Joerg Melzer
Wenn schon die Genrefans und Spielefreaks naserümpfend einem Film nach der ersten Kinowelle den Rücken zukehren, dann ist was im Busch.
Entweder, wir haben es tatsächlich mit einem richtigen Film zu tun (wahren Gamern sind die filmischen Aspekte ihres liebsten Hobby-Spiels sowieso egal) und man hat es wirklich mit einem filmischen Stück Exkrement zu tun.
Im Fall von „Max Payne“ stellt sich nach gut 20 Minuten leider selbst für den actionorientierten Videofreak das starke Bedürfnis ein, mal wieder das Badezimmer auf Hochglanz zu wienern, denn so was von profillos ist wirklich schon eine gesonderte Beachtung wert. Oder unwert.
„Max Payne“ als Spiel hat durchaus das Potential, einen brauchbaren Cop-Krimi abzugeben, angesichts der dargestellten Brutalität, der Abgründigkeit eines modernen Noir-Themas und der Härte aller Figuren wäre da reichlich Potential für einen Kultfilm – doch was John Moore aus dem Stoff macht, spottet jeder Beschreibung.
Die Story an sich gemahnt an so etwas wie „The Crow“ minus die übernatürlichen Aspekte, in einer Symbiose mit einem gut abgehangenen Charles-Bronson: der nicht aufzuhaltende Cop auf der Rachetour, sofern er endlich hinter die Hintergründe rund um den Tod seiner Frau kommt, die vor drei Jahren gewaltsam aus dem Leben schied. Zwar hat man ihn schon in die hinterste Bürostube versetzt, doch noch immer spricht man von dem Mann in Form des „Luftanhaltens, wenn man an einem Friedhof vorbei geht“.
Sofern das die nötige Metapher war, um die zu transportierende Stimmung zu beschreiben, versagt der Film auf der ganzen Linie. Die Hauptrolle ging an Mark Wahlberg, der zwar ernst und grimmig gucken kann, aber immer auch ein bißchen weich um die Augen erscheint – und das ist schon mal die falsche Wahl. Hier hätte eine brachiale Ikone durchs Bild rollen müssen, doch der Ex-Rapper hat selbst nach einigen guten Actionrollen immer noch „Muttis-Liebling“-Appeal und der kommt in Bezug auf Trauer leider immer wieder zum Tragen.
Da muß es also das Skript von Drehbuchdebutant Beau Thome reißen und der bastelt eine dermaßen durchsichtige Collage aus Rachefeldzug und Drogenkäse zusammen, daß es an allen Nähten nur so kracht. Spätestens, wenn nach 10 Minuten alle zwielichtigen Gestalten und halbnackten Mädels irgendeine blaue Flüssigkeit einpfeifen und Max‘ väterlicher Freund als Sicherheitschef eines Pharma-Unternehmens seinen Auftritt hat, weiß man, wie der Hase läuft – nur hat das offenbar niemand bemerkt.
Stattdessen kippt man den Zuschauer vollkommen form- und strukturlos in eine fragmentarische Geschichte und muß sich die klischeehaften Anfangszustände bekannter Genrefilmzutaten auch noch langsam erarbeiten, inclusive einer zäh-träntreibenden Rückblende nach fast der Hälfte Laufzeit, wenn man nun wirklich von jeder Figur schon etwas über den Tod der Frau erfahren hat.
Bei der Stange sollen einen da wohl die zahlreichen Erscheinungen von geflügelten Walküren halten, die so etwas wie ein paranormaler Fake sein sollen, den aber jeder Frittenschmied sofort in Korrelation mit den Drogen setzen kann. Schaut aber eben gut aus, weils aus dem Computer kommt.
Ansonsten herrscht viel zu viel Blabla, im Bemühen, Max von den Ermittlungen zurückzuhalten, dabei sind dermaßen wenige Verdächtige unterwegs, daß man den bösen Plot-Twist schon eine halbe Stunde vorher vor Schmerzen schreiend herbei sehnt.
Wenn der Film dann wenigstens noch die nötige Härte ausstrahlen würde, doch die guten Schießereien sind dünn gesät und wenn sie dann mal passieren, dann fängt Regie-Versager Moore auch noch mit den Spielereien an, paart Endloszeitlupe mit superschnellen Einstellungen und zeigt uns das Wichtige zu kurz und das Unwichtige zu lang, nur weil man mit der Kamera heute so tolle Sachen machen kann.
Moore hat schon aus „Das Omen“ und „Der Flug des Phoenix“ nichts Brauchbares oder Neues herausgefiltert und mit „Im Fadenkreuz“ einen ekelhaft verlogenen Kriegsfilm zusammen geschustert - hier bewegt er sich auf ganz neuem Terrain, nämlich der Produktion eines stylischen Gamerfilms ohne jegliche Idee für eine individuelle Bildsprache.
Die beruht in erster Line auf düsteren Straßenschluchten, die tagsüber im Regen ersaufen und nachts auf wunderbare Art und Weise immer wieder zugeschneit sind, auch wenn der Schotter, der den Figuren ununterbrochen brockenhaft um die Nase flattert mehr als deutlich wie Ascheflocken aussieht. Da wo es sick und dirty rüberkommen will, wirkt alles überaus profan und vordergründig, die Kamera steht meistens am falschen Platz und über den narrativen Stillstand haben wir ja schon gesprochen – von Tempo keine Spur.
Erzählerisch fällt der einzig brauchbare Gegner dann auch noch für den Showdown weg und stattdessen decouvriert sich ein anderer Bösling, der nun so gar kein Gegner ist, wenn die Knarren endlich nicht mehr nachgeladen werden müssen, weil Endlos-Ammo vorliegt und in punkto sexueller Kitzel gönnt man Olga „Ich-spiel-jetzt-überall-mal-kurz-die-sexy-Bitch“ Kurylenko verabschiedet sich so früh, daß die Kurzauftritte von Mila Kunis wie nachträglich angeklebt wirken.
„Max Payne“ hat wirklich alles: eine vorhersehbare Story, überkompliziert erzählt, umständlich und reizlos visualisiert, ungeschickt getrickst, nicht halb so direkt wie man es sich wünschen würde, fehlbesetzt und ohne jeden Funken Inspiration – das ruft ein seltsames Gefühl der Entfremdung hervor, so daß man sich nicht wütend beschwert, sondern der gänzlich aus dem Fokus des Interesses entschwindet, noch während er läuft. Dagegen wirken Filme wie „Hitman“ wie Tolstoi gemalt.