Kalla Malla
Die Grazer Ex-Studenten Johann und Max sind der Überzeugung, deutlich weniger Sex zu haben, als ihnen eigentlich zustehen würde. Auch in anderen Belangen hält sich die allgemeine Zufriedenheit der Beiden derzeit in Grenzen: Der Traum von einem selbstgedrehten Werbespot scheint aufgrund akkuter Finanzprobleme kaum realisierbar. Da hat der Zuhälter und Drogendealer Schorsch die zündende Idee: Ein Amateur-Pornofilm könnte den Freunden nicht nur zum ersehnten Geschlechtsverkehr, sondern auch zum dringend benötigten Kleingeld verhelfen. Johann und Max sind von der Idee begeistert und stellen mit der gemeinsamen Freundin Mao ein Casting auf die Beine, schließlich braucht es für einen Pornofilm auch willige Darstellerinnen. Mit Mara und Martha sind schließlich zwei Nachwuchstalente gefunden und auch der Drehort steht bereits fest: Unter dem Vorwand, mit ihren Freunden zu lernen, besetzt Mao kurzerhand das Haus ihrer Eltern. Entgegen diesem reibungslosen Ablauf tun sich aber noch vor dem Fall der ersten Klappe immense Probleme auf, welche die Dreharbeiten alsbald in ein Chaos ausarten lassen...
Internetplattformen wie Youporn und dergleichen suggerieren uns nun schon seit Jahren den Eindruck, dass es das leichteste der Welt wäre, einen eigenen Porno in Szene zu setzen. Scheinbar braucht es nicht mehr als eine Kamera, eine paarungswillige Gespielin und eisernes Stehvermögen, um es den großen Vorbildern aus dem Geschäft des Erwachsenenfilms nachzutun, doch die Wahrheit ist eine ganz andere. Ficken vor der Kamera ist ein schweißtreibender und nervenaufreibender Knochenjob, das lernt der aufgeschlossene Filmfreund nun ausgerechnet von den Österreichern, die sich in der freizügigen Komödie Nacktschnecken von ihrer humorvollsten Seite zeigen. Die Produktion aus dem Jahr 2004 treibt das kunterbunte Drunter und Drüber bei einer Pornoproduktion ironisch auf die Spitze und erweist sich dabei im Kern noch als charmante und sympathische Charakterstudie über Menschen wie du und ich. Regie führte dabei der bereits erfahrene Filmemacher Michael Glawogger, ihm zur Seite stand ein Cast bis dato großteils unbekannter Schauspieler, die jedoch allesamt zu Höchstleistungen auflaufen. Bei zahlreichen Stärken und vielen positiven Überraschungen ist es daher schade, dass es Nacktschnecken nicht weit über den Durchschnitt hinausschafft, denn trotz eines überzeugenden Gesamteindruckes und vieler Lacher gelingt es dem Film leider nicht, einige Längen im Mittelteil erfolgreich zu vertuschen.
Der Plot des Films ist nicht mehr neu und wurde in ähnlicher Form bereits in den US-Komödien Zack and Miri Make a Porno und Dirty Movie verarbeitet. Der Unterschied: Nicht nur, dass Nacktschnecken noch vor diesen Streifen erschien und somit kaum als Plagiat gewertet werden kann, auch geht es in Österreich bedeutend freizügiger zur Sache als hinter dem großen Teich. Der Film nimmt sein Sujet vielleicht sogar eine Spur zu ernst und präsentiert seinem Publikum im Detail all das, womit dieses bei einer Freigabe ab 16 Jahren nicht gerechnet hätte: Hardcore-Sex und klar ersichtliche Cumshots lässt Nacktschnecken sich klar an eine erwachsene Zielgruppe richten, auch wenn der Film an sich trotz pornographischer Darstellungen nicht als Porno durchgeht. Es ist eine bodenständige und realistische Komödie über die natürlichste Sache der Welt, bei der man die falsche Prüderie der amerikanischen Kollegen vergeblich suchen wird. Dafür, sowie für den Mut der Darsteller, ist dem Werk an sich schon Respekt zu zollen.
Der hauptsächliche Grund, warum Nacktschnecken letztendlich überraschend gut funktioniert, sind nicht etwa die erwähnten Sex- und Nacktszenen und auch nicht die durchaus vorhandenen Schenkelklopfer; all das könnte alleine nämlich auch keinen Film tragen. Nein, was diesen Film dem Zuschauer näherbringt, sind die allesamt charismatischen und liebenswerten Charaktere, die man bis zum Abspann recht gut kennenlernen darf und fast schon in sein Herz geschlossen hat. Das Highlight ist dabei sicherlich der Zuhälter Schorsch, der von dem Akteur Georg Friedrich gewohnt genial verkörpert wird. Im hautengen, transparenten Top mit Jesus-Motiv, wallend blonder Haarmähne und bedeutend cholerischem Auftreten hätte dieser Charaktere ohne Einschränkungen auch einem Drehbuch der Coen-Brüder entspringen können und hat die Lacher des Publikums auf seiner Seite. Doch auch sonst geht es hier keinesfalls ernst zu: Brüllkomische Dialoge sorgen im Laufe der Handlung ebenso für Stimmung wie gezielt eingesetzte Situationskomik und kuriose Lebensweisheiten. Für einen besonderen Pluspunkt sorgt dabei schließlich noch der österreische Dialekt des souverän aufspielenden Casts.
Zwar stellt Nacktschnecken dabei auch unter Beweis, dass eine Komödie über die Pornoproduktion nicht unbedingt anspruchslos daherkommen muss, schießt dabei ein ums andere Mal aber deutlich übers Ziel hinaus. Gewollt tiefergehende Bildmetaphorik lässt einen des öfteren vermuten, sich da gerade die letzte Produktion Lars von Triers' anzusehen, wirkt im Kontext des Films aber irgendwie deplatziert. Wenn Mao beispielsweise erklärt, dass man sich "mit Alkohol gebarden" müsse und von da an immer wieder ein Gepard durchs Bild läuft, dann ist das ebenso befremdlich wie die Szene, in der Max plötzlich wie ein Affe kreischend und springend durch den Wald rennt, ohne dass das Publikum irgendeine Erklärung dafür erhalten würde. Erwähnt werden muss allerdings auch, dass sich Nacktschnecken bei seinem Versuch, Anspruch in das Geschehen einzubinden, nicht immer in Sackgassen verläuft. So zeigt der Film, dass bei einer Pornoproduktion eben auch nur Menschen mit Gefühlen und Empfindungen aufeinandertreffen und das eigentliche Vorhaben bei all den Irrungen und Wirrungen der Liebe schnell mal in den Hintergrund treten kann. Auch wird eine leise Kritik an der Prüderie der heutigen Gesellschaft angeschlagen, in der zwar die meisten gerne Sex haben, vielen bei der kleinsten Sexszene im Fernsehen allerdings schon die Schamesröte ins Gesicht steigt.
Nacktschnecken vereint die Aspekte einer Komödie mit den Anleihen eines Dramas, hat dabei allerdings so seine Probleme mit der Dramaturgie. Gerade im Mittelteil kommt es zu so manchem Durchhänger, die das Tempo des Films ausbremsen und die insgesamt 86 Minuten Laufzeit durchaus länger erscheinen lassen. Die Konflikte innerhalb der Gruppe angehender Porno-Schauspieler werden bis ins letzte ausgereizt und kommen so mit dem einen oder anderen langatmigen Moment daher, was nicht notwendig gewesen wäre, ist die Story des Films doch an sich absolut stimmig und überzeugend gestaltet.
Nacktschnecken war ein kommerzieller Erfolg, was den Verantwortlichen auch neidlos zu gönnen ist. Was hier mit geringen Mitteln geschaffen wurde, ist eine ambitionierte, sympathische und überraschend überzeugende Komödie über das Chaos am Set eines Pornodrehs, die ihre Thematik mit der entsprechenden Zeigefreudigkeit aufarbeitet und daher für verklemmte Filmfreunde als absolut ungeeignet bezeichnet werden darf. Nacktschnecken überzeugt durch geniale Dialoge und einem allgemein hoch gehaltenen Humorgehalt ebenso wie durch seine mutigen und talentierten Schauspieler. Dem gegenüber steht der Versuch des Regisseurs, einen Anspruch in das Treiben einzubinden, was aber nicht immer in überzeugendem Ausmaße funktioniert, ebenso wie eine gelegentlich auftretende Langatmigkeit. Alles in allem handelt es sich bei Nacktschnecken aber noch immer um eine sehr positive Überraschung, der man als Sympathisant kleiner, charmanter Komödien und als Liebhaber des deutschsprachigen Films durchaus mal eine Chance geben sollte.