Kalla Malla
Ich müsste gewaltig lügen, würde ich behaupten ein restlos begeisterter Fan der Metalband "Metallica" zu sein. Auch wenn die Jungs immer geklotzt und nie gekleckert haben, so waren mir manche musikalische Ausflüge zu weit vom eigentlichen Geist der Band entfernt, auch wenn ihr Einfluss auf die Szene riesengroß war und ist. Wer allerdings schon einmal in den Genuss kam sie live zu sehen (ich zum Glück schon mehrfach), wird schnell feststellen, dass sie mit zu den beeindruckendsten Livebands gehören.
Nach ihrem ersten Ausflug in die Filmbranche in Form ihres Seelen-Striptease "Some Kind Of Monster" kehren sie 2013 jetzt auf die Leinwände zurück und zwar mit "Through The Never"; einem Film, der nicht nur nach einem ihrer Songs benannt wurde, sondern - getreu der Gigantomanie die diese Band nunmal versprüht - auch gewaltig produziert, gewaltig angepriesen und gewaltig geworden ist.
Das Besondere hierbei ist, dass es sich nicht um einen einfachen Konzertfilm handelt, sondern um einen Spielfilm, der mit genug Konzertaufnahmen angereichert ist, um keinen Metallica Fan zu enttäuschen. Während die Spielfilm Handlung, die sich darum dreht, dass ein Roadie während eines Metallica Gigs in Kanada einen Botendienst erledigen muss und sich alsbald in einer apokalyptisch anmutenden Stadt wiederfindet, natürlich eher zweitrangig ist, sind die Konzertaufnahmen das eigentliche Highlight des Filmes.
Diese wurden an zwei Abenden und mit mehreren 3D-IMAX-Kameras aufgezeichnet und versetzen den Zuschauer echt ins Staunen. Die Band ließ extra für die beiden Konzerte eine riesige Innenbühne bauen (vergleichbar mit der, die sie auf ihrer "Black Album" oder "Death Magnetic" Tour aufgefahren haben) und sie mit allerlei Schnick-Schnack versehen: Teslaspulen, riesige Särge, Grabsteine, einen Elektrostuhl sowie eine riesige Justitia Statue beispielsweise. Wer die Songs der Band kennt, weiß natürlich genau, bei welchen Liedern diese Gimmicks zum Einsatz kamen. Auch der Bühnenboden hat etwas Interessantes zu bieten, denn dieser ist ein einziger Bildschirm, auf dem passend zum vorgetragenen Stück, entsprechende Videosequenzen laufen, die auch Verwendung im Film an sich finden.
Das 3D bildet zusammen mit dem tollen Schnitt, den absolut sauberen Konzertaufnahmen und der fantastischen Musikabmischung (die klanglich so manche Metallica Studio CD übertrumpft) einen regelrechten Sinnesoverload, denn eine bessere Konzertaufnahme habe ich noch nie gesehen ... und das sage ich als überzeugter Rammstein Fan.
Sobald der Film nach ungeführ 5 Minuten Ennio Morricones bekanntes "The Ecstasy Of Gold" - was seit jeher das Bühnenintro für Metallica ist - über die Kinoleinwand laufen lässt, weiß man schon ganz genau, dass das ein wahnsinnig toller Konzertmitschnitt ist. Die Band ist super gelaunt und haut dem Zuschauer Hit um Hit (obwohl viele großartige Songs wie "Blackened", "Motorbreath" oder "Seek And Destroy" leider fehlen) um die Ohren. Ich habe mich teilweise schon selbst dabei ertappt, wie ich gerade am Mitwippen oder auf den Boden Stampfen war und hätte ich mich nicht zusammengerissen, hätte ich tatsächlich nach jedem Song geklatscht oder am Ende "Zugabe" geschrieen, denn selten hat man sich bei einem Livefilm so im Geschehen verlieren können und wirklich geglaubt, man stünde gerade bei Metallica mitten auf der Bühne.
Die Livesequenzen werden in angenehmen Abständen durch die Nebenhandlung unterbrochen und stören entgegen anderslautender Reviews wirklich nicht. Zumindest nicht mich. Inszenatorisch kann man Regisseur Nimród Antal hier absolut keinen Vorwurf machen, denn die apokalpytisch anmutenden Außenaufnahmen sind wirklich toll geworden und haben echtes Kinofeeling. Durch den Soundtrack von Metallica, der überraschend gut in "normale" Blockbustersequenzen passt, bekommt das Ganze eine gute Verbindung zu den Konzertaufnahmen und wird auch recht dynamisch rübergebracht. Highlights waren hier vorallem die im Rhythmus zu "Cyanide" oder "Battery" geschnitten Schlägereiszenen, die durch den Metalsoundtrack wirklich Drive bekommen haben.
Man mag über Sinn und Unsinn der Nebenhandlung trefflich streiten können, doch vorallem in der ersten Stunde ist man gleichermaßen fasziniert von der Bühnenshow, die die 4 Kalifornier da gerade auffahren, wie auch an der Filmhandlung interessiert, denn ich wollte unbedingt wissen, was es mit den "Mad Max" Zuständen außerhalb der Konzerthalle auf sich hat. Zusätzlich bin ich mir sicher, dass genau diese Hochglanzfilmsequenzen dafür sorgen, dass auch der Konzertfilm so gut funktioniert. Denn zu keiner Zeit hat man, selbst als Nicht-Fan der Gruppe, den Eindruck hier bloß ein Konzert zu sehen. In gewisser Weise tut man das zwar schon, denn mehr als 3/4 der Laufzeit sind nunmal reine Livemitschnitte, aber gerade die Abwechslung zwischen Handlung, Konzert und Handlung mit Metallica als Soundtrack, machen aus "Through The Never" eben einen Spielfilm und nicht die "Live Shit: Binge & Purge" DVD.
Das einzige was "Through The Never" am Ende jedoch den letzten Punkt zur Höchstpunktzahl raubt, ist sein Ende. Denn während Konzert und Film die ganze Laufzeit über sowohl für sich, als auch zusammen gut funktioniert haben, räumt man dem Filmteil am Ende einfach nicht die Zeit ein, ein befriedigendes Ende zu finden. Die Ereignisse werden nicht geklärt und man fragt sich teilweise schon, ob der Roadie das alles bloß geträumt hat und in Wahrheit besoffen in der Ecke rumlag. Zusätzlich wird durch den unrealistischen Finalkampf zu sehr die Musikvideo Ebene gestreift, denn die Inszenierung kippt in allerletzter Minute auf eine Art "MTV-Niveau", wo man einfach eine Situation, passend zur Musik schildert, ohne sie gemäß filmischer Richtlinien aufzuklären.
Und trotzdem ist auch das Motzen auf allerhöchstem Niveau, denn an "Through The Never" werden Viele Spaß haben - auch Nicht-Metallicafans. Das Konzert ist absolut top in Szene gesetzt und auch der Film weiß zu überzeugen, auch wenn er dann doch keinen Sinn ergibt. Die Inszenierung ist zackig (gilt für Show als auch für die Nebenhandlung) und wer die Möglichkeit hat, soll bitte ins Kino gehen und den Film mit seinem tollen 3D genießen. Denn ich bin mir sicher, dass der Bombast-Funke zuhause nie im Leben überspringen wird, alleine weil der perfekte Klang (Film liegt nämlich in Dolby Atmos vor!) verloren geht. Eine Frage allerdings zum Schluss: hätte man Lars Ulrich nicht sagen können, dass er seinen Hosenstall bitte zumachen soll?