Kalla Malla
In einem tristen und verarmten Slum-Viertel irgendwo in den Straßen Süd-Philadelphias lernen sich zwei junge Männer kennen, die wohl unterschiedlicher nicht sein können. Während Al (Nicolas Cage) der allseits beliebte Frauenaufreißer ist, ist Birdy (Matthew Modine) ein zurückgezogener Einzelgänger, der sich nicht für Partys und Mädchen interessiert, sondern sich lieber den Vögeln widmet. Die Freiheit eines Vogels fasziniert ihn so sehr, dass auch Birdy Tag und Nacht davon träumt, eines Tages fliegen zu können und seinem jetzigen Leben zu entkommen. Trotz ihrer grundverschiedenen Art werden Birdy und Al bald dicke Kumpel, die gemeinsam die Gegend unsicher machen und jede Menge Blödsinn anstellen.
Dann wird diese Freundschaft jedoch von dem Vietnamkrieg erschüttert. Al wird einberufen und auch Birdy tritt freiwillig den Dienst in der Army an. In den Schrecken des Krieges wird Al´s Gesicht von einer Landmine völlig verunstaltet, Birdy hingegen wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, benimmt sich von nun an wie ein Vogel und spricht mit keinem Menschen um sich herum auch nur ein Wort. Der Anstaltsleiter Dr. Major Weiss (John Harkins) glaubt, dass es das beste wäre, Al herzubestellen, damit dieser Birdy zum Sprechen bringen kann. Der entstellte und bandagierte Al ist entsetzt, was mit seinem Freund passiert ist, weicht jedoch von nun an nicht mehr von seiner Seite. Durch die Erzählungen gemeinsamer Erlebnisse versucht Al, zu Birdy durchzudringen. Es scheint so als habe er damit keinen Erfolg. Irgendwann kommen Al Zweifel, ob es überhaupt das richtige ist, Birdy aus seiner Traumwelt zu reißen...
Es kommt nicht gerade oft vor, dass mich ein Film derart in seinen Bann zieht, dass ich auch noch Tage später an ihn denken muss und gleichzeitig ein unheimliches glückliches Gefühl verspüre. Nun, bei "Birdy" war dies der Fall. Hierbei handelt es sich um die Adaption des gleichnamigen Romans von William Wharton. Obwohl ich das Buch nicht gelesen habe, wage ich zu behaupten, dass der Film dessen Intensität schon sehr nahe kommen muss, denn gefühlvoller und bewegender kann man einen Film schon fast nicht mehr drehen, so viel steht fest. Wundern sollte einen dies allerdings nicht, so saß hier nämlich mit Alan Parker ein Meister seines Fachs auf dem Regiestuhl, der bereits mit Filmen wie "Midnight Express" oder zuletzt "Die Asche meiner Mutter" bewiesen hat, dass er ein Händchen für anspruchsvolle Dramen hat.
Zwar ist "Birdy" nicht der beste Film seiner Karriere, dafür steht er bei einem anderen Mann in dessen Rangliste bester Darstellerleistungen ganz oben: Nicolas Cage. Selten zuvor habe ich Cage, hier noch in jungen Jahren, so in seiner Rolle versunken spielen sehen. Als Al lernt er eines Tages den Vogelliebhaber Birdy kennen und ist sofort von dessen außergewöhnlicher Lebenseinstellung beeindruckt. Während Nicolas Cage zu diesem Zeitpunkt noch kein extrem lobenswertes Schauspiel an den Tag legt, trumpft er spätestens in den Szenen, in denen er den Bandagierten mimen muss, zu tiefgründigen Meisterleistungen auf. Es ist eine Wucht, Cage derart verletzlich und gleichzeitig willensstark zu sehen. Zwar möchte er seinem Freund um jeden Preis helfen, verzweifelt aber fast an dessen scheinbarer geistiger Abwesenheit, zudem machen Al seine eigenen Verletzungen sehr zu schaffen.
Ebenfalls sehr souverän spielend weiß Matthew Modine zu überzeugen, den manch einer noch aus Filmen wie "Full Metal Jacket" oder "An jedem verdammten Sonntag" kennen dürfte. Leider hat Modine den ganz großen Durchbruch nie geschafft, was durchaus verwunderlich ist, wenn man seine Leistung in "Birdy" betrachtet. Sein einziges Interesse gilt den Vögeln, anders als die anderen Jungs in seinem Alter interessiert er sich nicht für Frauen oder Partys. Selbst als er irgendwann einer nackten Frau gegenübersteht, kann er nichts mit ihr anfangen, sondern sieht in ihr nur einen biologischen Mechanismus. Wenn er jedoch bei seinen Vögeln ist, fühlt Birdy sich frei und beschützt, kann die restliche Welt um sich herum vergessen.
Die einzige Ausnahme, die Birdy ein bisschen aus seiner eigens erschafften Welt locken kann, ist Al. Zusammen unternehmen die Beiden jede Menge Blödsinn, zum Beispiel testen sie verschiedene Mittel und Wege, Birdy das Fliegen beizubringen. Obwohl dieser dabei immer wieder Bruchlandungen erlebt, geben die Jungs ihre Hoffnung nicht auf, dass Birdy seinen Traum eines Tages wahr machen kann.
Der Erzählstil des Films ist dabei stets von einer niedrigen Geschwindigkeit geprägt, wobei jedoch zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. "Birdy" strotzt nur so von kraftvollen, tiefgründigen Szenen, die einen zutiefst bewegen und in der Lage sind, auch dem Mainstreamverwöhntesten Zuschauer eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen. Etwa die Szene, in der die Freunde in einem Industriegebiet auf einem Dach herumklettern, um ein Vogelnest beobachten zu können, Birdy dabei abrutscht, und Al an der Dachkante hängend mit ruhiger Gelassenheit erzählt, dass er nun fliegen werde, ist erschreckend und wunderschön gefilmt zugleich. Aus mehreren Stockwerken Höhe lässt sich Birdy einfach fallen, riskiert dabei sein Leben, nur um seinem größten Traum, ein Mal zu fliegen wie ein Vogel, ein kleines Stück näher zu sein. Al toleriert die sonderbare Art seines Frendes und hält bis zum Schluss verbissen zu ihm.
Während die Erzählungen über die Freunde, wie sie sich kennenlernen und zusammen durch dick und dünn gehen, die schöne Seite des Films ausmachen, wird es nach dem Vietnamkrieg sehr schwer, nicht nur für die Protagonisten, sondern auch für den Zuschauer. Birdy sitzt in einer schäbigen und trostlosen Zelle in einer Anstalt und wird für geisteskrank gehalten, während Al der Einzige ist, der felsenfest zu ihm steht. Stundenlang sitzt er in Birdys Zelle und erzählt ihm voller Emotionen von gemeinsamen Erlebnissen, in der Hoffnung, Birdy zum Sprechen bewegen zu können. Diese Szenen sind gekennzeichnet von sehr viel depressiven Grundtönen, erwecken allerdings gleichzeitig auch den Glauben an Hoffnung und an ein besseres Leben.
Daumen hoch übrigens für die Filmmusik von Peter Gabriel, ohne die "Birdy" nicht das wäre, was er ist. Die ruhigen Noten, die immer auf die jeweiligen Szenen abgestimmt sind, verleihen dem Film den letzten Feinschliff.
Fazit: "Birdy" ist ein langsam erzähltes Drama, ein Film voller Missmut und Rückschlägen, jedoch auch voller Hoffnung, Freundschaft und Tiefsinn. Wenn wir nur glauben, fliegen zu können, dann ist es uns ein leichtes, unseren Käfig hinter uns zu lassen, vorausgesetzt man hat Freunde, die zu einem stehen und man verlernt nie, zu träumen. Dieser Grundgedanke macht "Birdy" zu etwas einzigartigem, einem anspruchsvollen, zu keiner Zeit langweiligen Erlebnis, das mit Nicolas Cage und Matthew Modine perfekt besetzt ist.