Kalla Malla
Eine handvoll Jugendlicher trifft sich eines Abends am Strand eines kleinen amerikanischen Küstenortes, um mal wieder gepflegt zu feiern. Als sich zwei von ihnen mit eindeutig sexuellen Absichten von der Gruppe entfernen, finden sie an einer abgelegenen Stelle des Strandes eine alte Schatzkiste und öffnen diese kurzerhand. Blöd nur, dass sie damit einen untoten Piraten wiederauferstehen lassen, der ihren Koitus kurz darauf nicht nur um seinen Säbel bereichert, sondern auch zwei ihrer Freunde massakriert. Lediglich Alex und Jessie können dem Zombie-Seeräuber fürs Erste entkommen, geraten dadurch am nächsten Tag jedoch ins Visier der lokalen Polizei, die den beiden Teens die Geschichte um einen meuchelnden Freibeuter natürlich nicht abkauft. Um für die Tat nicht selbst den Kopf hinhalten zu müssen, flüchten die beiden somit kurzerhand vor den Gesetzeshütern und versuchen, das Rätsel um den mysteriösen Piraten auf eigene Faust zu lüften. Dieser ist derweil jedoch auch nicht untätig und richtet in dem kleinen Stätdchen ein regelrechtes Blutbad an...
Wer sich von einem Film, in dem ein untoter Pirat nach den Leben paarungswilliger und blankziehender Jugendlichen trachtet noch nicht genug abgeschreckt fühlt, der sollte spätestens dann in Deckung gehen, wenn eben jener Streifen auf allen nur erdenklichen Horrorfilm-Portalen mit den ausdrücklichsten Warnungen geradezu in die Tonne getreten wird. Nun, allen vernünftigen Menschen, die auch nur einen winzig kleinen Anspruch auf die ihnen zustehende Lebenszeit erheben, werden wohl sogleich 100 Tätigkeiten wissen, die sich einem solchen Machwerk vorzuziehen lohnen. Nun gilt diese Verallgemeinerung leider nicht für Trash-Fetischisten, einem von Natur aus recht sonderbaren Völkchen, welches sich ohne ersichtlichen Grund immer wieder freiwillig derart offensichtlichen Filmgurken wie Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove aussetzt. Gelegentlich wird dieser masochistische Akt dann aber wider Erwarten doch mal mit einem äußerst amüsanten Streifen belohnt und, voilà, so verhält es sich auch bei diesem Absurditäten-Sammelsurium um einen amoklaufenden Piraten.
Die Exposition des Films gestaltet sich ungefähr genau so wie in 1001 anderen Slashern auch. Hormonell beflügelte Teenies, zumindest welche, die zwar so aussehen sollen, hier aber allesamt von deutlich über 25 jährigen Akteuren verkörpert werden, fahren an einen abgelegenen Ort um dort mal wieder gepflegt den horizontalen Limbo zu tanzen. Nach einigen absurden Dialogen, so zieht es etwa einer der Charaktere in Erwägung, die Schule abzubrechen, um künftig auf einem Boot sinnlos übers Meer zu schippern, geht es dann in mehrdeutiger Hinsicht direkt ans Eingemachte. Pech nur, dass zwei der schnarchnasigen Teens vor ihrem anstehenden Verkehr unbedingt noch eine vermoderte Schatzkiste öffnen mussten, der dann sogleich die Seele eines rachsüchtigen Seeräubers entsteigt, der sich in einen noch vermoderteren Körper transferiert, welcher die sofortige Erinnerung an eine Kreuzung aus Rob Zombie und Davy Jones aus Fluch der Karibik 2 wachruft. Anyway, jener besäbelte Zombiepirat erweist sich als ausgesprochen unhöflich und macht eventuell auftretende Kavaliersschmerzen zum kleinsten Problem des männlichen Truhenöffners, als er dessen Objekt der Begattung in der Reiterstellung kurzerhand von der Schulter abwärts spaltet. Doch auch die derweil am Lagerfeuer sitzenden Freunde der beim Sex tödlich verunglückten trifft es nicht besser. So bekommt eine Dame sogleich einen Ast mit Marshmellows durch den Kopf getrieben (und dabei weiß doch jeder, wie lebensgefährlich dünne Äste sind, Herrgott!), während ein anderer in einer oscarreifen CGI-Animation seinen Kopf verliert. Damit ist der Ton des Films dann auch gesetzt und der Zuschauer ahnt zu wissen, was ihn in der folgenden Stunde mit Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove erwartet.
Genau, als klug erweist sich also, wer schon einmal vorsorglich jede Hoffnung auf tiefgreifende Dialoge, eine spannende Handlung und eine bedrohliche Atmosphäre fahren lässt. Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove mag alles andere als ein auch nur entfernt guter Horrorfilm sein, dafür ist er die bildgewordene Glanzstunde des Trash-Kinos. Selten zuvor hat ein derart grottiges B-Movie so sehr Spaß gemacht und wahrlich noch seltener erwies sich unfreiwilliger Humor als derart funktionierende Tragfläche eines ganzen Films. Die Story, sofern diese eine solche Bezeichnung verdient, ist natürlich ein billiges Ripoff zahlreicher Horrorfilm-Versatzstücke und wurde wahrscheinlich innerhalb weniger Minuten aus Anleihen von The Fog und unzähligen Teenslashern zusammengeschustert. Das stört jedoch herzlich wenig, erweist sich Gary Jones' Trash-Heuler doch als derart spaßiger Nonsens, dass man gegenüber der regelrechten Lawine an geballtem Nonsens doch gerne beide Augen verschließt. Jones inszenierte im Übrigen bereits die nicht weniger kongenialen IQ-Vernichter Spiders und Crocodile 2 und zeichnete sich des Weiteren auch für den dritten Part des Boogeyman-Franchises verantwortlich.
Ob den Verantwortlichen überhaupt bewusst war, was für einen unsäglichen Murks sie da in den Kasten bringen, darf bezweifelt werden, doch das entsprechend geneigte Publikum freut sich darüber. Wer anhand des grenzenlosen inszenatorischen Dilettantismus dieses Werkes nicht lachen kann, gehört schlichtweg kielgeholt. Ein von den Toten auferstandener Pirat, der einen alten Racheschwur geltend machen möchte und dabei mordend und die Köpfe seiner Opfer am Gürtel tragend durch eine Kleinstadt stapft, das kann einfach nur hanebüchener Blödsinn sein, liegt hier aber noch weit, weit jenseits aller Befürchtungen. Das schier unbeschreibliche Highlight des Films ist ohne Frage die Szene, in der unser grüngesichtiger Pirat ohne ersichtlichen Grund eine Lapdance-Bar aufsucht. Nun, allem Anschein nach müssen eben auch Seeräuber gelegentlich mal ihre Kanonen schrubben. Natürlich bekommt Jolly Roger dann sogleich einen aufreizenden Tanz spendiert, was von der Stripperin schließlich mit den Worten "Aye aye, ist das eine Muskete in deiner Piratenhose oder hab' ich das gemacht?" kommentiert wird. Wer spätestens jetzt kein Valium benötigt, um sein Zwerchfell unter Kontrolle zu bekommen, der erhält im weiteren noch genügend Gelegenheit, seinen Humor wiederzufinden. Als genialer Running Gag erweist sich auch die Tatsache, dass Jolly Roger wohl einen ziemlich bizarren Trip geschmissen haben muss, glaubt er in seinen Opfern doch seine ehemalige Schiffsbesatzung zu erkennen. Das äußert sich dann schon einmal in einer Szene, in der unser guter Pirat zu einem abgetrennten Kopf greift und ihm in geradezu sarkastischem Tonfall folgenden Brüller ins tote Antlitz schmettert: "Jahrelang musste ich mir deinen versalzenen Eintopf reinwürgen, mir ist jetzt noch schlecht davon. Jetzt kann sich der Teufel an deinen Kochkünsten laben."
Noch nicht ganz überzeugt? Dann tut vielleicht die dämlichste, unlogischste und binnen wenigster Sekunden vollzogene Charakterentwicklung in der Geschichte des bewegten Films das Übrige. So entwickeln Alex und Jessie, die Überlebenden des Strandmassakers, während der Befragung auf der Polizeiwache plötzlich eine gewisse Besorgnis, dass man sie für die Morde verantwortlich machen könnte. Kurzerhand befreit sich Alex mit einem Einfallsreichtum, der selbst McGyver vor Neid erblassen lassen würde, aus dem Verhörraum. Zwar redet Jessie in diesem Moment noch fassungslos auf ihren Freund ein und versucht ihn von seinem Plan abzubringen, wie eine Mutter, die ihrem Kind erklärt, dass man nicht stehlen darf, nur um in der exakt nächsten Szene mit ihm zu fliehen und sich dabei so panisch zu verhalten als wäre die gesamte Polizei des Staates hinter ihr her. Ob es nun an den Schauspielern liegen mag dass die Charaktere allesamt als überzogene Witzfiguren erscheinen, sei einmal dahingestellt, doch kauft man hier keinem seine Rolle ab.
Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove ist zwar kein reinrassiges Fest für Gorehounds, weist aber dennoch einen beachtlichen Bodycount auf und hält Splatterfans somit durchaus bei Laune. Dem deutschen Verleih war die Sache dann auch gleich zu heiß, weshalb man vorsorglich gleich zwei Minuten an Brutalitäten entfernte, bevor man das verstümmelte Resultat dann der FSK vorlegte. Die unangetastete Fassung gibt es indessen aber über Österreich zu erstehen. Ob dieser Aufwand überhaupt von Nöten war, darf jedoch bezweifelt werden, so erinnern einige der Tode mehr an eine computergenerierte Spielerei als an einen filmwürdigen Special Effect, doch etwas anderes würde man diesem Trash-Heuler auch nicht zutrauen. Den Vogel schießt hierbei jedoch der kleine aber äußerst bedeutsame Fakt ab, dass sämtliche Opfer des Piraten auf alle Verletzungen so reagieren, als seien sie ganz nebenbei von einer Mücke gestochen worden. Egal, ob nun jemand seinen Arm verliert oder gar angeschossen wird, unter großartigen Schmerzen scheinen die jeweiligen Knallchargen nie zu leiden. Auf die Spitze getrieben wird dies dann in einer denkwürdigen Sequenz, in der einer alten Dame zwar eine Hand abgeschlagen wird, diese darauf jedoch äußerst gelassen reagiert und Jolly Roger sogar noch ein wutenbranntes "Du Drecksau kriegst meinen Kopf nicht ohne Gegenwehr" entgegenschmettert, bevor sie sich mit munter spritzendem Armstumpf auf ihn stürzt.
Fazit: Keine Frage, Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove ist die filmische Vergewaltigung des Zuschauerintellekts und ein auf Zelluloid gebannter Stuhlgang, doch entgegen dieser Attribute macht dieses B-Movie fast schon unverschämt Spaß. Unter vernünftigen Gesichtspunkten und erst recht als Horrorfilm versagt dieses Machwerk in jeder Hinsicht, bietet dafür aber reichlich unfreiwillige Komik und nicht zuletzt auch einiges an Splatter. Also, Landratten, wer bei allzu trashigem Seegang nicht gleich über die Reling kotzt, der heuert sobald wie möglich auf der Jolly Roger: Massacre at Cutter's Cove an!