Kalla Malla
»Trügerische Leidenschaft« (»Deception«) aus dem Jahr 1946 vereinte Bette Davis mit einem ihrer Lieblings-Regisseure, Irving Rapper, sowie den Co-Stars Paul Henreid und Claude Rains aus dem gemeinsamen »Reise aus der Vergangenheit«. Worum geht es?
Die Pianistin Christine Radcliffe ist überglücklich, als sie ihre Jugendliebe, den Cellisten Karel Novak, in New York nur zufällig wiedertrifft. Es ist ein Wunder, dass die beiden nach so langer Zeit wieder zueinander finden. Doch die Welt hat sich seit ihrer letzten Begegnung weitergedreht. Christine und der große Dirigent Alexander Hollenius leben seit Jahren zusammen - ohne jedoch eine wirkliche Liebesbeziehung zu führen. Dennoch betrachtet er Christine als sein Eigentum. Er macht ihr seit Jahren teure Geschenke, lässt sie in einer luxuriösen Wohnung wohnen und es ihr an nichts fehlen. Als er von der bevorstehenden Hochzeit zwischen Christine und Karel hört, setzt er alles daran, seine Pläne zu verwirklichen und das junge Paar wieder zu trennen - mit ungeahnten Folgen...
Irving Rapper gelang hier ein ungewöhnlicher Mix aus Frauen-Melodram und Film Noir. Das große Problem ist die Frage, inwieweit man glauben kann, dass eine Frau eine voreheliche Beziehung mit allen Mitteln verheimlichen muss, anstatt die Karten offen auf den Tisch zu legen. Der Film erklärt dies mehrfach mit der sensiblen Psyche des Gatten Henreid, aber im Grunde ist diese Prämisse natürlich absurd. Als Vorlage diente ein Bühnenstück von 1927, das erklärt die angestaubte Moral, die zusätzlich durch den Hollywood Production Code das Schicksal von Davis im Film besiegelt, die für ihre »Sünden« bestraft werden muss.
Bette Davis selbst war nicht sehr glücklich, weder mit ihrer Rolle noch mit dem aufgezwungenen Ende (in welchem sie mehrfach die Motivationen wechselt), dafür bietet ihr Regisseur Rapper aber viel Gelegenheit, alle Register zu ziehen, und ihre Darstellung ist ein Genuss. Sie setzt viele ihrer Manierismen ein, trotzdem bleibt sie kontrolliert und gibt große Teile des Films an Claude Rains ab, der eine sensationelle Vorstellung zeigt. In den besten Szenen bringt er die Hochzeitsfeier von Davis/Henreid zum Stillstand oder treibt die beiden mit einer überheblichen Selbstdarstellung in einem Restaurant zum Wahnsinn. Man kann verstehen, warum Davis irgendwann zur Waffe greift. Paul Henreid spielt überzeugend seinen neurotischen, gebrochenen Cellisten, der nichts begreift und ständig manipuliert wird - eine Rolle, die üblicherweise Frauen zukommt und hier eine schöne Abwechslung vom Schema darstellt. Ob das glaubwürdig ist, steht auf einem anderen Blatt.
Neben der exzellenten Kameraführung von Ernest Haller, der besonders das Apartment von Davis in verführerisches Dunkel taucht (und die Noir-Elemente - wie den ständigen Regen und Spiegel - dramatisch einsetzt), besticht »Deception« auch durch die grandiose Musik-Untermalung von Erich Wolfgang Korngold, der für die Rains-Figur ein eigenes Konzertstück verfasste. Die Orchester-Sequenzen sind übrigens hervorragend inszeniert und geschnitten. In erster Linie ist dies aber ein Bette Davis-Film. »Nur Augen und Talent«, beschreibt Rains sie in seiner ersten Szene, und wie zutreffend! Ihre letzte Großaufnahme ist geradezu atemberaubend. Wenn sie in Pelz und Abendkleid die Waffe zückt, dann ist das ein großer Moment des Hollywood-Melodrams, das niemand so gut beherrschte wie diese einzigartige Schauspielerin.