Berny23
„Ich werde dich ficken, Debbie, ich ficke dich, du Sau.“
„Ach Quatsch, hängen Sie sich doch auf, Sie alter Hurenbock, Sie können mich mal!“
Diese versteckte Horrorthriller-Perle ist wirklich Giallo durch und durch, obwohl die USA der Produktionsort waren, nicht Italien. Sowohl der langsame Spannungsaufbau mit Gefühl für Feinheiten als auch die Filmtechniken und Krimi-Handlung lassen dazu deutliche Hitchcock-Vibes aufkommen.
Die Nachrichtensprecherin mit dem reizenden Gesicht, Freundin eines Staatsanwalts, ermittelt auf eigene Faust an einer Reihe von Sexualmorden eines einzelnen Täters. Dessen Identität wird erst eine Weile wortwörtlich im Dunkeln gelassen, dann sieht man ihn mit Maske und schließlich erfährt der Zuschauer auch seinen Namen und das Gesicht dazu. Optisch kein durchgeknallter Irrer, ein gepflegter Mann wie viele andere in dem Stadtteil.
Der Film lässt den Zuschauer zwar „Durch die Augen eines Fremden“ sehen, hält sich jedoch mit dem Voyeurismus sogar in den brisanteren Szenen durchaus zurück und wahrt verhältnismäßig viel Anstand für eine Horrorproduktion mit diesem Thema. Meistens sieht man die Handlung aus der Perspektive der Opfer, doch später werden die Ausflüge des Killers weiter in den Vordergrund gerückt; er fährt auf Beutesuche umher und besucht ein Striplokal mit einer sehr engagierten Tänzerin, die heftige Dance-Moves auspackt. Ganz wunderbar ist die Duschszene – oben habe ich ja bereits die Ähnlichkeiten zu Hitchcock-Filmen erwähnt –, wo sich der Mörder mit dem Gesicht von außen an die gläserne Duschkabinenwand mit Mosaikmuster presst.
Dunkle Szenen sind schwer zu drehen, auch bis heute, denn entweder sieht der Zuschauer nichts oder alles ist beinahe taghell und unnatürlich erleuchtet. Hier ist das wirklich äußerst atmosphärisch gelungen, denn alles ist pechschwarz, doch natürlich wirkender Lichtschein fällt gezielt an bestimmte Stellen, wodurch man entweder sieht oder erahnt, was gerade passiert. So etwa, wenn der Killer eines seiner Opfer über den nächtlichen Parkplatz im Wald schleift und man nur das Auto im Hintergrund sieht und auf Mitteldistanz ein einzelner Lichtstrahl den Boden erhellt.
Es gibt netterweise eine Menge gelungen dargestellter Tötungen mit handwerklich durchweg guten Effekten, man darf natürlich kein fettes Splatterfest erwarten, da dies im Grunde ein Slasher ist. Dennoch wurde ich keineswegs enttäuscht, was die Gewaltspitzen angeht. Auch kann der Regisseur wohl gut einschätzen, wozu sein Special-Effects-Team imstande ist und wozu nicht, denn gleich am Anfang gibt es eine Enthauptung im Wohnzimmer, die auf kreative Weise durch ein Aquarium hindurch gefilmt ist. Nur das Ergebnis ist danach in Nahaufnahme zu sehen, der Kopf (augenscheinlich keine Attrappe) liegt dann in ebendiesem Fischbecken. Später gibt es ein paar klassische Kehlenschnitte im morastigen Waldparkplatz und am Ende des Films noch nette Selbstjustiz.
Wer ist denn eigentlich das altbekannte Final Girl? Das ist hier nicht ganz so einfach, es gibt sogar zwei Helden. Einmal die erwähnte Reporterin, aber dann etwas ganz Besonderes, ihre blinde und taubstumme Schwester. Ja, jetzt genau aufpassen, ihr Netflix-Diversity-Scheißer, so geht Diversität schon 1981 richtig! Hier kommt keiner mit dem gehobenen Zeigefinger um die Ecke, es gibt keine nervigen Belehrungen. Denn diese Behinderung ist hier nicht zum Selbstzweck oder für die Quote, sondern hat tatsächlich einen wichtigen Platz im Verlauf des Endkampfs und für den Twist am Ende. Der Killer macht die Frau auf fast komödiantische und dann ekelhafte Weise wahnsinnig vor Angst, da er um sie herumschleicht und Gegenstände herumbewegt, die sie ja nur ertasten kann. Ein wenig Spannung wird vorher auch gekonnt aufgebaut, indem eine eingehende Nachricht am Anrufbeantworter, den die Schwester ja nicht hören kann, die Identität des Täters endgültig bestätigt und vor Nachforschungen warnt, was zu diesem Zeitpunkt längst zu spät ist. Nur der Zuschauer bekommt somit etwas davon mit.
Die deutsche Synchro (Quelle ist VHS) ist wirklich gut und klingt sehr klar, auch wenn ich jetzt keine bekannten Stimmen entdeckt habe.
Gesehene Fassung: Uncut Blu-ray mit deutscher Synchro
Meine Screenshots: https://berny23.de/die-augen-eines-fremden-1981/