Berny23
„Es ist unglaublich – hier sitzen wir, die Privilegierten, Unabhängigen, die Hoffnung der Zukunft, alle versammelt, und nicht einer von uns weiß, was er anfangen soll, mit dem Rest seines Lebens.“
Ursprünglich habe ich einen normalen Slasher-Film mit ein paar Tennies erwartet. Alles hat sich auch lange Zeit wie dieses Genre angefühlt, doch zum Schluss kommt dieser unglaubliche Twist, den ich absolut nicht erwartet habe.
Die prunkvolle Villa, die einer der weiblichen Studenten bald erbt, ist eine herrliche Kulisse für einen Horrorfilm. Dann auch noch mitten im Wald und dazu auf einer Insel ohne weitere Bewohner. Dieser ideale Ort wird nur von der gekonnt inszenierten Handlung und dem realistischen Zusammenspiel der Charaktere überschattet. Schon an Bord der Fähre bilden sich schnell Zweiergrüppchen, die später auch eigene Zimmer bekommen und die zumeist eigene Handlungsstränge haben, zwischen denen hin- und hergewechselt wird.
Gerade was dunkle Aufnahmen angeht, trumpft der Film mit der Beleuchtungsstrategie des Kameramanns bzw. Gaffers auf. Denn wichtige Stellen sind stets sichtbar, der Rest bleibt in der nächtlichen Schwärze verborgen, was die Atmosphäre in dieser idyllischen Landschaft noch verdichtet. Schatten werden hier oft als Stilmittel genutzt. Unbekanntes erzeugt Spannung, darum erscheint der Killer, der nach und nach Einzelgänger an diversen Orten rund ums Haus erledigt, auch bis kurz vor der Auflösung am Schluss dem Zuschauer nicht. Die praktischen Effekte sind sehr gelungen und begeistern mich als 80er-Fan neben den soliden Schauspielern heute noch. Dass weite Teile ohne Dauergedudel im Hintergrund auskommen und nur in besonderen Momenten Musik verwendet wird, ist auch eine Wohltat.
Ab hier möchte ich auf den Indizierungsbeschluss von 1987 eingehen (Nr. 2975), insbesondere ein paar Stellen. Denn was diese gewissenlosen, gottverdammten, asozialen Sackrattenzüchter dort zusammenphantasiert haben, grenzt schon an einen Wahn, der psychiatrisch behandelt werden müsste.
„Der Videofilm wirkt [...] verrohend, weil er gegen Menschen gerichtete Gewalthandlungen realistisch, selbstzweckhaft und im großen Stil und in epischer Breite schildert [...].“
Es wird in keiner einzigen Szene „in epischer Breite“ irgendein Mord gezeigt, da alles im Off stattfindet und alleine nach der Andeutung direkt zu einer anderen Szene umgeschnitten wird. Die einzigen zwei sichtbaren „Morde“ (zu Beginn auf der Fähre und kurz vorm Abspann) sind harmlose Späße mit Attrappen, die nur Sekunden später auch für den letzten Idioten verständlich als solche enttarnt werden. Da haben diese dreckigen Lügner wieder einmal sinnlose Textbausteine abgetippt, um ihre in der Tat selbstzweckhafte „Arbeit“ zu rechtfertigen.
„Die schlichte Rahmenhandlung des Videofilms [...] dient erkennbar als Aufhänger, um spektakuläre Einzeltötungen genüßlich präsentieren und aneinanderreihen zu können.“
Diese clevere Irreführung des Zuschauers und der zwei Hauptfiguren des Films stellen keineswegs eine „schlichte“ Handlung dar. Alleine die ausgefeilte Planung und Abfolge der Taten à la Agatha Christies „Zehn kleine Negerlein“, die nach und nach gefundenen Hinweise auf den möglichen Killer sowie der extrem clevere Plottwist am Ende, der mich ziemlich kalt erwischt hat, unterstreichen das. Auf die „spektakuläre[n]“ und allseits bekannten „genüßlich[en] Einzeltötungen“ bin ich vorhin bereits zur Genüge eingegangen, alles vollkommener Quatsch. Auch von einer Aneinanderreihung kann kaum die Rede sein, denn zwischen den angedeuteten Gewalthandlungen wird weitaus genug Zeit gelassen, um die Charaktere durch realistische, oft humoristische Interaktionen auszubauen und dem Zuschauer Luft zu geben. Gerade das Ausbleiben von schnellen Szenenabfolgen oder Verfolgungsjagden trägt neben den ruhigen Kameraeinstellungen und bewusst häufig düster gehaltenen Umgebungen zu einer außerordentlich guten Spannungsbildung und Atmosphäre bei.
„Zur Befriedigung des lüsternen Interesses des Zuschauers an Gewalthandlungen wird u.a. im Detail vorgeführt, wie Menschen ertränkt, erstochen, verbrannt und erdrosselt werden.“ [sic!]
Hier haben wir mindestens eine völlig dreiste Lüge, denn „verbrannt“ wird niemand in diesem Film, auch nicht angedeutet. Die einzigen offenen Flammen sind ein Feuerzeug zum Lichtmachen, draußen in der Nacht, und eine Zigarre. Vielleicht haben die grenzdebilen Prüfer auch den mit Kleidung gefüllten (kalten) Heizofen im Keller als Menschenverbrennung missgedeutet – was jedoch auch nicht stimmen kann, da der abgetrennte Kopf der Klamottenbesitzerin ohne jede Brandspur als Schocker hinter einem Gemälde steht. Wie dem auch sei, „ertränkt“ wird auch niemand vor der Kamera, da die Leichen im Brunnen längst tot waren, als sie hineingeworfen wurden. Beim Typen im Bootshaus wird nur sein Schatten von hinten gepackt und später ist sein bleiches Leichengesicht unter den lückenhaften Dielen kurz sichtbar, das war’s. Es wird auch niemand aktiv „erdrosselt“; zwar sieht man in einem Zimmer kurz den baumelnden Körper an einer Schlinge, jedoch nie eine eigentliche Tat. Selbst bei den zwei erstochenen Opfern war ersteres ein sofort enttarnter Witzbold mit falschem Messer (siehe Erwähnung der Fähre oben) und zweiteres nur – nach der nicht geschilderten Tat – in einer einzigen kurzen Nahaufnahme mit rotem Fleck am Hosenstall zu sehen. Insgesamt wird überhaupt keine Gewalt „im Detail vorgeführt“, sofern sie überhaupt im Bild passiert.
„Im Anschluß an die Morde werden regelmäßig die blutüberströmten Leichen in langen Einstellungen und in Nahaufnahmen gezeigt.“
Eine weitere haltlose und dreckige Lüge. Diese „blutüberströmten Leichen“ sowie „langen Einstellungen und [...] Nahaufnahmen“ hat man sich einfach so aus dem pompösen Arsch gezogen, denn solch eine Szene existiert überhaupt nicht im gesamten Film. Bei der Bezeichnung „vereinfachtes Verfahren“ dachten die drei Hansel vermutlich, das beziehe sich darauf, sich zur Vereinfachung des Verfahrens irgendeinen Schmarrn auszudenken und den Beschluss damit reißerischer zu machen. Die Leichen im Waldbrunnen sind nicht blutverschmiert und die paar abgetrennten Köpfe auch nicht, ansonsten ist da auch wirklich nichts im Film sichtbar. Beim Herumspulen im Film muss ich Millimeterarbeit verrichten, um überhaupt eine dieser angeblich „langen Einstellungen“ zu Gesicht zu bekommen, trotz deren gerade erwähnter Disqualifikation. Die einzige Szene, die mir zu der Beschreibung einfällt, ist das stark blutverschmierte Bettlaken in einem Zimmer – doch selbst in der Uncut-Fassung gibt es statt verstümmelter Leichen nur einen sofortigen Umschnitt auf die entsetzten Gesichter der zwei Protagonisten. Der Zuschauer erhält keinen Blick auf das, was die beiden so ängstigt.
Soviel erstmal zu unserer durch Steuergeld zwangsfinanzierten Indexbehörde, deren Daseinsberechtigung augenscheinlich der Jugendschutz ist. Tatsächlich hat schon 1959 deren damaliger Leiter, Oberregierungsrat Robert Schilling, ganz unverblümt geäußert, langfristiges Ziel der Behörde sei es auch, dass künftig generell erst gar keine anstößigen Werke für den deutschen Markt produziert oder veröffentlicht werden sollen. Damit ist dies Institution von Grund auf eindeutig verfassungswidrig, da sie sich nicht auf die jahrzehntealte Ausrede berufen kann, nur sogenannte (nach Auslegung mancher Juristen erlaubte) Nachzensur zu betreiben.
Blickt man in die 2000er, sieht man sogar mehrere handfeste und durch Indexbeschlüsse bewiesene Verstöße gegen das Grundgesetz, da mehrere Spielfortsetzungen vor Erscheinen, also auch vor einer Prüfmöglichkeit, bereits vorauseilend indiziert wurden. Das ist staatliche Vorzensur und damit eindeutig strafbar. Denn aufgrund einer Indizierung wird auch Erwachsenen in der Praxis der Zugang innerhalb Deutschlands verwehrt, weil kein Unternehmen indizierte Medien offen vermarkten darf und diese Produkte aufgrund wirtschaftlicher Probleme und rechtlicher Hindernisse nicht im deutschen Sortiment hat (siehe Steam, MediaMarkt, Müller etc.). Des Weiteren ist eine neutrale und/oder positive Berichterstattung laut Gesetzeskommentar illegal, worunter theoretisch auch Reviews fallen. Jede Bewertung eines Deutschen müsste also mindestens eine schlechte Eigenschaft des Werks hervorheben, ein rein neutraler Text reicht ebenfalls nicht aus. Das glaubt einem kein Mensch, ist aber tatsächlich so – schöne Meinungsfreiheit haben wir hier. :)
„Die Horror-Party“ zeigt also weniger den Horror im Film als die horrenden Zustände in der echten Welt auf. Die Freigaben in unseren Nachbarländern sagen alles, denke ich: in Frankreich ab 12, in Italien ab 14, in England ab 15, bei uns ab 18 und bis 2010 indiziert.
Gesehene Fassung: Uncut Blu-ray mit deutscher Synchro
Meine Screenshots: https://berny23.de/die-horror-party-1986/