Kalla Malla
Fünf junge Leute, eine Luxusjacht und das offene, herrliche Meer. Eigentlich hätte es ein wunderschöner Urlaub für das junge Paar Liz (Jewel Staite) und Peter (Justin Baldoni), sowie für drei ihrer Freunde werden sollen, doch als ihr Schiff zuerst vom Kurs abkommt und dann auch noch auf ein Riff aufläuft, können sie sich nur mit letzter Not auf eine verlassene Insel retten. Zwar gelingt es ihnen, per Funkgerät Hilfe anzufordern, doch bis diese eintrifft, sind die gezwungen, auf der mysteriösen Insel auszuharren. Die Situation wird zunehmend unheimlicher, als Liz plötzlich rasche Bewegungen im Dickicht des angrenzenden Dschungels wahrnimmt und zudem immer wieder undefinierbare Laute zu den fünf Freunden herandringen. Dies ist jedoch nur der Beginn einer Odyssee des Schreckens, denn als die Gruppe am darauf folgenden Morgen zu sich kommt, ist Peter's Schlafsack leer, eine Blutspur führt geradewegs in das bedrohliche Blattwerk des Dschungels. Panisch folgen Liz und die anderen der Spur und stoßen im tiefen Dickicht schließlich auf eine ganze Sippe grauenhafter Monster, halb Mensch und halb Bestie, die nicht lange fackeln und die Jagd auf die ungebetenen Gäste eröffnen...
Der Horrorfilm hat sich mittlerweile so sehr auf Torture-Porns in all ihren Variationen festgefahren, dass man als Genre-Fan nicht von ungefähr den Eindruck erhält, dass andere, bewährte Subgenres langsam aber sicher in Vergessenheit geraten. Nun steht neuerdings mit "The Forgotten Ones" aka "The Tribe" ein Survival-Horrorfilm in den Startlöchern, der dieser Tatsache mehr oder weniger erfolgreich Einhalt zu gebieten versucht. Das Regiedebut des in den USA tätigen, deutschen Jörg Ihle ist dabei im Kern zwar ein erfrischend altbackener Horrorfilm nach den klassischen Mustern des Creature Features, schafft es bei näherer Betrachtung aber keineswegs, nachhaltig zu überzeugen. Sobald die Euphorie des Publikums darüber, dass es endlich mal wieder Abwechslung zum Folter-Einheitsbrei geboten bekommt, verflogen ist, konzentriert es sich nämlich auf die eigentlichen Qualitäten des Filmes und diese sind dann insgesamt leider all zu rar gesät.
Noch auf dem Cover des Streifens wird dem gutgläubigen Käufer großspurig eine Symbiose aus "The Descent" und "Predator" offeriert, doch der erfahrene Horror-Konsument weiß natürlich schon im Voraus, wie es um die Qualität jener Werke bestellt ist, die zur Absatzsteigerung mit anderen, bekannten Titeln um sich werfen müssen. Natürlich braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten, um prognostizieren zu können, dass "The Tribe" weder an den klaustrophobischen Höhlenhorror "The Descent", noch an den kultigen Actionkracher "Predator" mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle heranreichen kann. Während eine Nennung von John McTiernan's Survival-Reißer aber zumindest noch insofern Sinn macht, als dass auch in "The Tribe" ähnliche, humanoide Jäger ihr Unwesen treiben, ist der Vergleich mit "The Descent" leider komplett an den Haaren herbeigezogen. Aber der Reihe nach. In den ersten Minuten des Films stellt der hoffnungsvolle Zuschauer fest, dass sich das Werk zumindest optisch schon einmal über den Konventionen eines gängigen B-Movies bewegt. Zwar noch nicht ganz kinoreif, aber durchaus ansehbar serviert "The Tribe" seinem Publikum solide eingefangene Bilder vor hübscher Meeres- und Inselkulisse, doch leider sollen ein geschicktes Händchen für Settings und ein kompetenter Kameramann auch die einzig nennenswerten Stärken des Werkes bleiben.
Die beste visuelle Aufbereitung nützt bekanntlich recht wenig, wenn es einfach nichts Nennenswertes gibt, das es wert wäre, in Szene gesetzt zu werden. Schon bei der Charaktereinführung geht "The Tribe" hilflos über Bord. Zwei hirnlose Schönlinge, ein übergewichtiger Klugscheißer und ein dummes Blondchen gehen dem Zuschauer alsbald auf die Nerven, lediglich die weibliche Hauptfigur Liz lässt eine gewisse Sympathie entstehen, auch wenn natürlich sofort ersichtlich ist, dass die Dame es als einzige lebend zum Abspann schaffen wird und sich zudem alleine durch das letzte Drittel des Films schlagen muss. Bis es aber so weit ist, hat der Zuschauer einen langen Weg vor sich, auf dessen Beschreitung er leider so manch grenzdebilen Dialog über sich ergehen lassen muss. So haben die überraschend trockenen und außerordentlich gut gestylten Twens nach ihrem Schiffbruch natürlich nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig anzuzicken oder den Verlust persönlicher Habseligkeiten, zum Beispiel eines Haartrockners, zu betrauern. Zum Brüllen komisch auch die Aufforderung einer der Damen, ihr Freund solle sie sofort mit dem Schlauchboot von dieser Insel schaffen. Natürlich, nach noch nicht einmal einem ganzen Tag auf der Insel ins offene Meere hinauszupaddeln macht eindeutig mehr Sinn, als auf die bereits angekündigte Rettungsmannschaft zu warten. Dass solche Charaktere in der Regel nicht von den namenhaftesten oder talentiertesten Schauspielern verkörpert werden, überrascht wenig und auch "The Tribe" ist da keine Ausnahme. Die Mimen scheinen allesamt nur nach ihrem Aussehen gecastet worden zu sein und schaffen es bis auf Jewel Staite leider nicht, den Zuschauer für sich zu interessieren.
Bei derartigen Charakteren wartet man beinahe sehnlichst auf den Auftritt der Monster, die sich hier als haarige Kreuzung aus Mensch und Affe erweisen und mit ihrem Äußeren sofort Erinnerungen an die Morloks aus dem Science-Fiction-Klassiker "Die Zeitmaschine" wachrufen, obgleich sie natürlich etwas brutaler als diese zu Werke gehen. Gerade die atmosphärische Einführung dieser Kreaturen darf dabei als besonders gelungen bezeichnet werden. Hier und da huscht mal etwas Undefinierbares durchs Dickickt, nur um im nächsten Moment wieder von der dichten Vegetation verschluckt zu werden. So lange nicht feststeht, was denn da nun eigentlich sein böses Unwesen auf der Insel treibt, bleibt die Spannung noch erhalten, doch leider fällt diese dann rapide ab, je mehr Screentime den haarigen Biestern zugestanden wird. All zu menschlich und auch etwas zu zahm kommen die vielzählig vorhandenen Biester daher, so dass sich der Gruselfaktor schnell wieder einstellt. Hier wäre ein erschreckenderes Make-Up ebenso wünschenswert wie ein insgesamt höhrer Gewaltgrad gewesen. Dass "The Tribe" von der FSK mit einer Freigabe ab 16 Jahren durchgewunken wurde, überrascht jedenfalls nur bedingt, sind ein paar angeknabberte Leichen doch schon das blutige Highlight dieses Werkes. Damit bleibt Jorg Ihle's Debutfilm jedoch seiner grundlegenden Stimmung treu, denn auch unter anderen Gesichtspunkten bleibt "The Tribe" deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück. Spannung beschränkt sich auf bestenfalls zwei kurze Szenen, in denen Liz direkt mit den Monstern konfrontiert wird. Eine bedrohliche Atmosphäre will hier ansonsten nicht entstehen, da die Monster trotz ihrer allgegenwärtigen Präsenz einfach nicht in ausreichendem Maße erschreckend wirken.
Fazit: Mit "The Tribe" schuf Regie-Debutant Jorg Ihle ein Creature-Flick, das beinahe durchgehend hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Mit sympathischeren Charakteren, bösartigeren Monstern, einem höheren Blutpegel und einer brauchbaren Spannungskurve hätte aus diesem zumindest schon einmal visuell annehmbaren Werk auch inhaltlich ein überzeugender Horror-Titel werden können, doch so bleibt leider nur die Zuordnung ins leicht unterdurchschnittliche Mittelfeld. "The Tribe" ist kein vollkommes Ärgernis, dafür aber kurz nach der Sichtung schon wieder vergessen und dadurch leider vollkommen belanglos und austauschbar.