Kalla Malla
Der Reporter Johnny Barett (Peter Breck) lässt sich mit Hilfe seiner Freundin, der Stripperin Cathy (Constance Towers), in eine Irrenanstalt einweisen, um einem Mörder auf die Spur zu kommen und so den Purlitzer-Preis zu gewinnen. Es gelingt ihm, die Ärzte zu täuschen und sich den anderen Patienten anzunähern - drei davon waren Zeuge, wie ein weiterer Patient namens Sloan erstochen wurde. Einer hält sich für einen Offizier im Bürgerkrieg, der andere ist ein Farbiger, der überzeugt ist, ein weißer Rassist zu sein, und der letzte schließlich ein hoch angesehener Wissenschaftler, der in infantile Spiele geflüchtet ist. Doch während er sich immer näher an die Lösung des Falls tastet, begleitet von Pagliacci (Larry Tucker), einem 300-Pfund Verrückten mit Operstarqualitäten, setzt ihm die Belastung mehr und mehr zu. Barett beginnt die Lügengeschichte zu glauben, die er den Ärzten erzählt hat, leidet an Halluzinationen und wird einer Schocktherapie unterzogen. Als er schließlich die Wahrheit erfährt, zahlt er einen schrecklichen Preis...
Was wie eine Satire klingt ist eine bitterböse Abrechnung mit den amerikanischen Befindlichkeiten der späten 50er/frühen 60er. Rassismus (einer der Insassen hält sich für den Anführer des Ku-Klux-Klans), der Kalte Krieg, Inzest, Missbrauch und Gewalt werden von Fuller gnadenlos an den Pranger gestellt. Dies schafft er nicht etwa durch den erhobenen Zeigefinger, sondern durch die dramatische Kraft seiner Inszenierung und sein brillantes Buch (Fuller schrieb, produzierte und führte Regie). Die Darsteller spielen beängstigend gut, insbesondere Hauptdarsteller Breck und Constance Towers, mit der Fuller später seinen vielleicht besten Film »Der nackte Kuss« drehte.
»Shock Corridor« ist natürlich kein Horror-Film der einschlägigen Machart, und es hat Samuel Fuller mit diesem Film nichts ferner gelegen, als einen Beitrag zum phantastischen Genre zu liefern. Es handelt sich bei diesem Streifen vielmehr um eine Parabel auf das Leben im modernen Amerika dieser Zeit und die drei großen Traumata, mit denen die amerikanische Nation fertig werden mußte: die Bigotterie der (hauptsächlich im Süden beheimateten) Spießer, den Rassenhaß, und die Folgen der ersten Atombombenabwürfe.
Dennoch weist »Shock Corridor«, der in der BRD lediglich in untertitelter Originalfassung lief, schockierende Momente auf, die aus den immer intensiver werdenden Halluzinationen des allmählich marode werdenden Bewußtseins Johnnys bestehen. Der entscheidende Augenblick, in dem seine persönliche Alptraumwelt sich mit der des Asyls vermischt, kommt in einer treffenden Sequenz zum Ausdruck, in der ein heftiger Sturm den Korridor des Krankenhauses zu durchrasen scheint; jetzt ist der verzweifelte Johnny plötzlich allein und verlassen darin, regendurchtränkt und dem Blitz ausgesetzt. Fullers Still ist hier expressionistisch mit harten Licht- und Tonkontrasten. Der quälend intensive Alptraum, dessen schockierende Gewalt jedoch weitgehend im Bereich des Psychischen angesiedelt ist, wird zu einer sehr skeptischen, bitteren Vision der gesellschaftlichen Zerstörung Amerikas.
Regisseur Samuel Fuller war einer der großen meist unverstandenen Außenseiter in Hollywood. Seine Filme sind zynisch, bedrückend, wütend und richten sich oft gegen das Hollywood-Establishment als auch gegen Ungerechtigkeiten und Doppelmoral der Gesellschaft. »Shock Corridor« ist eines seiner radikalsten Werke.
Fazit: »Shock Corridor« ist nichts für schwache Gemüter. Er ist radikal, verstörend und faszinierend in seinen surrealen Momenten (ein Regensturm auf dem Psychiatrie-Flur). Sehr empfohlen für alle, die ein anderes Hollywood sehen wollen, das mehr als nur Unterhaltung bietet. Ein Film, den es so kein zweites Mal gibt.