Kalla Malla
Der Vietnamkrieg hat seine Spuren auf David Flannigan (Ed Harris) hinterlassen und ihn fürs Leben gezeichnet. Um die grausamen Erinnerungen zu verdrängen, hat sich David dem Alkohol zugewandt und ist jetzt zu nichts mehr zu gebrauchen. Die einzige Stütze in seinem Leben ist David's aufopfernde Schwester Martha (Kathy Baker), die bei ihrem Bruder eingezogen ist, um ein Auge auf ihn zu haben und sich um ihn zu kümmern.
Eines Tages taucht überraschend David's alter Freund aus Kriegszeiten, Joseph "Jacknife" Megessey (Robert De Niro) auf, um ein in Vietnam abgegebenes Versprechen zu erfüllen: Die Männer haben sich einst geschworen, nach Kriegsende zu Beginn der Angelsesion zusammen fischen zu gehen. Mit dem redseeligen Joseph, der sein Leben mittlerweile wieder gut im Griff hat, kehren jedoch auch die Erinnerungen an die Grauen des Krieges zurück. Als dann 'Megs' und Martha Gefühle füreinander entwickeln, spitzt sich die Situation dramatisch zu..
"Jacknife" war nicht der erste Film mit Robert De Niro, der die Vietnam-Thematik aufgriff. Bereits die Klassiker "Taxi Driver" und "Die durch die Hölle gehen" zeigten einen De Niro, der mit den Folgen des Krieges zu kämpfen hatte. David Hugh Jones' "Jacknife" konnte allerdings nie auch nur ansatzweise die Popularität der beiden eben genannten Filme für sich verbuchen und gehört außerdem zu den eher weniger beachteten Filmen des unglaublich talentierten und vielseitigen Schauspielers Robert De Niro. Sicherlich hat der Streifen nicht die Größe anderer Meisterwerke, für die De Niro vor der Kamera stand, doch mehr Aufmerksamkeit hätte er durchaus verdient. Jones schuf hiermit zwar kein unvergessliches Werk für die Ewigkeit, aber zumindest gelang ihm ein feinfühliges Drama, welches weitaus mehr zu denken anregt als es so manch überteuerter Kriegsstreifen jemals in der Lage wäre.
Auch wenn beispielsweise die deutsche VHS mit einem De Diro in Kriegskleidung wirbt und somit beinahe einen actionreichen Kriegsfilm suggeriert, müssen sich all jene, die hier Unterhaltung im Sinne von "Black Hawk Down" erwarten, eines besseren belehren lassen. Die Schlachten sind in "Jacknife" geschlagen, der Vietnamkrieg ist seit Jahren vorbei. Was jedoch zurückgeblieben ist, sind zerrüttete Existenzen, die das, was sie damals erlebten, zum Teil nie wieder verarbeiten können. Und genau da setzt der Film dann auch an. Bei der Einführung zweier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Beide waren sie als Freunde im Krieg, beide wurden sie auf ihre Art mit dem Erlebten fertig. Joseph 'Jacknife´s Wundermittel zur Verdrängung heißt Offenheit: Megs, wie er auch genannt wird, ist ein überaus extrovertierter Mensch, der als erstes durch seine Redseeligkeit auffällt. Auf den ersten Blick wirkt er durch sein verkommenes Äußeres abschreckend, doch nach einiger Zeit bemerkt der Zuschauer genau so wie Martha, dass eine gute Seele hinter dem wilden Erscheinungsbild steckt.
David ist da das genaue Gegenteil. Er wird Tag und Nacht von den Bildern des Krieges verfolgt und kann sich nur durch Alkohol Ablenkung verschaffen. Joseph gibt er sogar die Schuld an dem Tod seines ehemals besten Freundes Bobby, der bei dem Versuch, Joseph zu retten, ums Leben gekommen ist. David ist in sich gekehrt und spielt seinen Mitmenschen völlige Gleichgültigkeit vor, würde aber ohne seine Schwester jämmerlich zu Grunde gehen. Die hauptsächliche Spannung des Films bezieht sich somit auch aus dem Verhalten der drei Charaktere untereinander. Zwar gibt es während des Streifens zwei Rückblenden auf das Kriegsgeschehen zu sehen, doch im großen und ganzen ist "Jacknife" ein actionarmer Film, dessen Stärken sich in anderen Bereichen anlagern. Den psychologisch wundervoll ausgearbeiteten und nachvollziehbar präsentierten Figuren bei ihrem Handeln und Fühlen zuzusehen ist sogar weitaus interessanter, als es viele andere Kriegsfilme mit viel Action sind.
Joseph, David und Martha sind authentisch und menschlich. Zu dem Aspekt der Vergangenheitsbewältigung gesellt sich im späteren Filmverlauf noch eine zarte Romanze zwischen Joseph und Martha hinzu, was aber nicht aufgesetzt wirkt, sondern wunderbar passt. Insbesondere, dass sich zwischen David und Joseph eine Art insgeheimer Konkurrenzkampf um Martha wickelt, wurde ungemein spannend und gefühlvoll eingebaut.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wieso "Jacknife" des öfteren als langweilig bezeichnet wird. Natürlich wird einem hier keine selbstzweckhafte, fragwürdige Kost à la "Missing in Action", sondern tiefergreifende, zwischenmenschliche Gefühle und schwere Schicksale gezeigt. Dennoch ist der Film absolut nicht eintönig oder langweilig. Kamera und Score beweisen ein Feingefühl für Timing und begleiten den Film zwar nicht weiter aufallend, aber immer sehr passend und den jeweiligen Momenten entsprechend. Dadurch, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt und man immer tiefer in die Psyche der Protagonisten geführt wird, ist "Jacknife" überaus interessant zu verfolgen.
Die drei Hauptdarsteller überzeugen allesamt und ergänzen sich außerdem gegenseitig. Robert De Niro in der Rolle des offenen und nicht gerade zurückhaltenden Joseph ist ein Highlight. Von diesem Schauspieler ist man Können und Perfektion gewöhnt und genau das bringt er auch hier wieder an den Mann. Derart positives lässt sich auch über Ed Harris berichten. Er kann mit Leichtigkeit mit De Niro mithalten und spielt souverän den vom Krieg gezeichneten Menschen, mit dem nichts mehr anzufangen ist. Damit verkörpert Harris glechzeitig eine ganze Generation von Veteranen, die nach der Rückkehr in ihr Land zwar als Helden gefeiert wurden, für die sich dann aber niemand mehr interessierte.
Kathy Baker muss sich vor ihren männlichen Kollegen in keinster Weise verstecken sondern überzeugt als einsame Lehrerin, die sich voll und ganz auf ihren Bruder und ihren Beruf fixiert. Als sie dann Joseph kennenlernt, blüht sie wieder auf und gewinnt erstmals neue Energien. Diese Transformation hat Baker in fabelhafter Weise gemeistert.
"Jacknife" ist kein auffälliger, kein actionreicher Film, sondern ein Drama, das von den leisen, zwischenmenschlichen Tönen lebt. Ein packendes, da authentisches Werk über zerrüttete Menschen und ihren Versuch, ins Leben zuückzufinden. Von der schauspielerischen Seite her wurde "Jacknife" überragend mit De Niro, Harris und Baker besetzt und weiß voll und ganz zu überzeugen. Langeweile tut sich während den knapp 110 Minuten Filmgeschehen kein einziges Mal auf. Zum Meisterwerk hat es nicht ganz gereicht, dennoch ist "Jacknife" ein eindringlicher Film, den man mal gesehen haben sollte.