Kalla Malla
"Ken Park" ist einer dieser seltenen Filme, die einem trotz oder gerade wegen ihres künstlerischen Anspruchs, jeden noch so sonnigen Nachmittag verhageln und dem Zuschauer vorallem eines vermitteln: "Sei froh, dass du nicht so ein Leben führen musst!".
"Kids" Regisseur Larry Clark nahm sich mit seinem Regiekollegen Ed Lachmann erneut der Thematik perspektivloser Jugendlicher an und setzt seinen Film, umrahmt von der kurzen Eingangsepisode um einen Teenager, der mitten im Skaterpark Selbstmord beging, aus 4 verschiedenen Erzählsträngen zusammen: Claude wird von seinem Vater in vielerlei Hinsicht missbraucht, Peaches wird von ihrem verwitweten Vater im strengsten christlichen Glauben erzogen, Shawn hat eine Affäre mit der Mutter seiner Freundin und Tate entwickelt psychopathische Verhaltensmuster, da er bei seinen Großeltern aufwächst. Eine Sache vereint die 4 Geschichten: Sex. Alle vier Jugendlichen finden darin eine Flucht vor der Realität, egal in welcher Form...
"Ken Park" ist unfassbar schmerzvolle Gesellschaftskritik und stellt nicht einfach kiffende, beziehungsweies schlichtweg asoziale Jugendliche an den Pranger, sondern zeigt ganz nüchtern, weswegen sie so geworden sind, wie sie eben sind. Gründe dafür könnte man ihren Familien oder in ihnen bekannten Erwachsenen finden, aber auch da bezieht der Film keinerlei Stellung. Es ist ein stark narrativ geprägter Film, der zu keiner Zeit Lösungsvorschläge oder wirkliche Gründe liefert. Die verkorkste Jugend ist nicht einfach ein Produkt häuslicher Gewalt, Arbeitslosigkeit oder Drogen, sondern kann viele Ursachen haben, je nachdem, welchen der Jugendlichen man eben heranzieht.
Der Film schildert völlig nüchtern jede Kleinigkeit und ist genau deswegen auch so verdammt wirkungsvoll. Alltäglichkeiten werden konsequent gefilmt und dargestellt, während die Kamera unerbittlich draufhält. Das, in Verbindung damit, dass "Ken Park" keinerlei Hilfe bei seiner Rezeption leistet, bringt den Zuschauer nahezu an die Grenzen der Überforderung. Das Geschehen ist viel zu ambivalent, um es beim ersten Durchgang völlig aufzunehmen oder jetzt sinnvoll gebündelt in eine Kritik zu packen. Lösungsvorschläge kann sich jeder selber zusammenreimen; falls man nach dieser filmisch-emotionalen Bombe überhaupt noch in der Lage ist, irgendwas Sinnvolles zu denken.
"Ken Park" hatte damals viel Aufsehen aufgrund seiner Hardcore Sexszenen geerntet. Es ging sogar soweit, dass Regisseur Larry Clark vorgeworfen wurde, er würde lediglich intellektuelle Pornos drehen. Das ist ein völlig falscher Ansatz, denn obwohl die Sexszenen natürlich filmästhetisch sehr schön in Szene gesetzt wurden, sind sie nie Mittel zum Zweck und lenken zu keiner Sekunde von der Handlung ab. Vielmehr gilt Sex hier als einzig funktionierende Flucht aus dem ansonsten tristen Leben oder schlichtweg als Abreaktion von Wut; egal ob auf Seiten der Jugendlichen, oder auf Seiten ihrer Eltern.
Wer kontroverse, aber keinesfalls Platte Filmkunst zu schätzen weiß und schon in vergleichbaren Filmen wie "A Hole In My Heart" mehr gesehen hat, als deprimierende 90 Minuten, wird auch mit "Ken Park" nichts falsch machen können. Der Film ist eine nüchterne Darstellung des Lebens, die zu keiner Zeit wertend ist, aber aufgrund ihrer stets draufhaltenden Kamera den Zuschauer nicht nur schnell in den Bann ziehen kann, sondern ihm danach auch schwer im Magen liegen wird. Ein wahres Meisterwerk, sowohl in seiner reinen Inszenierung, als auch in seiner Aussage und Drastik.
