Joerg Melzer
Nach all den Jahren enttäuschender Comic-Verfilmungen ist der Stand der Technik heute endlich so weit, daß man all die berauschenden Bilder auch auf Film bannen können und dem perfekten Comicfilm ist Bryan Singer mit diesem Film ein Stück näher gekommen.
Schön, er hatte mit ein paar Veränderungen zu kämpfen, stampfte das gelbe Latex gegen wesentlich düstere Klamotten ein und sah sich mit dem Problem konfrontiert, gleich einen ganzen Haufen Charaktere einzuführen, die noch nicht jedem ein Begriff waren und Nicht-Comicfans schon überhaupt nicht (wogegen jeder ungefähr wüßte, wer Superman ist).
Aber gerade die Vielfalt garantiert auch auch die Abwechslung und das macht alles knackebunt.
Man muß sich nur einlassen auf die vielen Mutanten, die uns hier vor der Nase rumschweben und die dann doch, natürlich, überwiegend menschlich mit Stärken und Schwächen sind. Von der Telepathin über den blitzeverschießenden Cyclops bis zu der lebensenergieabsaugenden Rogue sind allerlei Schicksale versammelt.
Und obwohl bunt, macht Singer die Düsternis salonfähig.
Selbstverständlich wird der mysteriöse Einzelkämpfer Wolverine mit seinen Stahlklauen zum kreativen Coolness-Egocenter, während Rogue und ihre Schwärmerei rasende Teenagerängste ausleben darf. Patrick Stewart befeuert das mit väterlicher Weisheit, ein Eifersuchtsdrämchen um Jane Grey ist mit dabei, diverse düstere Vergangenheiten und mit Magneto liefert Ian McKellen einen wohlerzogenen Bösewicht der distinguierten Art ab, dem hier fast niemand das Wasser reichen kann.
Wesentlicher Kernpunkt ist die Auseinandersetzung mit dem „Anders“-Sein, wenn die Mutanten durch die verängstigte Restmenschheit immer wieder in Gefahr gerät, ein Plädoyer für Minderheiten.
Was der Film aber nicht verhindern kann, ist das Gefühl, einer einzigen Einführung beizuwohnen, denn obwohl es einen düsteren Plan und einen bewegten Showdown an der Freiheitsstatue gibt, wirkt das alles stark konstruiert und nicht ausreichend überzogen, um mitzureißen, sondern mehr wie eine einreduzierte Sparversion, in der die Charaktere um Himmels Willen nicht in den FX ersäuft werden dürfen.
Jeder Mutant hat somit seine Szene, kommt aber gleichzeitig irgendwie zu kurz und selbst Wolverine, der am meisten abfegt, wünschen wir einfach mehr Spielzeit.
Allerdings wurde das Spektakel auch kurz vor der Premiere noch ordentlich gekürzt, so daß kurz und kurzweilig hier Hand in Hand gehen, 110 Minuten sind es aber immer noch.
Insgesamt ein durch und durch gelungenes Debut für die Mutanten, das aber nur Blaupause für spätere Abenteuer sein wird, so aber ihr Pulver wenigstens nicht im ersten Durchlauf verschießt. Auch mal schön
