Kalla Malla
Der etwa 20 jährige Martin (John Amplas) ist mit dem Zug unterwegs zu seinem Onkel Cuda (Lincoln Maazel), der in Pittsburgh lebt. Um sich die lange Zugfahrt zu vertreiben, dringt Martin, mit einer Spritze und einer Rasierklinge ausgestattet, in die Schlafkabine einer Frau ein, betäubt diese und öffnet anschließend ihre Pulsadern, um ihr Blut zu trinken. Dieser Lebenssaft, so glaubt er, hält ihn am Leben. Nach außen hin ist er ein sehr ruhiger und unscheinbarer junger Mann, ein Außenseiter, der nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun könnte. Ab und an gewinnt allerdings die Bestie in ihm die Oberhand und er glaubt, ein 80 Jahre alter Vampir zu sein, auch wenn Knoblauch bei ihm keinen Schaden anrichtet und er im Tageslicht problemlos existieren kann.
Sein Onkel Cuda hält Martin ebenfalls für einen Vampir und versucht, ihn zu bekämpfen. Dies stürzt den jungen Mann in immer tiefere seelische Probleme. Nur seine Cousine Christina (Christine Forrest) hält zu ihm, schafft es aber nicht, zu dem verstörten jungen Mann durchzudringen. Durch den Wahn seines Onkels zweifelt auch Martin nach einiger Zeit nicht mehr daran, ein Vampir zu sein und tötet immer mehr Menschen..
Viele Regisseure haben das Horrorgenre wegweisend geprägt, einer der wichtigsten Namen ist diesbezüglich George A. Romero. Dessen 1968 gedrehter "Nacht der lebenden Toten" gilt als moderner Urvater aller Zombiefilme und wird von seinem Nachfolger "Dawn of the Dead", der in Doofland noch immer beschlagnahmt ist, sogar noch in den Schatten gestellt. Es gibt wohl keinen, der noch nie von "Dawn of the Dead" gehört hat, spätestens seit dem gleichnamigen, von Zack Snyder gedrehten Remake kann auch die sogenannte MTV Generation etwas mit dem Film anfangen. Bei den Fans auch einer großen Beliebtheit erfreuen sich die Teile drei und vier der Dead Reihe, nämlich "Day of the Dead" und "Land of the Dead". Diese Reihe verhalf George A. Romero zu enorm viel Ruhm, was jedoch kaum einer zu wissen scheint, ist dass der Gute neben dieser Reihe noch andere Filme gedreht hat. "Martin" wird von dem heute 66 jährigen Regisseur oftmals als sein persönlichstes und bestes Werk bezeichnet, was auch mich dazu veranlasste, mal einen genaueren Blick darauf zu werfen.
Ich halte viel von Romero und schätze seine Dead Reihe sehr, doch "Martin" blieb leider weit, sehr weit hinter meinen Erwartungen zurück. Dass ich keinen zweiten "Dawn of the Dead" erwarten kann war mir im Voraus sehr wohl bewusst, so dürfte das Problem also nicht die Tatsache sein, dass ich mit falschen Erwartungen an "Martin" herangegangen bin. Wenn man die beiden Streifen, von mir aus auch die restlichen Dead Filme, aber mal ganz objektiv miteinander vergleicht, könnte sich einem sogar die Frage stellen, ob hier überhaupt der selbe Regisseur zugange war? Romero hat mit "Martin" mehr ein Drama, als einen Horrorfilm inszeniert, was jedoch von ihm so beabsichtigt war und demzufolge kein Grund zur Beschwerde sein kann.
Auch, dass versucht wurde, den alten Vampirgeschichten einen neuen Touch zu verleihen, darf als durchaus lobenswerter Grundgedanke bezeichnet werden. Hier sehen wir nämlich keinen Vampir im eigentlichen Sinne, sondern einen jungen Mann, der so sehr unter seiner Umwelt, insbesondere seinem Onkel, zu leiden hat, dass er schon bald keine Zweifel mehr daran hat, tatsächlich ein Vampir zu sein. Dem Vampirfilmfan muss allerdings klar sein, was dies bedeutet. "Martin" konzentriert sich nicht darauf, scharfe Eckzähne zu zeigen und eine unheimliche Stimmung aufzubauen, nein, hier konzentriert sich alles voll und ganz auf Martin und dessen innerem Konflikt.
Was wir hier gleichzeitig auch haben, ist die typische Außenseitergeschichte. Dies bringt die obligatorischen Drehungen und Wendungen dieser Thematik mit sich, so gibt es Momente, in denen Martin glaubt, einen neuen Freund gefunden zu haben, bis seine Gier nach Blut ihn dann wieder überfällt und er töten muss. Ein großes Problem des ganzen ist dabei die leider viel zu langsame und schwerfällige Inszenierung. Höhepunkte oder dergleichen gibt es hier nicht, man hat eher das Gefühl, ein langsam vor sich herplätscherndes Drama zu sehen.
Andererseits würde man "Martin" allerdings auch unrecht tun, würde man ihn schlicht als langweilig abstempeln, denn dies ist er nicht. Wir haben es hier einfach mit einem Film zu tun, der nur für Leute geeignet ist, die wissen, was auf sie zukommt und die bereit sind, sich mal auf eine andere Art und Weise mit der Vampirthematik zu befassen. Der Horrorfan wird deshalb höchstwahrscheinlich enttäuscht werden, denn trotz einigen, von Tom Savini fabelhaft inszenierten, blutigen Szenen ist "Martin" mehr anspruchsvolles Drama als Horror.
Fazit: "Martin" kann ich jedem uneingeschränkt empfehlen, der weiß, dass er es hier in keinster Weise mit einem üblichen Vampirhorrorfilm, sondern mit einem ruhigen Außenseiterdrama zu tun hat, welches sich auf seine ganz eigene, verstörende Art und Weise dem Thema nähert. Blut gibt es dabei zwar auch zu sehen, doch das steht im Hintergrund, es ging George A. Romero mehr darum, den Konflikt eines jungen Menschen zu zeigen, der glaubt, ein Vampir zu sein. Als anspruchsvolle Abendunterhaltung ist "Martin" nicht schlecht, meinen Geschmack hat er aber nicht ganz getroffen