Kalla Malla
»Noises Off - der nackte Wahnsinn«, nach dem gleichnamigen Erfolgsstück, ist eine Parodie auf Boulevard-Komödien und ihre Darsteller. Regisseur Bogdanovich hat hier ein hervorragendes Ensemble aus theater-erfahrenen Schauspielern auf die Beine gestellt, die mit Lust und Spielfreude am Werk sind.
»Noises Off« wird in drei Akten erzählt:
Im ersten sehen wir die Theatergruppe bei ihrer Generalprobe, völlig übermüdet, aber nur wenige Stunden vor der Premiere. Wir lernen das Stück selbst kennen, bekommen die Schwierigkeiten der Abläufe vermittelt - vor allem ein Teller mit Sardinen, der in steter Abfolge herein- und herausgetragen werden muß, stellt einen schweren Stolperstein dar - und bekommen nebenher die Eigenheiten der Figuren präsentiert, die natürlich allesamt plakative Abziehfiguren darstellen: Der unsichere Schauspieler, der selbst beim Heraustragen einer Einkaufstüte nach seiner Motivation fragt; die schlichte Blondine, die die meiste Zeit in ihrer Unterwäsche spielen muß und andauernd ihre Kontaktlinsen verliert; der schwerhörige, senile alte Schauspielveteran, der gerne zuviel über den Durst trinkt; der frustrierte Regisseur, der seine Darsteller mit beißendem Sarkasmus überschüttet. Die Zeichnung der Charaktere ist recht und billig: Die Farce begegnet der Farce.
Im zweiten Akt befinden wir uns während einer Aufführung hinter der Bühne. In die Schauspieltruppe haben sich Eifersüchteleien und Streitigkeiten geschlichen, weshalb die Darsteller beständig damit beschäftigt sind, das Chaos so weit im Zaum zu halten, daß das Stück - das aus unserer jetzigen Perspektive nur im Off zu hören ist - mit all seinen Abläufen weiterlaufen kann. Da binden sich die Schauspieler gegenseitig die Schnürsenkel zusammen, verstecken Requisiten, nutzen ihre fünf Sekunden, die sie nicht auf der Bühne stehen, um jemand anderem kurz eins auszuwischen, bevor sie wieder raus müssen. Der alte Schauspieler ist beständig hinter einer Flasche Whiskey her, den die Kollegen vor ihm verstecken müssen; diverse Blumensträuße sorgen prompt jedesmal für ein Mißverständnis und steigern wiederum die Eifersucht - die Komplexität der Albernheiten im Stück wurde schon längst von denen im Backstage-Bereich überholt.
Der dritte Akt spielt dann konsequenterweise wieder vor der Bühne, bei einer Aufführung nach diversen Monaten des Streits: Das Stück zerfällt völlig in seine Bestandteile, weil die Abläufe schon völlig ruiniert wurden.
Besonders im 2. Akt, wenn die Kamera hinter der Bühne bei laufender Vorstellung bleibt und die Darsteller alle stumm agieren müssen, zeigt sich ihre Meisterschaft, zumal die Interaktionen von Bogdanovich genial choreografiert sind (allein der »Kampf« um die Whiskyflasche, die hektisch durch alle Hände, über Treppen und Dekorationen wandert, und schließlich doch dort landet, wo sie gar nicht hingehört, ist brillant). Besonders schön ist das Wiedersehen mit dem viel zu früh verstorbenen John Ritter, der hier sein einzigartiges Talent zur Physical Comedy unter Beweis stellt - ihm zur Seite eine sexy Blondine, die wohl nicht zufällig an die junge Suzanne Somers erinnert, mit der Ritter in der 70er-Sitcom »Three's Company - Herzbube mit zwei Damen« seine größten Erfolge feierte.
»Noises Off« gefällt vor allem durch den cleveren Aufbau der Geschichte: Da der Film komplett auf und hinter einer Theaterbühne spielt, bauen die Akte aufeinander auf und entfalten ihre Komik durch die Antizipation des Zuschauers. Wird im ersten Akt noch das (für sich schon amüsante) Theaterstück selbst vorgestellt, erlebt das Publikum im zweiten Akt die brüllend komischen Pannen hinter der Bühne, was im finalen Drittel letztlich völlig auf die Spitze getrieben wird. Zwar läuft der Schluss etwas aus dem Ruder und wirkt nicht immer pointiert, davor bietet »Noises Off« jedoch eine enorme Fülle von Gags, die perfekt getimt stakkatoartig auf das Publikum niederprasseln und stetig ins Ziel treffen, dabei Dialogkomik, Wortwitz, Slapstick- und Screwballelemente zu einem insgesamt absolut famosen Film vereinen, der von Anfang bis Ende äußerst komisch ist.
Fazit: Wer sich ein bisschen hinter den Kulissen von Theaterproduktionen auskennt, für den ist »Noises Off« ohnehin ein ganz besonderer Genuss, denn er präsentiert so ziemlich alle typischen Schauspieler-Neurosen und Manirismen.