Kalla Malla
	
    Dr. Karen Schumaker ist eine junge und ehrgeizige Psychologin, die sich mit ihren Gutachten von geisteskranken Straftätern bereits einen gewissen Ruf erarbeiten konnte und sich durch ihren nächsten, äußerst vielversprechenden Fall nun den endgültigen Durchbruch erhofft. Auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin handelt es sich bei ihrem neuen Patienten nämlich um niemand geringeres als den berüchtigten Serienkiller Simon Cartwright, der scheinbar willkürlich zahlreiche Morde verübte und nun bereits seit 5 Jahren in der psychiatrischen Anstalt des verschrobenen Dr. Marlowe einsitzt. Während bisherige Sitzungen mit dem hochintelligenten und undurchsichtigen Killer noch keinerlei hinreichende Informationen über dessen mörderische Beweggründe zu Tage brachten, so gelingt es Karen entgegen Dr. Marlowes Skepsis schnell, zu Simon eine gewisse Verbindung herzustellen. In immer obsessiveren Gesprächen erfährt die Psychologin schließlich ebenso faszinierende wie abscheuliche Details aus der Vergangenheit des Psychopathen und dringt so tiefer und tiefer in Simons Gedankenwelt ein. Als Karens anfängliche Zuversicht jedoch langsam Zweifel an der womöglich nur gespielten Aufrichtigkeit des Killers weicht, ist es bereits zu spät. Simon hat die junge Frau längst in ein tödliches Katz- und Mausspiel verwickelt, in dessen Verlauf die Grenzen zwischen (Alb)traum und Realität, Vergangenheit und Gegenwart, Illusion und Wahrnehmung immer mehr verschmelzen...
Jeder konsequente Sympathisant des Horrorgenres kennt jenes Spiel mit dem Feuer, auf das man sich im Grunde immer dann einlässt, wenn man vom Pfad der Mainstream-Unterhaltung abkommt und stattdessen einem eher unbekannten Genrevertreter aus niederen Budget-Regionen den Vortritt lässt. So scheint es nämlich eine Art ungeschriebene Gesetzmäßigkeit zu sein, dass auf jede sehenswerte Independet-Produktion mindestens gleich ein Dutzend Zelluloidverschwender und Rohrkrepierer folgen müssen. Nicht selten erwächst daraus irgendwann eine nur nachvollziehbare Vorsicht gegenüber allem, was auch nur entfernt nach grottigem B-Movie aussehen könnte und einen vor plakativ-aufmerksamkeitsheischenden Covern und Inhaltsangaben schon fast instinktiv zurückweichen lässt. Mit dem Horrorthriller The Ugly kommt nun allerdings der vollkommene Beleg für die Tatsache daher, dass sich der Griff zu eher unbekannten Vertretern des Genres bisweilen doch lohnen kann, denn was dieses abgefahrene Serienkiller-Flick innerhalb 90 hochspannender Minuten an Atmosphäre, Ideenreichtum und ungewöhnlicher Inszenierung auffährt, dürfte selbst dem alteingesessenen Publikum noch ein Staunen entlocken. Um so mehr, da es sich bei dieser 1997 in Neuseeland entstandenen und bis heute leider kaum zu seiner verdienten Beachtung gekommenen Perle um das Spielfilmdebut des vielversprechenden Regisseurs Scott Reynolds handelt, der in den folgenden Jahren mit Heaven und Highway Psychos noch zwei weitere, sehenswerte Werke ablieferte, bevor er im Anschluß leider wieder in der Versenkung verschwand. Mit seinem ersten und zweifellos ambitioniertesten Werk The Ugly hat sich Reynolds jedoch zweifellos ein kleines Denkmal gesetzt, welches letztlich ob seiner ganz eigenen, inszenatorischen Raffinesse nicht einmal den direkten Vergleich mit dem inhaltlich ähnlich gestrickten Klassiker Das Schweigen der Lämmer zu scheuen braucht.
Während viele Filme es ihrem Publikum leicht machen und einem eine direkte Zugänglichkeit ebenso zu Füßen legen wie eine bereits vorgekaute Aussage, so verweigert sich The Ugly dieser gähnend langweiligen Attitüde und präsentiert sich als ebenso komplexer wie vielschichtiger Serienkiller-Mindfuck, der die Grenzen der Realität recht schnell hinter sich lässt und bei vielen Zuschauern nicht mehr als bloßes Unverständnis hinterlassen dürfte. Darin liegt jedoch der Reiz verborgen, denn so trivial die althergebrachte Handlung zunächst auch anmuten mag, so schnell offenbaren sich auch die inszenatorischen Kniffe des auch für das Drehbuch verantwortlichen Regisseurs, der hier ohne Frage das eine oder andere Wagnis eingeht, beim aufgeschlossenen Zuschauer damit aber ohne Frage ins Schwarze treffen dürfte. Trotz einer klaren und stets nachvollziehbaren Erzählstruktur verweigert sich The Ugly konsequent den stereotypen Gesetzmäßigkeiten des Serienkiller-Subgenres, indem es eine stilvolle Inszenierung der spannend erzählten Story gleichsetzt. Sei es hierbei nun der Fakt, dass der in vielerlei Rückblicken überraschend brutal und schonungslos zu Werke gehende Streifen beinahe durchgehend auf schwarzes Blut als Stilmittel setzt, zu jedem Zeitpunkt mit atmosphärischen bis surrealen Kulissen besticht oder viele seiner Charaktere regelrecht bis zum Anschlag überzeichnet - alles wirkt auf bizarre Weise der Norm entrückt und damit auch inszenatorisch dem Hirn eines Geisteskranken entsprungen.
Was zunächst als oberflächliches Interview in einem beengtem Verhörraum beginnt, gewinnt alsbald rasend schnell an neuen Facetten und albtraumhaften Sinneseindrücken, verwebt sich zur unheilvollen Geisterbahnfahrt zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Je weiter Karen nach Simons inneren Dämonen forscht, desto mehr Rückblicke erhalten wir auf seine verkorkste Kindheit, die von einer strengen, unbarmherzigen Mutter und brutalen Mitschülern ebenso zerstört wurde wie von der zerbrochenen Bande einer ersten Liebe. Vor vermehrten Zeitsprüngen scheint The Ugly alsbald das komplexe Psychogramm eines wahnsinnigen Serienkillers zu zeichnen, nur um sein Publikum dann, ebenso wie Karen, immer wieder auf falsche Fährten zu locken. Wir wissen nicht, was wir Simon überhaupt glauben dürfen, der mit seiner intelligenten Artikulation zunächst ebenso für Rätsel sorgt wie mit seinem augenscheinlich normalen Aussehen, welches im direkten Kontrast zum Spitznamen des "Hässlichen" zu stehen scheint; dessen Hintergrund allerdings schnell auf erschreckende Art und Weise visualisiert wird. Die unkonventionelle Inszenierung erlaubt dem Film weiterhin, das grundlegend realistische Sujet eines Serienkillerfilms immer wieder mit übernatürlichen und durchaus unheimlichen Akzenten erweitern zu können, so beispielsweise durch die grauenvoll verunstalteten Geister der Ermordeten, welche Simon immer wieder heimsuchen und die ihn laut eigenen Angaben stets zu weiteren Bluttaten treiben, von denen wir aber ebenfalls bis zuletzt nicht wissen, ob sie lediglich als Vorwand herhalten müssen.
Wendungsreich, zu keinem Zeitpunkt ins Leere laufend und auf technischer Ebene bestechend, unterhält The Ugly bis zu seinem abrupten Finale bestens, nur um dann zum Ende hin einige Fragen unbeantwortet zu lassen, welche einen allerdings noch über den Abspann hinaus über das soeben Gesehene nachdenken lassen werden. Sich der soghaften Wirkung seiner eindrucksvollen Bilder stets bewusst, sorgt Scott Reynolds in seinem Debutwerk für ein durchgehend hohes, anspruchsvolles Niveau, das seine durchaus blutrünstig bebilderten Gewalttaten zudem nie über den Inhalt stellt, weshalb The Ugly trotz einiger schonungslos eingefangener Kehlenschnitte für reine Gorehounds eher uninteressant sein dürfte. Im Vordergrund steht hier zu jedem Zeitpunkt das virtouse Psychospiel seiner beiden Hauptdarsteller, die von Paolo Rotondo und Rebecca Hobbs zudem mit Bravour verkörpert wurden. Während Rotondo mit seinem ausdrucksstarken Mienenspiel und einer ungemein subtilen Ausstrahlung das komplexe Portrait eines furchteinflößenden Serienkillers zeichnet, vermittelt Hobbs in ihrer Rolle der naiven und vom Erfolg geblendeten Psychologin alsbald glaubhaft das Gefühl der Unterlegenheit, welches sich dennoch bis zur reinsten Obsession steigert. Auch die Nebendarsteller verdienen ein Lob, verkörpern sie ihre mitunter mit reichlich Comic-Relief angelegten Charaktere doch denkwürdig und unterstreichen die ganz eigene Stimmung des Films somit treffsicher und gekonnt.
Fazit: Insgesamt gesehen ist es eigentlich ein Jammer, dass The Ugly bis heute ein Dasein als unterschätzter, wenn nicht gar gänzlich übersehener Geheimtipp fristen muss. Scott Reynolds lieferte mit seinem Debutwerk sogleich ein formidables Beispiel eines fesselnden und inszenatorisch stilvollen Horrorthrillers mit Köpfchen ab, welcher dem Serienkiller-Subgenre viele spannende und innovative Ansätze abgewinnt. The Ugly bietet durchdachte, abgefahrene und bisweilen auch recht blutrünstige Unterhaltung auf hohem Niveau, die sich vermutlich auch weiterhin den meisten nicht erschließen wird, nichtsdestotrotz aber einen festen Platz im Regal eines jeden Horror-Liebhabers verdient.