Kalla Malla
Etienne (Jimmy Tavares) lebt mit seiner Mutter Caroline in Rouen, der Hauptstadt der Haute-Normandie. Zu seinem 16. Geburtstag schenkt ihm seine Großmutter eine Videokamera. Etienne beginnt seinen Alltag zu filmen: sein Zuhause, seinen besten Freund Ludovic, der die selbe Schule besucht, und die Eisbahn, wo er für die französische Meisterschaft im Eiskunstlauf trainiert. Besonders interessiert er sich für Ludovics Hetero-Sexeskapaden sowie für Laurent, seinen Geografielehrer, dem er mit der Kamera nachstellt. Im Grunde dreht Etienne weder einen Film noch ein Tagebuch, er sammelt vielmehr Momente seines Lebens, die er entweder im richtigen Augenblick erhascht oder mit viel Spass inszeniert. Oft dreht er selbst, manchmal bittet er auch seine leicht genervte Familie um Mithilfe. Seine Bilder zeigen, was er mag, was ihn beschäftigt, zum Lachen bringt und was er als bewahrenswert erachtet.
Warum? - Das ist die Frage, die einem beim Ansehen des Films auf den Nägeln brennt. Wer sieht sich schon gern freiwillig die amateurhaften »Home Movies« eines Bekannten an, der Passanten, Mutti und sich selbst filmt - selbst wenn er toll ausssieht?
Ach ja...»Mein wahres Leben in der Provinz« ist leider das beste Beispiel dafür, warum das Subgenre des schwulen Films so öde und uninteressant ist (abgesehen von rühmlichen Ausnahmen). Unser jugendlicher Held zieht mit seiner Videokamera durchs Leben und filmt alles, was ihm in die Quere kommt. Dieses Puzzle gibt dann einen Einblick in sein Leben wieder. Das kann man wahnsinnig spannend finden - oder total einschläfernd. Denn leider hat der Film neben diesem Ansatz keinen Gedanken, kein Thema, keinen Subtext, keine Ideen und keine Dramaturgie.
Er gibt sich den Stempel »Quasi-Dokumentarfilm«, vergisst dabei aber, dass gute Dokumentarfilme auch ein Ziel und eine Spannungsdramaturgie haben sollten, sonst verliert der Zuschauer schnell das Interesse. Die »Pannen« (Kamera fällt herunter, kein Licht, etc.) sollen so etwas wie ironische Brechungen sein, sind aber ebenso uninspiriert wie beliebig (zumal sie auf der Hand liegen). Und nach Betrachten des Covers sollte man bloß nicht annehmen, der Film sei womöglich sexy - er ist praktisch aseptisch.
Wer also drauf steht, zuzusehen, wie Mutti sich schminkt, Oma Blumen aufs Grab legt oder unser Held sich 64mal beim Eiskunstlauftraining filmt, dem sei diese Video-Beaobchtung ans Herz gelegt. Wer nach Witz, einer Geschichte oder einem intelligenten Gedanken sucht, der sollte eher einen Bogen um den Film machen und zu einem der angeblich wenigen gelungenen schwulen Filme greifen (etwa »Beautiful Thing«, oder »Maurice«).