Kalla Malla
Als hemmungsloser Verehrer bin ich geneigt, allen Filmen, in denen Marilyn Monroe mitspielt, meine volle Bewunderung auszusprechen. Doch »Bus Stop« aus dem Jahr 1954, in dem sie ihre Wandlung vom Leinwandstar zur ernsthaften Charakterdarstellerin mit Bravour besteht, fällt als Film insgesamt einfach zu schwach aus, und das ist sehr schade, denn Marilyns Darbietung ist hier wirklich fantastisch.
Sie spielt die Barsängerin Cherie, die nicht viel Talent besitzt (ihre Darbietung von »That Old Black Magic« ist hinreißend falsch), aber von einer Hollywood-Karriere träumt. Der naive Rodeo-Cowboy Bo (Don Murray) verliebt sich bereits beim Anblick der Schönheit (wer würde das nicht?) und setzt sich in den Kopf, sie zu heiraten und auf seine Farm in Montana mitzunehmen. Da sich Cherie aber widerspenstig zeigt, entführt er sie kurzerhand in einen Reisebus, und in einem verschneiten Bus Stop spitzt sich das Drama zu...
Marilyns Cherie ist wieder einmal die dümmliche Blondine mit dem großen Herz, aber Marilyn spielt sie mit so viel Zerbrechlichkeit und Humor, dass sie dem Klischee mühelos entgeht. Mit starkem Hinterwäldler-Akzent und Löchern in den Netzstrümpfen darf sie ebenso witzig wie rührend sein. Neben ihr verblassen alle, und das gilt besonders für Hauptdarsteller Don Murray, dessen überlaute Vorstellung eines naiven Bauernburschen, der zu blöd ist, um bei Grün über die Straße zu gehen, dermaßen schnell auf die Nerven geht, dass man sich wünscht, er würde beim Rodeo von einem Stier zermalmt werden. Auf keinen Fall möchte man ein Happy End mit der liebreizenden Marilyn, die für diesen Trottel alle Träume aufgeben muss. Murray und sein Sidekick Arthur O'Connell zeigen darüber hinaus die anstrengende Tendenz, sich ihre Dialoge entgegenzubrüllen, was im letzten Akt zu ständiger Schreierei führt, die echte Dramatik ersetzen soll.
Zuletzt muss man sagen, dass der Film übermäßig stark gealtert ist. Dass jemand wie unser Cowboy einfach mal eine kreischende Frau mit dem Lasso einfängt, sich über die Schulter wirft und in einen Bus zerrt, weil er meint, sie gehöre zu ihm, und sämtliche Passanten schauen lächelnd zu (Ach, die Liebe...), das ist sogar für einen Film der 50er peinlich. Die Ansichten, die »Bus Stop« über Männer und Frauen verbreitet, dürften ebenfalls überholt sein (ein Mann wird erst durch Faustkampf zum richtigen Mann, eine Frau darf ihre eigenen Wünsche vergessen und eine frustrierte Hausfrau zwischen Kühen und Babys werden, wenn der Mann ihr dafür in die Jacke hilft).
Joshua Logans Verfilmung ist eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von William Inge aus dem Jahre 1955, das dadurch berühmt wurde. Für den Film wurde die Handlung im Restaurant verändert und stark verkürzt. So wurde die Figur des Sheriffs Will mit der des Busfahrers Carl zusammengelegt, die Figur des Dr. Lyman wurde ganz weggelassen. Im Gegenzug wird die Vorgeschichte im Film sehr ausführlich dargestellt. Eine weitere Fassung für das amerikanische Fernsehen entstand 1982 unter der Regie von Peter H. Hunt.
Fazit: Glücklicherweise gibt Marilyn dem angestaubten Film genug Schwung, Witz und Esprit, sodass man sich »Bus Stop« über weite Strecken anschauen kann, aber er ist weit, weit entfernt von Marilyns besten Filmen.