Kalla Malla
»Das Geheimnis von Malampur« (»The Letter«) aus dem Jahr 1940, nach einer Kurzgeschichte von William Somerset Maugham, gehört zu den großen, unsterblichen Hollywood-Klassikern.
Die Story: Auf der malaiischen Halbinsel Malampur geschieht eines Nachts ein schreckliches Unglück. Leslie Crosbie, die Frau eines Gummiplantagen-Besitzers, erschießt ihren Geliebten. Sie schafft es, sich aus der Affäre zu ziehen und ein kreatives Lügengebilde zu erschaffen, so dass alle ihr glauben – sogar ihr Ehemann. Nur einer glaubt der jungen Frau kein Wörtchen: ihr Anwalt. Der gräbt tief und findet ganz schnell ganz andere Dinge heraus. Als es zum Prozess kommt, wird sich das Schicksal von Leslie endgültig entscheiden...
Regisseur Wiliam Wyler war Bette Davis' erklärter Lieblingsregisseur, mit ihm hat sie die ebenso grandiosen »Jezebel - Die boshafte Lady« (1938) und »Die kleinen Füchse« (1941) gedreht, und kaum jemand hat sie so gut geführt wie er.
Bette Davis beherrscht den gesamten Film. Bereits zu Beginn, wenn sie nach der Tat ihrem Ehemann und dem Anwalt die Ereignisse schildert, gibt sie dem Publikum gezielt Hinweise, dass es sich bei ihrer Erzählung nicht unbedingt um die Wahrheit handelt (sie ist eine Spur zu kühl und beherrscht), während die Charaktere um sie herum voll und ganz auf ihrer Seite sind. Diese Sequenz ist ein Paradebeispiel dafür, wie Wyler seine Zuschauer nie für dumm verkauft. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, die Davis als emotionales Opfer zu zeigen (sie hätte das ohne Zweifel spielen können), um dann später die Wahrnehmung in einer »überraschenden Wendung« zu kippen, doch er wählt einen viel klügeren Weg, weiht uns ein, lässt uns Zweifel bekommen und steigert dadurch die Spannung.
Davis' Hang zu Manierismen, der viele ihrer späteren Darstellungen reif für Parodien machte, wird von Wyler unter Kontrolle gehalten. Er fängt die schwüle Atmosphäre der (Studio-)Location wunderbar ein, hält den Film straff und auf hohem Tempo. Immer wieder wird der nächtliche Vollmond über der Plantage eingeblendet, der die Dinge sichtbar und unsichtbar machen kann...
Neben Davis kann vor allem James Stephenson als Anwalt begeistern, der zwischen Pflicht, Moral und Loyalität hin- und hergerissen wird. Der stets verlässliche Herbert Marshall sollte auch im folgenden »Little Foxes« das Opfer von Davis' Intrigenspiel werden und hat auch hier als liebender Ehemann kaum eine Chance gegen sie.
Was besonders beeindruckt ist die Tatsache, dass dieser Film von 1940 ohne alle technische Möglichkeiten, die heutigen Regisseuren in Hollywood zur Verfügung stehen, vom ersten Moment an bis zum Finale durchgehend fesselt, und das allein, weil ein hervorragendes Drehbuch, brillante Darsteller und ein Meisterregisseur ausreichen, um einen unvergesslichen Film zu schaffen, der nicht altert und an dem es einfach nichts auszusetzen gibt. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, einen derart guten Film zuletzt im Kino gesehen zu haben, leider.