Kalla Malla
Im Februar 1933 brennt der Reichstag, und die Familie von Essenbeck (eigentlich die Krupps) sitzt gerade noch beim eleganten Abendessen. In der kommenden Nacht wird das Familienoberhaupt getötet, die Familie auseinandergerisen, aus Unschuldigen werden Gejagte, Opportunisten machen Karriere unter den Nazis, alles Gute und Menschliche wird pervertiert. Herzlich Willkommen im Kreis der Verdammten!
»Die Verdammten« gehört für mich eindeutig zu den besten Regie-Arbeiten des Meisters Visconti, selbst wenn er vielen Zuschauern immer noch unbekannt ist und bei seinem Erscheinen äußerst umstritten war. Opernhafte Dekadenz wurde Visconti vorgworfen, und das ausgerechnet bei diesem Thema.
Was Viscontis Epos von thematisch ähnlich gelagerten Filmen unterscheidet, sind neben den überzeichneten Figuren und teilweise grotesken Darstellerleistungen seine deutlichen Obsessionen und schier surrealen Einfälle. Eine Oper, ja, aber was für eine!
Hier wird eine Ära nicht unter pseudo-diskretem Ernst begraben, stattdessen besitzt der Film einen bösartigen Humor und schreckt auch vor totaler politischer Unkorrektheit nicht zurück. Helmut Berger als Marlene Dietrich, ein Saufgelage von Nazis in Strapsen und die finale Hochzeit von Bogarde und Thulin als bleiches Vampir-Paar sind nur einige der absurden Ideen, die dem genialen Kopf des Regisseurs entspringen und den Wahnsinn der Zeit perfekt wiederspiegeln.
Das prominente Darsteller-Ensemble spielt ohne Ausnahmen auf höchstem Niveau und ohne Angst vor Tabus. Helmut Berger, der den Film als Marlene Dietrich-Imitation betritt, wurde mit diesem Film zum Star. Seine Wandlung vom sexuell verwirrten Jungen zur Personifizierung des Bösen ist eines der sehenswertesten Elemente dieses Werks, das neben »Macbeth« auch noch weitere klassische Vorbilder zitiert und auch vor dem Horrorfilm nicht zurückschreckt, wenn Ingrid Thulin und Dirk Bogarde am Ende als bleiches Vampir-Pärchen enden. Der Score von Maurice Jarre ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht minder brillant.
Fazit: »Die Verdammten« ist Familienepos, Zeitgeschichte, Farce, Nazi-Oper, Horrorfilm und Tragödie gleichzeitig. Ein Leckerbissen für Cineasten.