Kalla Malla
Die Geschichte einer Sommerliebe und dem traurigen danach. Mathieu (Jérémie Elkaim) und Cédrik (Stéphane Rideau) lernen sich am Strand kennen. Mathieu ist im Urlaub, Cédric lebt hier und arbeitet an einem Waffelstand. Kennenlernen, erster Sex und kleine Probleme folgen, aber auch die große Liebe. Mathieu beschließt, nicht nach Paris zurückzukehren, um zu studieren, sondern mit Cédric nach Nantes zu gehen und zu arbeiten. Sprung zur Gegenwart. Mathieu hat einen Selbstmordversuch hinter sich und ist in ärztlicher Behandlung, kehrt depressiv und einsam in das Ferienhaus seiner Eltern zurück. Jetzt ist Winter, und alles ist anders.
»Sommer wie Winter« erzählt die Geschichte dieser Beziehung auf beiden Zeitebenen parallel. Die Unbeschwertheit und Fröhlichkeit des Sommers lössen sich mit kalten Winterbildern und großer Traurigkeit und Leere ab. Formal ist der Film von Sébastian Lifshitz außergewöhnlich gelungen, in betörenden Bildern gefilmt und mit einem wundervollen melancholischen Soundtrack aus Songs von Perry Blake untermalt.
Inhaltlich bleiben einige Fragezeichen und auch dramaturgische Schwächen. Die Dialoge schwanken zwischen banal (Mathieu mit seiner Familie, die über Thunfisch, versalzenes Essen und Salat reden) und künstlich, man erfährt nie, was genau zwischen den Zeitsprüngen eigentlich passiert ist, woran die Beziehung scheiterte, was das Problem war. Von Untreue ist kurz die Rede, Cédric versucht eine Kontaktaufnahme, die Mathieu ablehnt, stattdessen wendet sich der einsame Mathieu an den Ex-Freund von Cédric, mit dem sich am Ende eine vielleicht neue Ebene anbahnt, aber auch diese bleibt unausgesprochen.
Nicht, dass man mich falsch versteht, ich brauche keine wortreichen Erklärungen, um das Geschehen zu verstehen, aber ich brauche zumindest Ansätze, um der Erzählung zu folgen. So bleibe ich zu oft außen vor und kann nur zuschauen, nicht mitempfinden. Außerdem wird das Problematisieren der Homosexualität (ganz besonders die Info, dass Cédric als Stricher gearbeitet hat) zu oft zum Klischee.
Dennoch - die Schicksale der beiden männlichen Protagonisten sind gut gespielt und berühren. Was der Film außerdem zu bieten hat ist eine Art von Unverklemmtheit, die nur französische Filme hinkriegen, und die man nie in einer US-Produktion finden würde. Wenn man akzeptiert, dass schwule Filme immer einen gewissen Voyeurismus bedienen (und seien wir ehrlich, wenn sie das nicht tun, sind wir auch enttäuscht), ist dieser einfach wahnsinnig sexy und inspiriert. Das liegt natürlich auch an Stephane Rideau, der allen Filmen, in denen er mitspielt, einen ganz eigenen erotischen Reiz verleiht. Und Jérémie Elkaim hat in der Winterepisoden das schönste traurige Gesicht, das man sich vorstellen kann.
Das mag nicht unbedingt für ein zufriedenstellendes Filmerlebnis reichen, das über die 90 Minuten hinausgeht, aber es ist gute, sensible Unterhaltung mit einem gehörigen Schuss Prickeln, und der Film profitiert von mehrmaligem Sehen.
Der Film richtet sich vor allem an eine schwule Zielgruppe, der das Thema des Films in allen seinen Facetten nicht unbekannt ist. Immer wieder wird sich der eine oder andere in den Erlebnissen von Cédric und Mathieu oder dessen Familie wiederfinden. Anstatt jedoch auch Cédrics Gefühlswelt zu beschreiben, erwarten den Zuschauer einige mehr oder weniger ansprechenden Erotik-Szenen.
Fazit: Einen recht ansehnlichen Knaben vor die Linse bzw. hinter die eigene Kamera zu plazieren, mag hübsch und anmutend ergänzen, einen ganzen Film stemmt es leider nicht. Die Filmemacher meinten: »Wir wollten einen Film mit der Digi-Kamera drehen und hatten die Geschichte eines Jungen, der seine Homosexualität entdeckt, im Kopf. Dann kam uns die grandiose Idee, beides zu verknüpfen.« - Ja, und? - So ist leider nur zu verlauten, daß die ohnehin recht karge Idee eines filmischen Duetts - im formalen wie erzählerischen Sinne - zum zähflüssigen Gegenstück zu Spannung und Subtilität geworden ist.