Kalla Malla
Richard Dees ist ein abgehalfterter Reporter, der die Grenze des guten Geschmacks für das reißerische Schmierblatt "Inside View" bereits gerne und oft überschritten hat. Satanistische Opferungen, bizarre Deformationen, UFO-Entführungen - kein Thema ist zu spektakulär, kein Mord zu grausam, um von Dees nicht auf die Titelseite gebracht zu werden. Momentan läuft das Geschäft jedoch eher dürftig, ein richtiger Knüller lässt bereits seit einiger Zeit auf sich warten. Auch der aktuelle Fall des Night Fliers, eines Serienkillers, der des Nachts mit einer pechschwarzen Cessna abgelegene Flughäfen ansteuert und dort heillose Blutbäder anrichtet, scheint für den zynischen Journalisten zunächst nicht von Interesse zu sein. Als die Morde jedoch kein Ende nehmen und Dees drauf und dran ist, die Story an eine junge und aufstrebende Kollegin zu verlieren, willigt er unter Zugzwang doch ein, sich mit seiner Privatmaschine an die Fersen des Night Fliers zu heften. Die Jagd auf den unheilvollen Täter, der sich selbst Dwight Renfield nennt und an den Tatorten stets blutleere Leichen hinterlässt, wird für Dees zu einer regelrechten Obsession, die ihn alsbald selbst in höchste Gefahr bringt...
Stephen King Verfilmungen haben bekanntlich oftmals einen ungleich schlechteren Ruf als ihre literarischen Vorlagen. Vereinzelt scheiterte der Versuch einer solchen Adaption dabei bereits an der Unfähigkeit der zuständigen Drehbuchautoren, den jeweiligen Stoff in ein adäquates Filmscript zu übertragen, während es in anderen Fällen die Regisseure selbst waren, die keinen Zweifel daran aufkommen ließen, dass sie in ihrer Tätigkeit noch einiges zu lernen hatten. Bei derart vielen Flops, die sowohl Anhänger des Kult-Schriftstellers, als auch die restlichen Horrorfans in der jüngeren Vergangenheit bereits ertragen mussten, ist es im direkten Gegensatz dazu immer wieder erfreulich, eines Films ansichtig zu werden, welcher den King-Stempel trägt und gleichzeitig dem damit einhergehenden Anspruch gerecht wird. Eine der Verfilmungen, die dies zurecht von sich behaupten dürfen, ist der etwas andere Vampirfilm The Night Flier, der im Jahr 1997 für ein vergleichsweise geringes Budget von einer Million Dollar inszeniert wurde und seitdem für viele Fans des Genres als grundsolider, wenn auch ungewöhnlicher Vertreter des Vampir-Subgenres gilt. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es Regisseur Mark Pavia erstaunlich gut gelang, die Atmosphäre der zugrunde liegenden Kurzgeschichte einzufangen und sie über die Filmlänge von 92 Minuten geschickt mit einigen dezent platzierten Schockeffekten anzureichern.
Das Besondere an The Night Flier ist indessen die Tatsache, dass der Film weniger als gängiges Vampire/Creature-Movie daherkommt, sondern sich vielmehr als düstere Studie menschlicher Abgründe präsentiert. Der Zuschauer erlebt dabei aus der Sicht der Hauptfigur Richard Dees die dreckige und pessimistische Seite des Sensationsjournalismus, für die eine verkaufsfördernde Schlagzeile wesentlich mehr bedeutet als ein menschliches Leben. Dees ist ein verbitterter Zyniker, der die herzlose Seite des Lebens nicht nur kennt, sondern gar an ihr verdient und sich somit keine Illusionen leisten darf. Mark Pavia schöpft mit diesen Gegebenheiten aus den Vollen und kreiert eine Atmosphäre, die sich wie ein dichter Nebel unheilschwanger über seinen gesamten Film legt. Auch die Szenen, in denen der Vampir sein mordlüsternes Treiben an abgeschiedenen Flughäfen ausleben darf, erzeugen ein ums andere Mal eine Gänsehaut, da sich The Night Flier in der Vorführung blutiger Tatsachen zunächst einmal zurückhält und die Details der Imagination des Zuschauers überlässt. Pavia beweist dabei stets ein derart geschicktes Händchen für Stimmung und Inszenierung, dass es wirklich überrascht, dass der Regisseur vor und nach The Night Flier nicht mehr bedeutend im Filmgeschäft aktiv war.
Vordergründig und als reiner Horrorfilm betrachtet, ist dieses Werk ein eher ruhiger Vertreter seines Genres, in dem objektiv über eine lange Zeitspanne nicht sehr viel geschieht, was natürlich gerade von jenen als langatmig interpretiert werden dürfte, die sich lediglich eine möglichst hohe Anzahl blutiger Effekte erhoffen. Zwar geizt The Night Flier zum späteren Zeitpunkt auch mit diesen nicht, doch zunächst einmal befasst sich der Film über weite Strecken mit der immer einnehmenderen Obsession seines Hauptprotagonisten Richard Dees, die ihn letzten Endes unweigerlich geradewegs in den Abgrund zu führen scheint. Der Vampir ist sich dabei ab einem gewissen Zeitpunkt durchaus der Tatsache bewusst, von Dees verfolgt zu werden, hegt dabei aber insgeheime Bewunderung für dessen indirekten Blutdurst, was fast so etwas wie eine Verbindung zwischen dem Reporter und dem Untoten erschafft. Auch dies weiß The Night Flier gekonnt in subtile Bilder zu verpacken, die sich dann in einem gleichwohl blutigen, wie auch metaphorischen Finale entladen dürfen. Splatterfans werden dabei allerdings eher unzureichend bedient, denn obgleich mit abgerissenen Köpfen und übel zugerichteten Leichen einiges an Grausamkeiten gezeigt wird, findet die eigentliche Gewalt zumeist doch im Off statt. Dass der Film somit nicht auf selbstzweckhafte Blutorgien abzielt, wurde kürzlich scheinbar auch der FSK bewusst, welche The Night Flier nach über 10 Jahren nun von einer Freigabe ab 18 Jahren auf eine 16er-Kennzeichnung herunterstuften.
Obwohl der Film zum Schluß hin einige Fragen unbeantwortet lässt, dürften sich versierte Genrekenner im Laufe von The Night Flier mehr als nur einmal an eine überlange Folge der kultigen Tales from the Crypt Serie erinnert fühlen, was dem Streifen einen ganz eigenen, speziellen Charme einbringt. Die Story weiß das Interesse des Zuschauers dabei durchgehend aufrecht zu erhalten und sorgt gerade mit der Einführung der jungen Reporterin Katherine Blair für etwas Abwechslung, die nicht von ungefähr das genaue Gegenteil zu Richard Dees bildet und dem Filmverlauf somit die eine oder andere ungeahnte Wendung beschert. Tatsächlich ist The Night Flier jedoch nicht gerade durchgehend nervenaufreibend und kommt gelegentlich sogar mit Passagen daher, in denen man sich etwas mehr Action wünschen würde, zumal der Vampir im Mittelteil eher wenig beschäftigt wird. Das kreative und überzeugende Finale entschädigt diesen Eindruck aber wieder etwas, auch wenn die Maske des Blutsaugers letzten Endes nicht jedem zusagen dürfte. Während der Film einen direkten Blick auf den Vampir zunächst verwehrt, spendiert er seinem Publikum zum Schluß dann doch noch einige Close-Ups auf das Wesen, das mit seiner Monsterfratze ein wenig kitschig daherkommt, im Vergleich zu den ganzen Emo-Vampiren aus den letzten Jahren jedoch die reinste Wohltat darstellt. Die eher unbekannten Schauspieler machen ihre Sache letztendlich derweil auch ausnahmslos überzeugend. Gerade Miguel Ferrer, der trotz Rollen in Streifen wie RoboCop und Deep Star Six niemals ganz die Aufmerksamkeit bekam, die er sich eigentlich verdient hätte, scheint die Idealbesetzung für den verbitterten und obsessiven Reporter zu sein. Neben ihm weiß auch die ebenso hübsche wie talentierte Julie Entwisle zu gefallen, die allerdings nach diesem Film, ebenso wie der Regisseur, keine nennenswerte Karriere mehr aufweisen konnte.
Fazit: Somit ist The Night Flier insgesamt sowohl als King-Verfilmung, wie auch als Vampirstreifen als durchaus gelungener Vertreter seiner Zunft zu bezeichnen, bei dem sich eine versierte Regie keinerlei Patzer leistet und der vor allem mit einer dicken Atmosphäre punkten kann. Davon abgesehen wird der nicht zu jedem Zeitpunkt spannende Horrorfilm seinem Publikum aufgrund einer metaphorisch angehauchten Story allerdings keine Albträume bereiten, sondern den einzelnen Zuschauer eher nachdenklich zurücklassen, was wohl nicht bei allen Fans des Genres auf Gegenliebe stoßen dürfte. Gerade die inszenatorisch markanten Unterschiede zu inhaltlich ähnlich gestrickten Vampirfilme sind es jedoch, die The Night Flier letztendlich sein besonderes Flair verleihen und einen genaueren Blick durchaus rechtfertigen können.