Kalla Malla
Dr. Phibes (Price) hat bei einem Unfall weite Teile seines Gesichts und seine Stimme verloren (er spricht nur mit Hilfe einer elektronischen Vorrichtung in seinem Hals). Seine geliebte Ehefrau starb unter den Händen eines Ärzteteams. Mit seiner schönen Helferin Vulnavia (Virginia North) begibt er sich auf Rachefeldzug und tötet die Verantwortlichen im Stile der Plagen aus dem Alten Testament. Einem Arzt entfernt er sämtliches Blut aus dem Körper, eine Krankenschwester wird in Schutzhaft von einem Schwarm Heuschrecken zerfressen, ein weiterer Mediziner stirbt auf einem Maskenball mittels einer Froschmaske, die sein Genick bricht. Leiter des Ärzteteams ist der ergraute Joseph Cotten in einer herrlichen Spätrolle. Er muss in einem nervenzerrenden Finale um das Leben seines Sohnes kämpfen, der sich in der Gewalt von Phibes befindet.
Eine von Vincent Prices größten Darstellungen (obwohl seine Rolle fast stumm angelegt ist), und einer der unterhaltsamsten Horrorfilme aller Zeiten verbindet eine klassische Rachegeschichte mit poppiger Art Déco-Ausstattung, bizarre Sets und Kostüme, Unmengen an makaberem Humor und einige der scheußlichsten Todesarten zu einem absoluten Leckerbissen des Genres, der so erfolgreich war, dass er eine Fortsetzung erhielt und die Vorlage für eine weiteres Grusel-Meisterstück, »Theater des Grauens«, lieferte.
Hier gibt's mal keinen dumpfen Rächerfilm nach bekannten Strickmustern, sondern die Morde werden vom Doktor schon fast als eine Art Kunst zelebriert. Sie sind bis ins letzte Detail durchdacht und konsequent ausgeführt. Mit Vulvania steht Dr. Phibes eine hübsche, wie auch tödliche Assistentin zur Seite, die für ihn des öfteren den Lockvogel spielt. Warum sie ihm hilft wird nie erklärt. Ich persönlich sehe sie als eine Art personifizierte und lebendige Erinnerung an Phibes verstorbene Frau, da sich der Name und das Aussehen beider Frauen ziemlich ähnelt. Dabei kann sie genau wie Phibes nicht sprechen. Sie ist ihm eine stumme, aber treue Dienerin. In den ersten 10 Minuten des Films wird kein einziger Satz geredet und auch insgesamt hält sich der Film mit ausschweifenden Dialogen zurück. Dies passt aber zu dem leicht surrealen Touch des Films.
Mit dem Charakter des Scotland Yard Inspektors Trout kommt zudem noch etwas leichter Humor in die sonst recht ernsthafte Geschichte. Allerdings nie soviel, dass es die Horroratmosphäre stören würde, sondern in einem angenehmen Maße, ganz so wie es Hitchcock auch in seinen Filmen immer einzusetzen pflegte. Man sollte etwas schwarzen Humor schon vertragen können, man achte mal darauf wie ein durch ein bronzenes Einhorn Aufgespießter »abmontiert« wird. In seiner Grundstruktur ist der Film sicherlich vergleichbar mit »Theater of Blood« (»Theater des Grauens«), in dem Vincent Price einen ehemaligen Shakespeare Schauspieler mimt, der sich an seinen Kritikern nach den Vorbildern der Morde in Shakespears Werken rächt. Theater of Blood fehlt dagegen aber der künstlerische Aspekt, der die Dr. Phibes Filme so auszeichnet.
Regisseur Robert Fuest findet durchgehend ungewöhnliche Bildkompositionen, die Kamera-Arbeit ist fantastisch. Die schrecklich-schönen Ereignisse werden vom Drehbuch mit so viel britischem Humor aufgelockert, dass man sich zwar wohlig gruseln, aber auch immer wieder befreit schmunzeln darf. Vincent Price gelingt es, praktisch ohne Text auszukommen und dennoch eine unheimliche und bewegende Präsenz zu erschaffen. Die Tragik seiner Figur, die unsterbliche Liebe zu der verstorbenen Gattin (Caroline Munro), macht ihn zu einem traurigen und sympathischen Monster. Und wer könnte je das Versteck von Phibes vergessen, einen alten Ballsaal mit gigantischer Orgel und einer mechanischen Band, die Musik aus den 20ern spielt?
Fazit: »Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes« ist 1971 entstanden und so frisch wie damals. Er sprüht nur so vor Fantasie und ist dem heutigen Horror-Kino um Sachen Stil, Eleganz und Witz um Lichtjahre voraus.