Kalla Malla
Martina gerät durch Zufall in eine Polizei-Razzia. Unerklärlicherweise findet man ein Tütchen Heroin in ihrer Tasche, was ihr einen Aufenthalt im Frauengefängnis einbringt. Die obligatorische Begrüßung mit »Beine breit« und »Finger in den Arsch« der ihr zugeteilten Wärterinnen, die pflichtbewusst die vaginale und anale Untersuchung des »new fish» bei der Einlieferung in den Knast übernehmen, zeigen ihr gleich, wo es lang geht. Ihre drei Zellengenossinnen schüchtern sie zunächst ein und behandeln sie wie Dreck, doch das gibt sich mit der Zeit, denn nach und nach freunden sich die Frauen an. Kleine Streitereien und Aufstände werden sofort zerschlagen und mit Strafen versehen, die für dieses Genre eigentlich recht harmlos sind. Angesichts der von den Knastologinnen vermittelten Erkenntnis, dass nur einmal in der Woche geduscht werden darf und es sonst nur kaltes Wasser gibt, halten sich die Schnuckis recht pfleglich und sind gut geschminkt. Obendrein müssen die Frauen Gottesdienste und Ermahnungen von Nonnen über sich ergehen lassen. Das ist echter Horror. Als eine Gefangene, der man eine ärztliche Behandlung verweigert hat, an den Folgen einer illegalen Abtreibung stirbt, kommt es zum allgemeinen Aufstand, der mehr anarchistische als auf einen Ausbruch zielgerichtete Züge trägt. Akten werden verbrannt, die Nonnen überfallen und erniedrigt, die Gefangenen tanzen. Ein Reporterteam filmt vom Dach die Szenen. »Mach die Kamera an, eine will springen!«, sagt einer der anwesenden Reporter. »Aber das Licht hat gewechselt, wir müssen erst umbauen«. Wie dem auch sei, die Frau springt und die Unruhestifterinnen werden in ein neues Gefängnis auf einer Felseninsel gebracht. Weitere Ausbruchsversuche scheitern. Völlig unspektakulär endet der Film mit der Entlassung von Martina.
Eigentlich ist dieser Film ein ziemlich sinnloser und schwacher Beitrag zum WIP-Genre. Lediglich die teilweise hübschen Frauen hinter Gittern und die recht solide Inszenierung rechtfertigen das Dasein dieses Films. Regisseur Brunello Rondi, der auch für die Grundidee des Drehbuches verantwortlich ist, versucht für den Zuschauer lieber die zwischenmenschlichen Beziehungen der Gefangenen in Szenen zu setzen und Gefühle zu verdeutlichen. Einige Stellen wirken aber albern und zu oft brechen die gefangenen Frauen in Humor und Freundentanz aus. Auf die sonst so unmenschlichen Einlagen, wie Folterungen und sexuelle Erniedrigungen, wurde gänzlich verzichtet. Lediglich ein paar erotische Fummeleien auf Pritsche oder unter der Dusche durchziehen obligatorisch den Film. Deshalb war es auch kein Problem, daß der Film ohne Kürzungen eine FSK18-Freigabe erhielt.
Im Juli 1977 erblickte er das Licht der deutschen Kinos. Der Videotitel »Revolte im Frauengefängnis« von Zenit-Video aus dem Jahre 1983 ist sehr verwirrend, da es ihn an anderer Stelle schon mal gab und man ehrlich gesagt so den Überblick verliert. Im Jahre 1955 entstand nämlich der s/w-Film »Revolte im Frauenzuchthaus« von Lewis Seiler, der mit dieser Zenit-Veröffentlichung natürlich rein gar nichts zu tun hat. Das „Lexikon des internationalen Films" schreibt über dieses Machwerk: »Ärmliche Mischung aus Sex und Crime«. Da sieht man mal wieder, wie subjektiv und mit Vorurteilen behaftet die Autoren an solche Filme heran gehen, denn hier trifft diese Aussage wirklich mal überhaupt nicht zu!
Schauspielerisch wird für italienische Verhältnisse fast schon überdurchschnittliches geboten. Martine Brochard zieht sich ganz gut aus der Affäre, ihre Co-Stars (die wiedermal unübersichtliche Credit-Situation hindert mich an genauerer Zuordnung), allesamt durch die harte Schule der üblichen Sandalenfilme und Italowestern gegangen erweisen sich als routiniert genug, um ihre Rollengestalten auch ohne übertriebenen Background über die Zeit zu retten.
Und der Exploitation-Faktor nun selbst? Tja, sicher kein Vergleich zu späteren Auswüchsen des Genres, aber wir haben: jede Menge Nudity, verschiedene Szenen der Demütigung, eine Bondage-Szene und eine grosse lesbische Liebesszene (plus der erwähnte ermordete Köter). Für uns schundgestählte Bewohner des 21. Jahrhunderts ist da sicherlich nichts bahn- oder tabubrechend Spektakuläres dabei, aber es passiert genug, um auch den genreerfahrenen Vielseher wenn nicht wirklich zu unterhalten (dafür ist das Treiben zu ernsthaft), aber doch zumindest bei der Stange zu halten. Ähnlich wie im '76er-US-TV-Film »Nightmare in Badham County«, wenngleich weniger gelungen, versucht »Prigione di donne« ein eigentlich der eher klassisch-dramatischen Interpretation des Frauengefängnisfilms "verbundenes" Script durch die Exploitation-Passagen zu unterstreichen.
Fazit: »Prigione di donne« ist nicht die Sleaze-Granate für die angeheiterte Herrenrunde, weil der Film von einer steten Ernsthaftigkeit durchzogen ist (als hätten die Produzenten und Regisseur Rondi tatsächlich geglaubt, sie würden ein echtes politisches Statement setzen), dennoch sollten WIP-Sammler den Streifen auf ihre Einkaufsliste setzen: weniger aus Gründen enormen Exploitationwerts, sondern aufgrund seines »filmhistorischen« Kontexts innerhalb des Genres, denn es ist ein rares Beispiel dafür, dass die Italiener doch durchaus einen weniger sleazigen Frauenknastfilm als die Yankees drehen konnten.