Kalla Malla
In einer nicht allzu fernen Zukunft entsteht in einem Forschungslabor der erste intelligente Roboter mit menschlichen Gefühlen in der Gestalt des elfjährigen David (Haley Joel Osment). Aber seine »Adoptiveltern« Henry (Sam Robards) und Monica Swinton (Frances O´Connor), deren leiblicher Sohn Martin (Jake Thomas) im Koma liegt, sind mit dem künstlichen Ersatzkind überfordert und setzen ihn aus. Auf sich allein gestellt versucht David, seine Herkunft und das Geheimnis seiner Existenz zu ergründen. Damit beginnt eine unglaubliche Odyssee voller Abenteuer, Gefahren und geheimnisvoller Begegnungen.
Vor über 30 Jahren verfasste der Science-Fiction Autor Brian Aldiss die Kurzgeschichte »Super-Toys Last All Summer Long«. Sein Werk wurde 1969 in der Zeitschrift »Harper's Bazaar« abgedruckt und findet sich auch in einer Kurzgeschichtensammlung. Knappe zehn Jahre später wurde Stanley Kubrick auf die Geschichte über ein Roboterkind, das versucht mit seiner menschlichen Mutter auszukommen, aufmerksam. Er erwarb 1982 die Filmrechte, wollte aber mit der filmischen Umsetzung warten, bis die Spezialeffekte, die er sich vorstellte, realisierbar waren. Bob Shaw, Ian Watson und Sara Maitland bereiteten Drehbuchversionen vor. Stanley Kubrick starb 1999, bevor er das Projekt verwirklichen konnte. Einige Monate später baten seine Witwe Christiane und deren Bruder Jan Harlan Steven Spielberg, den Film zu drehen. Spielberg, mit dem Kubrick mehrmals über seine Ideen gesprochen hatte, schrieb selbst das Drehbuch.
Die erste Stunde von »A.I.« ist dann tatsächlich eine technisches und inhaltliches Meisterwerk, daran gibt es vermutlich nichts zu rütteln. In dieser Phase steckt eine Menge Kubrick (dessen Projekt dies lange Jahre war) in »A.I.«, sowohl was die Inszenierung angeht (lange, stumme Szenen, faszinierende Details) als auch im Hinblick auf die philosophischen und ethischen Fragen. Sobald Hayley Joel Osment sich jedoch alleine durch die Welt schlagen muss, macht der Film eine drastische Kehrtwende in Richtung »Spielberg«, d.h. alles wird ein bisschen bunter, lauter, niedlicher und sinnloser. Jude Laws Charakter, der an dieser Stelle eingeführt wird, macht z.B. im Grunde in der ganzen Geschichte keinen Sinn. Er ist lediglich ein Begleiter und hat zum Konflikt nichts beizutragen. Dennoch ist auch diese Phase mit Abstrichen noch unterhaltsam.
Schwierig wird der Film im letzten Akt, wenn die Handlung eigentlich schon zu Ende ist, der Film aber einfach nicht aufhören will und mindestens vier Enden präsentiert, die sich alle gegenseitig aushebeln. Hier wird Spielberg endgültig vom Visionär zum Märchenerzähler, und der anfangs gedanklich großartige Film verkommt zum reinen »staunende Kinderaugen«-Vehikel, das - sorry - von Spielberg schon so oft inszeniert wurde, dass es zum Halse raushängt. Gerade die präzise Emotionalität des Anfangs weicht hemmungslosem Kitsch und Leerlauf. Spätestens an dieser Stelle hat »A.I.« nichts mehr mit Kubrick zu tun. Aus »2001« wird »E.T.«. Das ist mehr als schade - es ist tragisch, denn »A.I.« hätte das Potential zu einem wahrhaft großen Film unserer Zeit gehabt.
Fazit: In einem wenig spektakulären Kinosommer kann auch Regieliebling Steven Spielberg wenig vom angekratzten Blockbuster-Image retten, denn sein auf Faszination und Provokation ausgelegtes Science-Fiction Drama versteckt er unter einer großen Portion Sentimentalität, Pathos und Kitsch.
Spielberg verkommt leider immer mehr zum Märchenonkel.