Kalla Malla
Mit Filmen wie „Darfur“, „Siegburg“ oder „Rampage“ konnte sich der meiner Meinung zu Unrecht verhasste deutsche Filmemacher Uwe Boll von seiner Bezeichnung als schlechtester Regisseur aller Zeiten größtenteils lösen. Zwar waren seine nachfolgenden Filme wie „Auschwitz“ oder „Blubberella“ möglicherweise nicht die besten Einfälle, um seine Rehabilitation zu untermauern, aber mit „Assault On Waltstreet“ konnte er erneut sein Können unter Beweis stellen. Somit lag es nahe, dass zu seinem anerkanntesten Film „Rampage“ eine Fortsetzung her musste. Und wer Boll in Interviews aus jüngster Vergangenheit erlebt hat, weiß, wie leidenschaftlich er sich über die USA, aktuellen Kriegsführungen oder die Verfolgung von Snowden, Assange und Co. auslassen kann. Da sein Metier allerdings nicht Talkshows sind, verarbeitete er seine Ansichten in „Rampage 2“, weswegen sich dieser Film auch stark vom sehr action-/ gewaltorientierten ersten Teil unterscheidet.
Bill Williamson, Verantwortlicher für den Amoklauf in Tenderville, bei welchem über 100 Leute ihr Leben lassen mussten, ist untergetaucht und plant Jahre später einen erneuten Anschlag. Diesesmal verschanzt er sich in einem Fernsehstudio und zwingt die Mitarbeiter, seine Thesen landesweit live zu senden. Er will eine globale Veränderung: Die Reichen sollen getötet werden, um Lobbyismus und Gedankendiktatur zu stoppen…
Ja, das ist Stammtisch Polemik, allerdings in so überzeichneter Form, dass der Film durchaus eine Daseinsberechtigung hat. Aus Bill Williamson scheint Uwe Boll persönlich zu sprechen, denn viele Kommentare gegenüber Kapitalismus etc. kannte ich 1:1 aus Interviews mit Boll höchstpersönlich. Natürlich ist Boll nicht ein irrer Killer, aber er nutzt „Rampage - Capital Punishment“ deutlich als Meinungsplattform - was ich ok finde, aber er muss in Kauf nehmen, hier missverstanden zu werden. Ich war schon damals, kurz nach Release von „Rampage 1“ überrascht, dass man Boll nach den Anschlägen von Utöya keinen Strick daraus gedreht hat, denn diese schienen mir wie die Umsetzung des Filmes in der Realität. Aber gut, weiter im Text:
Der Unterschied zum ersten „Rampage“ ist der, dass „Rampage 2“ wesentlich mehr Wert auf seine Aussage legt. War der erste Teil mit dem Gerede über Überpopulation eher darauf ausgelegt, mit der Darstellung des Amoklaufes an sich zu schocken (wenn nicht sogar zu unterhalten), so fährt der zweite im Gewalt- und Actionbereich ein paar Stufen zurück und punktet vor allem in den Szenen, als Williamson seine Ansichten per Videobotschaft oder Live-Interview zum Besten gibt. Aus spielfilmischer Sicht ist der Film nämlich eher ein zweitklassiger Kammerspiel-Thriller. Denn der Amokläufer nimmt Geiseln, verschanzt sich in einem Studio und verharrt dort für den Großteil des Filmes. Somit ist der Film für all diejenigen, die in „Rampage 2“ bloß von Moral befreites Geballer auf unschuldige Passanten sehen wollten, nicht wirklich geeignet. Spannend wäre der Film ohne seine Realitätsbezug nicht wirklich, aber der Sinn hinter „Rampage 2“ war - wie ich vermute - eh ein ganz anderer.
Wie erwähnt ist er Bolls Kommentar und überspitzte Lösung für eine Revolution, die an einigen Stellen jedoch trotzdem übers Ziel hinausschießt. Besonders dann, wenn Williamson eine Frau erschießt, weil sie Yogalehrerin ist und er daraus deutet, dass sie eine reiche, verantwortungslose Mutter ist, welche nur Yoga macht, weil ihr Mann ihr die Kohle in den Hintern schiebt. Da kommt einem der Film dann in etwa so vor, wie wenn Serdar Somuncu in seiner Paraderolle als „Hassprediger“ im Auto sitzt und konsequent über alles und jedem schimpft. Nur mit dem Unterschied, dass Somuncu als Kabarettist deutlich Stellung bezieht und man die Hasstiraden richtig einordnen kann. Bei „Rampage 2“ hingegen, kommen diese Momente sehr forciert daher und verhindern eigentlich, dass Zuschauern über gewisse Themen wie die Waffenpolitik in den Staaten, Wahlen, Lobbyismus oder die Einseitigkeit der Medien wirklich die Augen geöffnet werden.
Allerdings kann sich „Rampage 2“ wieder dadurch fangen, wenn Williamson sein Vorgehen und die Beweggründe genau erläutert. Vor allem wenn er seine Morde an Unschuldigen dadurch rechtfertigt, dass er lediglich das Vorgehen der USA kopiert, die für das Töten eines einzelnen Terroristen den Mord an hunderten Kindern als kalkulierten Kollateralschaden in Kauf nehmen. Das sind bittere und harte Seitenhiebe, die den Zuschauer letzten Endes über die Yoga Sache hinwegsehen lassen und vor allem eines beweisen: Uwe Boll lässt sich salopp gesagt nicht vor den Karren scheißen und beweist gewaltigen Mut, wenn er Obama als Verbrecher und Lügner direkt angreift. So etwas kommt selten im Filmbereich vor und erst recht nicht im Mainstream Kino, zu dem „Rampage 2“ grundlegend gehört. Somit kann ich Boll verstehen, wenn er sich gerne als Don Quichotte präsentiert und konsequent gegen Filme wie Oliver Stones „Wallstreet“ schießt oder Regisseure wie Michael Bay oder Steven Spielberg kritisiert. Natürlich - nicht das wir uns falsch verstehen - ist Boll nicht der, der die einzige Wahrheit kennt oder durch differenzierte Aussagen glänzt. Aber wenn er darauf aus ist, gewissen Leuten die Augen zu öffnen und er seine Stimme gegen Ungerechtigkeiten, wie sie vor allem Snowden und Assange erleiden mussten, erhebt, dann nötigt mir das Respekt ab. Obgleich ich natürlich erwähnen muss, dass „Rampage 2“ auch nicht die Lösung ist.
Somit ist die Fortsetzung zum weitestgehend akzeptierten Boll-Film „Rampage“ ein sehenswerter Film, der besonders mit seiner überspitzten Aussage zu punkten weiß. Hätte er diese nicht, wäre er Klassen schlechter. Denn als reiner Thriller, gibt es wesentlich Besseres da draußen zu sehen. Die Regierungskritik kommt viel pointierter daher als im ersten Teil, obgleich rein aus filmischer Unterhaltungssicht, „Rampage 1“ einen Tick besser war. Einfach, weil die Balance zwischen Inhalt und On-Screen Action besser gepasst hat. So oder so - sehenswert sind beide Filme und der angekündigte dritte Teil wandert nach Fertigstellung auch umgehend in meinen Player!
