, dass dies auch keine Kunst ist, da das Genre onehin nicht gerade durch Einfallsreichtum glänzte). Das Problem Franco's war es allerdings, die Story auch in passende Bilder zu kleiden und hier versagte der Regisseur leider. Wenn die Kamera in den Anfangsminuten auf ein Plastikkrokodil schwenkt, dann macht sich bereits erste Trash-Stimmung bereit, doch spätestens wenn die Kannibalen auftauchen ist bereits in den ersten 10 Minuten alles verloren. Diese sehen aus wie die freundlichen Mitteleuropäer von nebenan, mit peinlich bunt bemalten Gesichtern und haben nichts mit den Wilden aus Filmen wie "Die Rache der Kannibalen" oder "Eaten Alive" gemeinsam. Den größten Bock hat Franco aber dadurch geschossen, dass seine ach so bedrohlichen Kannibalen sauberstes, akzentfreies Englisch sprechen und sich problemlos mit dem Doktor verständigen können.
Die Liste an Peinlichkeiten und Patzern nimmt aber noch kein Ende: Nicht selten gibt es spontane Tag-Nachtwechsel im Film zu bestaunen und zwar in ein und derselben Szene. Das Dorf der Eingeborenen scheint lediglich aus zwei bis drei Hütten und einigen Trommeln zu bestehen und die Kulisse erinnert in keinster Weise an einen undurchdringlichen, bedrohlichen Urwald à la "Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch", sondern hat mehr etwas von einer idyllischen, mitteleuropäischen Grünanlage. Als wäre das noch nicht genug, wird die Story auch noch derart dilettantisch vorgetragen, dass man es kaum glauben mag. So verliert Dr. Taylor beispielsweise seinen Arm, rennt einige Meter von dem Kannibalendorf weg und wird vor einer Straße (!) ohnmächtig. Dort fahren natürlich ausgerechnet zwei junge Amerikaner vorbei, die so freundlich sind und den Professor mitnehmen. An dieser Stelle hat es mir vor lauter Dämlichkeit den Atem verschlagen, doch es soll noch weitergehen.
Der Film macht plötzlich einen Zeitsprung und plötzlich befinden wir uns in New York. Schön und gut, nur sind anscheinend mittlerweile mehrere Jahre vergangen, was uns Franco aber nicht einmal ansatzweise erklärt. So sieht der Professor keinen Tag älter aus, während Lena mittlerweile zur blanken Schönheit herangereift ist, hübsch ihren Busen in die Kamera hält und ihre Rolle als neue Kannibalengottheit scheinbar mühelos verdaut hat. Die Liste an Peinlichkeiten will und will aber kein Ende nehmen: Was als "Rettungsexpedition" (sehr clever, nach ca. 8 Jahren mal nach seiner Tochter zu suchen) bezeichnet wird, entpuppt sich als Ausflug für einige Touristen, natürlich inklusive schöner Frauen. Diese nutzen die Zeit in dem Kannibalengebiet um sich frei zu machen und zu tanzen und scheinen keine Ahnung zu haben, dass sie sich in ein Gebiet voller Menschenfresser vorwagen. Und was ist mit den toughen Kerlen, die es kaum erwarten können, endlich einen Wilden vor die Flinte zu bekommen? Diese brechen in Panik aus, sobald der erste, peinlich geschminkte Eingeborene auftaucht und werden sofort abgemurkst. So darf Dr. Taylor alleine schauen, wie er seine Tochter befreien kann. Blöderweise hat diese sich mittlerweile so sehr an das Leben als Kannibalengöttin gewöhnt, dass sie gar keine Lust mehr hat, Daddy zurück nach New York zu begleiten.
Ob Jess Franco wirklich der Annahme war, den Kannibalenfans mit diesem Machwerk einen Gefallen zu tun, ist wohl eine Frage, die nur er selbst beantworten kann. Fakt aber ist, dass "Mondo Cannibale 3 - Die Blonde Göttin" aka "Sexo caníbal" aka "Mondo Kannibalen" aka "Inferno der Kannibalen" kaum etwas von dem bietet, was man als Liebhaber dieser einzigartigen Filmgattung sehen möchte. Als positiv ist zu betrachten, dass Jess Franco auf die Tötung von Tieren verzichtete, was von Deodato in "Cannibal Holocaust" beinahe schon zelebriert wurde. Allerdings versäumt es Franco ebenso, den Streifen in einen pseudo-realistischen Deckmantel zu hüllen, was ansonsten das Markenzeichen vieler Kannibalenfilme war. Viele Streifen behaupteten von sich, auf wahren Begebenheiten zu beruhen und hatten fast so etwa wie einen dokumentarischen Grundton, der das Gezeigte noch verstörender erscheinen ließ. Dies entfällt hierbei komplett. Auch habe ich persönlich so meine Probleme damit, kindlich geschminkte und fehlerfrei englisch sprechende "Kannibalen" erstzunehmen, was jedwede Atmosphäre im Ansatz erstickt.
Verzichten muss man außerdem auf schöne Naturaufnahmen, die bei vielen sonstigen Kannibalenfilmen einen Kontrast zu der brutalen Gewalt darstellten. Achja, wo wir schon bei der Gewalt sind: Diese ist in "Mondo Cannibale 3" Mangelware. Bis auf einen abgetrennten Arm gibt es nichts zu sehen. Franco hatte allerdings die glorreiche Idee, seinem Publikum zahlreiche ausgedehnte Fressszenen zu servieren, was aber gehörig nach hinten losging. Minutenlang darf man einigen schmatzenden und kauenden "Kannibalen" zusehen, wie sie in Zeitlupe Fleisch essen, was zudem von einer furchtbar nervenden Soundkulisse unterlegt wurde. Das soll wohl einen verstörenden Effekt haben, begünstigt aber viel mehr die Zuhilfenahme der Vorspultaste auf der Fernbedienung, anders sind diese Fressszenen nämlich kaum auszuhalten. Dass eine VHS Auflage von "Mondo Cannibale 3" Ende der 80er sogar beschlagnahmt wurde, ist ein schlechter Witz sondersgleichen, denn im direkten Vergleich ist sogar das ab 12 freigegebene "Blair Witch Project" um einiges verstörender.
Die Darsteller geben sich durchaus Mühe, ihrem Part gerecht zu werden, verfügen aber allesamt nur über ein minimales Talent. In der Hauptrolle ist Al Cliver zu sehen, den man noch bestens aus einigen Klassikern von Lucio Fulci kennt, beispielweise "Die Geisterstadt der Zombies", "Demonia" oder "When Alice broke the Mirror". Die Rolle des Doktors verkörpert er passabel, nicht mehr und nicht weniger, allerdings ist er der einzige Akteur im Film, dem man etwas Begeisterung am Schauspiel unterstreichen kann.
Dass "Sexo cannibal" in Deutschland als Nachfolger der Klassiker "Mondo Cannibale" und "Mondo Cannibale 2" angepriesen wurde, ist eine bodenlose Frechheit, denn an deren Klasse kann Jess Franco's Einstiegsversuch ins Kannibalengenre in absolut keinster Weise heranreichen. Werke wie "Sexo cannibal", "Cannibal Terror" und dergleichen läuteten gar erst die Enddynastie des umstrittenen Genres ein, bevor es dann 1988 vorerst zu Grabe getragen wurde. Hier scheint so gut wie gar nichts zu stimmen, der Streifen bombardiert einen von vorne bis hinten mit klaffenden Logiklücken und diletantischen Peinlichkeiten. Als Kannibalenfilm taugt "Mondo Cannibale 3" nichts, doch da ich ebenfalls eine Schwäche für Trash habe, wurde mir während der 83 Minuten Laufzeit zumindest nicht ernstzunehmend langweilig. Dennoch möchte ich all diejenigen bitten, die sich für Kannibalenfilme interessieren, lieber zu den Werken von Deodato, Lenzi, Martino, Massaccesi und wie sie alle heißen zu greifen, denn Jess Franco hat dem Kannibalengenre mit "Sexo cannibal" mit Sicherheit kein Must See hinzugefügt.