Kalla Malla
Bei ihrem ersten gemeinsamen Date werden die attraktive Aki und ihr Arbeitskollege Kazuo auf offener Straße von einem Unbekannten mit einem Hammer niedergeschlagen und anschließend verschleppt. Als die beiden wieder zu sich kommen, finden sie sich gefesselt und geknebelt in einem verdunkelten Kellerraum wieder. Ihr Entführer macht ihnen daraufhin unvermittelt klar, dass ihnen nun eine Zeit der Qualen bevorstehen wird und sie dieses Martyrium nur überstehen können, wenn sie ihn mit ihrem Überlebenswillen erregen. Unter dem Einsatz diverser Folterwerkzeuge und bedacht auf das größtmögliche Schmerzempfinden unterzieht der Psychopath seine beiden Opfer daraufhin grausamster physischer und psychischer Torturen...
Die Gewaltdarstellung in Horrorfilmen erlebte in den letzten Jahren einen wahrlichen Höhenflug. Mit kommerziell erfolgreichen Hits wie Hostel und Saw in der Hinterhand, fühlten sich plötzlich immer mehr Filmemacher dazu berufen, ihre eigene Vision des derzeitig noch immer im Trend liegenden Torture-Porns auf Zelluloid zu bannen. Als sich dann schließlich die Franzosen der Sache annahmen und mit Werken wie High Tension, Inside oder Martyrs immer noch unglaublichere Gewaltspitzen auf die abgehärtete Fanfraktion losließen, war für viele schnell klar, welche Nation sich von nun an als das wohl kompromissloseste Horror-Exportland rühmen durfte. Dies konnten die Japaner aber nun offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen, weshalb vor gut einem Jahr mit Grotesque ein Film angekündigt wurde, der alles zuvor Dagewesene in den Schatten stellen sollte. Ein reinrassiger CAT-III Sicko sollte es werden, was da in höchsten Tönen schon lange im Voraus beworben wurde. Ein Film, gegen den ein Hostel wie ein lustiger Kindergeburtstag wirkt und der sogar einen Vergleich mit der ebenso legendären wie verrufenen Guinea Pig-Reihe nicht zu scheuen braucht. In nicht seltenen Fällen sind derartige Hypes in letzter Zeit kurz nach Erscheinen der jeweiligen Filme wieder im Nichts verpufft, doch Grotesque hielt der allgemeinen Erwartungshaltung stand, indem ihm kurz nach seinem Erscheinen in England bereits ein Verbot auferlegt wurde. Inzwischen gehen die Meinungen zum qualitativen Gehalt des Films zwar stark auseinander, doch in einem Punkt sind sich im Grunde alle einige: Grotesque ist ultrabrutales und sadistisches Folterkino, dem sich wohl nur sehr gefestigte Mägen annehmen sollten.
Der Film ist im Grunde nichts anderes als ein 73 minütige Aneinanderreihung körperlicher und psychischer Schmerzen, ein sich selbst stets noch übertreffender Gewaltexzess. Regie führte mit Kôji Shiraishi hierbei ausgerechnet ein Mann, der mit Filmen wie Noroi: The Curse oder Carved: The Slit Mouthed Woman bislang eher durch subtilen Horror von sich reden machte. Dennoch versteht Shiraishi das Handwerk des Torture-Porns vollauf, was schon damit beginnt, dass Grotesque mit keinerlei tiefgründigeren Handlung daherkommt. Bereits in der Anfangsminute werden Aki und Kazuo von einem perversen Psychopathen auf offener Straße niedergeschlagen und in dessen Keller verschleppt. Was daraufhin folgt, erinnert nicht nur ansatzweise an den früher sogar als Snuff-Film verrufenen Flowers of Flesh & Blood, sondern kann diesem bisweilen sogar starke Konkurrenz machen. Grotesque steigt sogleich voll in die eigentliche Folter ein und hält sich zu Beginn keineswegs mit derlei Banalitäten wie Handlung, Charaktere oder den Beweggründen des Entführers auf. Erst später werden dem Publikum in Form von Flashbacks oder kurzen Pausen die Charaktere etwas nähergebracht, doch zu diesem Zeitpunkt ist man bereits durch ein solches Meer an Perversitäten gewatet, dass sich Zartbesaitete längst verabschiedet haben dürften.
Was dabei selbst so manchem Gorehound sauer aufstoßen dürfte ist die Tatsache, dass Grotesque weniger auf minutenlange, graphische Blutbäder, als vielmehr auf die psychische Komponente setzt. Das junge Liebespaar wird dabei in jedweder Form erniedrigt und zu bloßen Objekten der abartigen Gelüsten des Entführers degradiert. Mal missbraucht der Psychopath eines seiner Opfer und zwingt den jeweils anderen dazu, dem kranken Spiel zuzusehen, während er Kazuo ein anderes Mal das Angebot macht, sich grausamst zu Tode foltern zu lassen, um so das Leben von Aki zu retten. Wenn es dann ans Eingemachte geht, dann scheint die perverse Fantasie der Macher keine Grenzen zu kennen. Da kommen Kettensägen mit Fingern in Berührung, werden Augen mit spitzen Gegenständen behandelt und sogar Nägel in Nahaufnahme durch die Hoden des männlichen Opfers getrieben, was bei so manchem Zuschauer sicherlich für akkuten Phantomschmerz sorgen dürfte. Alles ist inszenatorisch dabei auf hohem Niveau gehalten und bis auf eine deplatzierte Szene gegen Ende gibt es an dem Gore aus technischer Hinsicht auch nichts auszusetzen. Im Finale büßt Grotesque allerdings all seine zuvor aufgebaute, grimmige Ernsthaftigkeit ein, wenn plötzlich nicht nur offensichtliches CGI-Blut zum Einsatz kommt, sondern das Geschehen auch mit einem äußerst bizarren und in dieser Form wohl nur im japanischen Film auftretenden Twist aufwartet.
Rein objektiv überwiegen die negativen Aspekte den positiven natürlich haushoch und das sicherlich nicht nur, weil Grotesque als beinahe inhaltsleerer Marathon aus Folter und Sadismus daherkommt. So scheitern die Versuche, ernsthafte Dialoge in das Geschehen einzubringen beispielsweise stets kläglich und es wurde weiterhin absolut versäumt, dem Täter ein glaubwürdiges Profil zu verpassen. Dieser persifliert sich mit der völlig überspitzten Erregung, mit der er an dem Leid seiner Opfer teilnimmt irgendwann nur noch selbst und kostet den Film somit auch einige Punkte in Sachen Atmosphäre. Die extreme Gewalt verfehlt ihren Zweck zwar zu keinem Zeitpunkt, doch das Mitleid mit den Charakteren hält sich dafür sehr in Grenzen. Anfangs ist es noch bestürzend mit anzusehen, wie der Psychopath den weinenden Kazuo masturbiert, doch irgendwann verliert Grotesque diese realitätsbezogene, bedrückende Stimmung und bewegt sich auf ein immer abwegigeres Finale hinzu, in dem man sich dann endgültig an einen belanglosen Splatterfilm mit Folter-Einschlag erinnert fühlt. Trotz all seiner offensichtlichen Differenzen ist Grotesque insgesamt dennoch überraschend kurzweilig geraten und erscheint innerhalb seiner 73 Minuten dank einiger Wendungen auch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft langatmig. Die Schauspieler machen ihre Sache derweil ganz akzeptabel, gerade Tsugumi Nagasawa und Hiroaki Kawatsure verkörpern das Liebespaar insbesondere in den stillen Momenten durchaus glaubhaft, während Shigeo Ôsako als durchgeknallter Sadist bisweilen etwas überladen agiert und im Laufe der Handlung dadurch immer mehr seiner Boshaftigkeit einbüßt.
Was gibt es zu Gorutesku bzw. Grotesque also insgesamt zu sagen? Im Grunde ist der Film genau der perverse und nihilistische Gewaltporno, als der er im Voraus bereits angekündigt wurde. Exzessiver Gore und kranke Foltermethoden in Verbindung mit einem kurzweiligen Inszenierungsstil werden Freunde derartiger Sickos durchaus zufriedenstellen, wenn Grotesque in punkto verstörender Atmosphäre auch zu keinem Zeitpunkt an die wirklichen Klassiker des Genres heranreicht. Zu platt wirken die Charaktere, zu selbstironisch der finale Twist, als dass der Film einen bleibenden Eindruck hinterlassen könnte. Damit soll das Werk im Gesamten allerdings keinesfalls verharmlost werden, denn letztendlich ist Grotesque dennoch extremstes Folterkino, das den Bogen des Erträglichen für die meisten überspannen dürfte und gegen den ein Hostel im direkten Vergleich tatsächlich ins Nachmittagsprogramm verfrachtet werden könnte.