Kalla Malla
Im frühen Kindesalter musste Ray (Charlie O'Connell) mit ansehen, wie seine Eltern bei einem Segeltörn von einem Riesenkraken getötet wurden. Dieses Ereignis lässt ihn auch viele Jahre später noch nicht los. Eines Tages sieht er im Fernsehen einen Bericht über ein Forschungsschiff, welches allem Anschein nach ebenfalls von dem selben Tier angegriffen und zerstört wurde. Sofort bietet er einer Bergungsgruppe unter der Leitung der attraktiven Nicole (Victoria Pratt) seine Hilfe an, die aus dem Wrack wertvolle Kunstgegenstände holen wollen. Insgeheim hofft er natürlich auch darauf, endlich mit seinem Kindheitstrauma abschließen und sich an der Krake rächen zu können.
Nachdem es Nicole und ihrer Crew gelingt, ein äußerst wertvolles Schmuckstück, genannt "Auge der Circe" zu bergen, überschlagen sich die Ereignisse. Der Kriminelle Maxwell Odemus (Jack Scalia) ist ebenfalls in höchstem Maße an dem Schatz interessiert und ist zu allem bereit, um es endlich in Händen halten zu können. Es kommt schon bald zum erbitterten Kampf um das wichtige Schmuckstück, bei dem auch der gefährliche Riesenkrake noch ein Wörtchen mitzureden hat...
Mehr als 30 Jahre ist es nun schon her, seit "Der Weiße Hai" die Gewässer unsicher machte und die Badegewohnheiten vieler ängstlicher Kinobesucher sicherlich für immer veränderte. Steven Spielberg's Horrorthriller gab allerdings lediglich den Startschuss für eine wahre Flut an Tierhorrorfilmen, die allesamt versuchten, es dem großen Vorbild gleich zu tun. Und ganz egal ob nun man nun den unzähligen Hai-, Wal-, oder Krakenfilmen erlaubt, mit den eigenen Urängsten zu spielen, oder rein garnichts von Tierhorror hält, Fakt ist, dass beinahe jeder schon einmal einen Film dieser Gattung gesehen hat. Verglichen mit der riesigen Masse an Haischockern kam der Kraken dabei immer verhältnissmäßig kurz. Mit "Kraken: Tentacles of the Deep", der auch als "Deadly Water" vertrieben wird, steht nun ein neuer Beitrag zu diesem Subgenre in den Startlöchern, dem es aber leider nicht gelingt, auch nur ansatzweise an die bisherige Referenz "Octalus" heranzureichen.
Dass Nu Image seine Finger bei der Sache im Spiel hatte, wundert den geneigten Konsumenten nicht, ist die amerikanische Produktionsschmiede doch jährlich für zahlreiche kostengünstige B-Horrormovies verantwortlich, die in erster Linie für den amerikanischen Sci-Fi-Channel produziert werden, bevor sie in den meisten Fällen auch ihren Weg nach Deutschland finden. Mit der Regie von "Kraken" wurde der Ungare Tibor Takács betraut, auf dessen Konto auch derart namenhafte Meisterwerke wie "Mosquito Man", "Mega Snake" und "Rats - Die Mörderische Brut" gehen. Der richtige Durchbruch gelang dem Filmemacher jedoch nie und auch "Kraken" wird an dieser Tatsache mit Sicherheit nichts ändern.
Der Film richtet sich einzig und allein an die Zielgruppe der (Tier)Horrorfreaks, die sich onehin jeden Mist ansehen und daher auch nicht all zu wählerisch bei der Auswahl ihrer Filmkost sind. Dem ist es auch zu verdanken, dass der Streifen wohl durchaus seine Abnehmer finden wird, denn zumindest dem Cover darf man eine gewisse reizvolle Ausstrahlung nicht absprechen, die vielleicht sogar noch Lust auf das B-Movie macht. Doch was sich dahinter verbirgt ist leider typischste Direct-to-Video Ware, die sich garnicht erst großartig Mühe gibt, ein inhaltlich brauchbares Werk abzuliefern. Der Story darf man ohne schlechtes Gewissen das fehlen jedweder Logik attestieren, da haben die drei Drehbuchautoren Nicholas Garland, Sean Keller und Brian D. Young wirklich keine überragende Arbeit geleistet. Der Plot erfüllt jedoch seinen Zweck, auch wenn er dem Horrorfan viel zu bekannt vorkommt. Zwei feindliche Gruppierungen, die das selbe Ziel verfolgen, sowie die Riesenkrake bieten schon einmal genug Raum für Spannungselemente und Konfliktsituationen. Um so erstaunlicher ist es da, dass "Kraken" über weite Strecken einfach nicht in die Gänge kommt.
Der Opener, in dem wir eindrucksvoll den Auslöser für Ray's Kindheitstrauma erleben dürfen, ist schon einmal ganz nett inszeniert und lässt auf einen brauchbaren Streifen hoffen, sieht die Krake doch nicht einmal so schlecht aus, wie man vielleicht befürchtet hätte. Nach den furiosen ersten Minuten stellt sich jedoch erst einmal Ruhe ein, die der Regisseur benötigt, um die Story in Fahrt zu bringen. Doch Moment einmal, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Leider schon, denn dem onehin unwichtigen Plot wird leider viel zu viel Beachtung geschenkt, so dass sich "Kraken" stellenweise regelrecht in überflüssigen Handlungselementen verliert, die niemanden auch nur ansatzweise interessieren. Wir erleben, wie sich Ray und Nicole langsam näherkommen und erfahren in Dialogen auch etwas mehr über die einzelnen Charaktere, aber interessieren wird dies letzten Endes niemanden. So ist das Einbringen einer deutlich zu präsenten Handlung leider nur Alibi und trauriger Ersatz für brauchbare Ideen, die Story voranzutreiben.
Es fehlt dem Ganzen viel zu sehr an Drive, als dass man sich ernsthaft für die Entwicklung der Story interessieren würde. Ab und an darf man zwar dem Angriff des Kraken beiwohnen, der sich immer wieder seine Opfer holt, doch seine Highlights hat das Monster erst zu Beginn und schlußendlich im Showdown, auf den der Mittelteil kontinuierlich hinarbeitet. Dieser wirkt indessen wirr konstruiert und wenig glaubhaft, so dass man stellenweise vergisst, dass man gerade einen Tierhorrorfilm sieht und vielmehr glaubt, einen billigen Krimi auf hoher See zu erleben. Dabei kommt es viel zu selten zu brauchbaren Actionszenen, ein paar Bad Guys alleine machen eben noch keinen guten Thriller aus.
"Kraken" ist in seinen besten Momenten dennoch ein Werk, wie es die meisten B-Movie-Fans zufriedenstellen dürfte. Wenn der Krake zuschlägt und seine Opfer in die Tiefe zieht, sprudelt das Blut ganz ordentlich und stellenweise fliegen sogar vereinzelt Körperteile durch die Luft. Auf nackte Haut muss man dafür aber verzichten. Obwohl die hübsche Victoria Pratt die meiste Zeit über bauchfrei an Deck zu sehen ist, zieht sie leider nie vollständig blank. Nackte Haut und Sex? Fehlanzeige. Gut, dies ist verschmerzbar, wäre aber angemessen gewesen, um die eine oder andere Länge im Mittelteil erträglich zu machen und der furchtbar aufgesetzten Beziehung zwischen Ray und Nicole den letzten Schliff zu geben.
Der Großteil des Casts spielt solide bis annehmbar, zumindest sind keine Ausfälle in der Crew zu vermelden. Alle Akteure machen ihre Sache für ein B-Movie annehmbar und passen sich somit dem Kraken an, der trotz sichtlicher CGI-Animation relativ gut rüberkommt. Natürlich wäre es vermessen, auf erstklassige Effekte zu hoffen, aber im Rahmen des Budgets haben die Verantwortlichen ein brauchbares Monster hinbekommen.
Fazit: Tibor Takács geht mit seinem "Kraken: Tentacles of the Deep" weder vollends baden, noch schafft er es, den Fans ein Filmerlebnis zu bieten, an das diese sich noch lange erinnern werden. Der Film unterhält trotz seiner zahlreichen Defizite noch ganz brauchbar, kommt aber insbesondere im Mittelteil gerne mal außer Atem und besinnt sich erst wieder im Showdown auf seine Genre-Abstammung. Lieber noch einmal "Octalus" ansehen, der den Spagat zwischen spaßiger Mainstream-Unterhaltung und blutigem Tierhorror seinerzeit perfekt vollbracht hat. "Kraken" ist dagegen bestenfalls dann zu empfehlen, wenn er eines Tages mal im Spätprogramm gesendet wird und wirklich nichts Besseres läuft.