Kalla Malla
„Jug Face“ erzählt die Geschichte einer Redneck Sippe, die tief in den Wäldern wohnt. Außerhalb des Dorfes befindet sich eine Grube, welcher Menschenopfer dargebracht werden müssen. Geopfert wird derjenige, dessen Gesicht von einem Dorfaussätzigen als Tonmaske gebaut wird. Als ein Mädchen ihr Gesicht in der Hütte des Einsiedlers entdeckt, versteckt sie es im Wald; nichtsahnend, was für Konsequenzen es für die Dorfbewohner haben wird.
„Jug Face“ ist eigentlich ein sehr merkwürdiges Filmchen. Irgendwie mehr Drama als Horror und letzten Endes doch nichts von beidem. Dem Film liegt ein sehr ruhige und unaufgeregte Erzählweise zugrunde, in welche man sich erstmal reinfinden muss. Viele Sachen werden anfangs gar nicht geklärt und machen erst im Verlauf des Filmes Sinn - andere bleiben bis zum Ende ein Rätsel. Ich würde das nicht als Stilmittel auffassen, sondern eher als reine Schwäche im Drehbuch, welches sich unterm Strich auch als größtes Manko des Filmes herausstellt.
So reagieren die Schauspieler bzw. deren Charaktere recht eigenwartig, wenn ein Familienmitglied geopfert wird. Der Sohn bekommt den Hals durchgeschnitten, der Vater steht schulterzuckend daneben und die Mutter heult für zwei Sekunden, findet dann aber sehr schnell wieder in die Normalität zurück. Entweder ist das erneut eine Drehbuchschwäche, oder auf die sehr blassen Charaktere zurückzuführen, die (von der Protagonistin und dem Töpfer abgesehen) keinerlei Zeichnung bekommen.
Viel eher beschränkt sich der Film darauf, die Abartigkeit und soziale Verkümmerung der sektenartigen Siedlung darzustellen, in dem die Protagonistin beispielsweise eine inzestuöse Beziehung zu ihrem Bruder hat, oder ihr Großvater, scheinbar von allen vergessen, in seinem Wohnwagen vor sich hin vegetiert. Und so verwundert es dann auch nicht mehr, wenn die Mutter ihre Tochter auf ihre Jungfräulichkeit testet, diese nicht besteht, daraufhin die Finger zerschnitten bekommt und dieses gleichgültig wie normal hingenommen wird.
Das alles verpasst dem Film einen recht bösen Grundton, denn die Gleichgültigkeit in Bezug auf alles Böse und Schlechte, hat definitiv ihre Wirkung, obgleich man sich in diese Art der Inszenierung erst einmal reinfinden muss.
Schade ist nur, dass der Film keinen Hehl darum macht, dass die Grube und deren Rache kein Hirngespinst der Gemeinde ist. Anstatt einen geisterhaften Jungen zu zeigen, der unserer Protagonistin immer wieder aufs Neue Vorwürfe macht, für das wahllose Töten der Dorfbewohner verantwortlich zu sein, hätte man besser daran getan, offen zu lassen, ob der Kult nicht einfach nur auf einer Wahnvorstellung basiert. Somit weiß der Zuschauer, dass das Handeln der Dorfbewohner „rational“ und nachvollziehbar ist, denn es ist allemal besser, alle paar Monate ein Mitglied zu opfern, als wenn die Grube aus Rache alle paar Tage selbst zuschlägt. Eleganter wäre es gewesen, den Zuschauer selbst miträtseln zu lassen, ob das alles bloß eine Inszenierung der Dorfältesten ist, um ihre Kinder weit ab der Stadt an sich zu binden, oder ob sie wirklich als „Beschützer“ der Gemeinde handeln.
Leider wird der trotzdem recht positive Gesamteindruck des Filmes durch sein recht ereignisloses Ende getrübt. Es ist in Ordnung, wenn sich ein Film stark auf Atmosphäre besinnt und eher durch eine ruhige, mysteriöse Handlung den Zuschauer versucht zu binden, als actiontechnisch auf die Kacke zu hauen. Allerdings muss in diesem Fall die Story auch zu einem wirklich Höhepunkt führen und nicht irgendwo gegen Ende hin im Handlungsgeflecht versickern. Man könnte es als konsequent ansehen, den Film so enden zu lassen, wie er angefangen hat und verlaufen ist, aber insgeheim habe ich mir schon gewünscht, dass am Ende die Katze aus dem Sack gelassen wird und man vielleicht noch einen kleinen Plottwist parat hat, um die Leute vor dem Fernseher zu überraschen.
Trotzdem ist „Jug Face“ ein sehenswerter Film für all diejenigen, die gerne ruhige Filme wie die thematisch ähnlichen „The Village“ oder „Wicker Man“ mögen. Auch wenn es viele schlechte Kritiken über den Streifen zu lesen gibt, so ist er ein atmosphärisches, dichtes Werke, welches einen bösen Unterton hat und mit einer interessanten Grundstory aufwarten kann. Leider wartet man vergebens auf den Plottwist oder Interpretierungsansätze, denn obwohl „Jug Face“ prädestiniert dazu wäre, einen doppelten Boden zu haben, bekommt der Zuschauer einen vorgefertigten Filmverlauf präsentiert, der das Mysterium, welches ohnehin nicht zu Ende gedacht wurde, endgültig entmystifiziert.