Kalla Malla
»Ich will mein Leben leben« (»In This Our Life«) aus dem Jahr 1942 war nach »Die Spur des Falken« der zweite Spielfilm von John Huston, dem hier ein hervorragendes Star-Ensemble zur Verfügung stand, allen voran Bette Davis, die weder den Film noch Huston mochte (sie nannte den Film später sinngemäß »den schlechtesten Film, den die Geschichte je gesehen hat«), aber eine absolut souveräne Vorstellung liefert und vor Energie fast explodiert.
Zur Handlung: Die beiden Südstaaten-Schwestern Stanley und Roy könnten unterschiedlicher nicht sein. Stanley ist egoistisch, selbstverliebt und rücksichtslos, Roy hingegen das komplette Gegenteil: sanft, lieb, aufopferungsvoll. Als Stanley Roys Mann Peter ausspannt und mit ihm durchbrennt, will sich Roy ändern. Härter werden. Doch so ganz schafft sie es nicht. Es kommt, wie es kommen muss: Die starrköpfige Stanley wird auch mit Peter nicht glücklich und kehrt, scheinbar geläutert, in ihre Heimatstadt und zu ihrer Familie zurück. Der kommende Vorfall jedoch zeigt, dass Stanley sich nicht geändert hat und buchstäblich über Leichen geht, um sich zu schützen...
Mehr soll nicht verraten werden, denn es folgen weitere überraschende Höhepunkte aus dem Leben der Soziopathin Stanley, die kein Mitgefühl kennt und nur um sich selbst kreist, ein eitles Monster, dem alle - insbesondere die Männer - zum Opfer fallen. In einer genialen Auseinandersetzung gegen Ende zwischen »Onkel« Charles Coburn und seiner egozentrischen Nichte Davis geht Hustons Melodram komplett over the top. Die Warner-Bosse waren nach Sichtung der Muster entsetzt, sowohl von Davis' manieriertem Spiel, als auch von ihrer Aufmachung (sie trägt sehr bizarres, wenig schmeichelndes Makeup). Neben ihr besticht Olivia de Havilland als kompletter Gegenentwurf zum Davis-Charakter. Nicht nur wird sie von Kameramann Ernest Haller anbetungswürdig fotografiert (sie sah nie besser aus als hier), ihre ruhiges, intelligentes Spiel ist gerade im Zusammenspiel mit Davis extrem effektiv. In Nebenrollen tummeln sich der hübsche Dennis Morgan, dessen Liebe zu Davis fatale Folgen hat, der Davis-Dauerpartner George Brent und »Vom Winde verweht«-Mammy Hattie McDaniel.
So ganz überzeugen kann Hustons Film nicht, weil es für das Verhalten der Davis auch nicht ansatzweise einen stimmigen Hintergrund gibt. Sie ist einfach durch und durch böse (oder wie der damalige Werbeslogan lautete: »Niemand ist so gut wie Bette Davis, wenn sie böse ist!«) . Bemerkenswert gelungen ist er in der offenherzigen Feststellung, dass Afroamerikaner vor Gericht keine Chance haben, wenn ihre Aussage gegen die einer - wenn auch verlogenen - Südstaaten-Tochter aus gutem Hause steht. Dafür ist die schlechte Frau/gute Frau-Dynamik reichlich altbacken (de Havilland muss unentwegt »hausfrauliche« Qualitäten zeigen, ihre gerade noch geduldete Rebellion besteht darin, sich einen roten Hut zu kaufen).
Sowohl Bette Davis', als auch Olivia de Havillands Figur haben maskuline Namen (Stanley und Roy). Das Besondere? Im Film selbst wird dieser Umstand nie thematisiert oder gar erklärt. Regisseur John Huston hatte gerade seinen erfolgreichen »Die Spur des Falken« gedreht und lässt hier wie dort seinen Vater Walter als Gaststar auftreten. Und Max Steiners dynamischer Soundtrack unterstützt kongenial die hinreißend emotionale Dramatik des Films.
Fazit: Die beiden zweifachen Oscar-Preisträgerinnen und lebenslangen Freundinnen Bette Davis und Olivia de Havilland wetzen hier als Schwestern die Krallen – muss man besonders erwähnen, wer die Böse ist? Ein Melodram, wie es im Buche steht. Aber auch wenn psychologisch hier nicht alles stimmt, unterhaltsam ist »Ich will mein Leben leben« auf jeden Fall, er hat Tempo und war verdientermaßen ein Publikumshit.