Kalla Malla
Spricht man über Filme jenseits des guten Geschmacks, ist die „August Underground“ Trilogie nicht weit. Besonders der über die Maßen gestörte, zweite Teil „Mordum“ wird gerne als die Definition für extreme Sicko-Kost herangezogen. An den Haaren herbeigezogen ist das nicht, denn „Mordum“ kommt einem auf den ersten Blick wie der heroinabhängige Bruder des ersten Teils vor. Alles ist größer, böser, brutaler und expliziter als in „August Underground“ und obwohl die Filme sich inhaltlich nichts geben und man sie als Laie auch nicht voneinander unterscheiden kann, sind sie sehr wohl unterschiedlich. Sowohl in ihrer Inszenierung, als auch in ihrer Wirkung.
Erneut sehen wir ein paar Leuten beim wahllosen Töten anderer Menschen zu. Alles ist in der für die Reihe typischen „Found Footage“ Optik gedreht und wird für den Großteil der Bevölkerung schon alleine aufgrund der Optik zuviel sein. In keiner einzigen Szene, hält die Kamera auch nur für zwei Sekunden still und der dreckige, grobkörnige Videolook wird für viele so gar nicht ins Weltbild des schönen, glattpolierten Filmes passen. Und das ist gut so.
„Mordum“ setzt in den Tötungsszenen mehrere Schippen drauf und überzeugt schon alleine durch die Qualität der Gore Effekte. Der Film ist kein klassischer Splatterfilm, bei welchem literweise Blut fließt, sondern ein realistisch anmutendes Experiment. Und so muss der Zuschauer sich darauf gefasst machen, unter real anmutenden Szenen sich durch die tiefsten Abgründe, die man als Regisseur bloß erschaffen kann, zu wühlen. Jede einzelne Sequenz wirkt täuschend realistisch und wenn die Killer-Horde irgendwelche Leute massakriert, wirkt es wie die irren Taten eines komplett geistesgestörten Kultes.
„Highlight“ war vorallem die Szene, in der ein Mann gezwungen wird, sich mit einer Nagelschere den Penis abzuschneiden - andernfalls würde seine Tochter getötet werden. Und so schnippelt er quälend Lange und Zentimeter für Zentimeter an seinem Ding herum, ehe die Frau in der Killertruppe es in den Mund nimmt, nur um es anschließend seiner Tochter ins Gesicht zu drücken. Das sind Einfälle, auf die man nur kommt, wenn man als Filmemacher jedes Gefühl für irgendwas verloren hat. Und so muss man als Fan dieser Film auch mit all den negativen Stimmen aus der Horrorszene klarkommen, die an diesem oder an solchen Filmen kein gutes Haar lassen.
Gedreht wurde der Streifen von Fred Vogel, der nicht nur selbst erneut vor der Kamera agiert, sondern wieder auf dem Regiestuhl Platz für andere gemacht hat. Unter anderen bekommt auch Killjoy, dem einen oder anderen als Sänger der Gore-Deathmetal Band „Necrophagia“ bekannt, einen Director Credit zugeschrieben, genauso wie auch Michael Maggot, der vor allem für seine experimentellen Filmwerke wie „I Never Left The White Room“ bekannt sein dürfte. Wo „August Underground“ noch ein kleines Projekt zweier Regisseure war, ist „Mordum“ ein wildes und absolut irres Potpourri mehrerer Leute, welches dadurch wie ein verstörender Flickenteppich daherkommt.
Und genau da liegt auch der Unterschied zum in meinen Augen besseren ersten Teil:
„August Underground“ spielt geschickt mit dem Kopfkino des Zuschauers. Denn viele Szenen finden außerhalb des Bildschirmes statt, weswegen man sich die Taten im Kopf ausmalen musste. Ich verweise mal auf den originalen „Texas Chainsaw Massacre“, der auch jedem brutaler vorkommt, als er eigentlich ist. In „Mordum“ hingegen wird auf alles eiskalt draufgehalten, was zwar beim ersten Hinschauen die Brutalität erhöht, aber eben auch dafür sorgt, dass gewisse Handlungen fest vorgegeben sind und nicht der wesentlich bunteren Fantasie des Zuschauers überlassen wird. Somit ist die Wirkung von „Mordum“ um einiges kalkulierter und absehbarer als die vom noch verstörenderen ersten Teil, bei welchem die Morde so beiläufig gefilmt wurden, als ob man gerade testen wollte, ob die Kamera überhaupt funktioniert.
Und wo man beim zweiten Teil einerseits das Auftauchen der unterschiedlichen Killer ob der gesteigerten Anzahl an Wahnsinnigkeiten feiern könnte, war der lediglich aus zwei Leuten bestehende „August Underground“ in der Hinsicht viel realistischer und weniger abgedreht. Was erneut der Stimmung und Atmosphäre in die Karten spielte.
Trotzdem ist „Mordum“ ein sehenswerter Film für all jene, die sich fragen, ob es nach Fulci, Ittenbach oder Zombie echt nicht mehr brutaler geht. Der Film wird selbst im Horrorpublikum nur von einem sehr kleinen Teil akzeptiert sein und mehr Leuten nicht gefallen als umgekehrt, aber betrachtet man ihn als Experiment und als das, was er ist, nämlich boshafte Unterhaltung und der Versuch, so nahe es geht an reale Tötungen heranzukommen, wird man am Film Gefallen finden, oder ihn zumindest akzeptieren. Die „August Underground“ Reihe wird lange Zeit ungeschlagen bleiben und gleichzeitig muss ich zugeben, dass sie für mich das Horrorgenre verändert, wenn nicht sogar revolutioniert hat. Ich sehe jetzt schon erboste PNs vor meinem geistigen Auge mit der Überschrift: „Alter, du hast doch gar keine Ahnung was der Horrorfilm ist! Schau dir Nosferatu an!“, aber damit komme ich klar. Schließlich weiß ich sowohl „Nosferatu“, als auch „August Underground“ zu schätzen.