Kalla Malla
Der Ex-Cop Jack Gittes arbeitet mittlerweile als Detektiv und erhält von Mrs. Mulwray den Auftrag, ihrem Mann eine Affäre nachzuweisen. Als er Mr. Mulwray, der als Ingenieur bei den Wasserwerken von Los Angeles arbeitet, schließlich bei einer kleinen Liaison erwischt, übergibt er die Fotos der Presse und löst damit einen Skandal aus. Kurze Zeit später betritt eine andere Frau, die behauptet die richtige Mrs. Mulwray zu sein, Gittes Detektei und droht mit einer Klage. Daraufhin versucht er mit Mr. Mulwray Kontakt aufzunehmen, findet aber nur noch dessen Leichnam. Erst jetzt erkennt er, dass er unversehens Teil eines Netzes aus Gier, Lügen und Korruption geworden ist...
Die Geschichte des Films basierte auf einem authentischen Fall von Bodenspekulationen und Umweltskandal im Los Angeles der dreißiger Jahre. Jener Zeit also, in der Krimiautoren, wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler ihre berühmten Privatdetektive Sam Spade und Philip Marlowe agieren ließen und die Polanski im Dekor sorgfältig rekonstruierte. Jack Nicholson, der sich durch diesen Film als Super-Star etablieren konnte, spielt den »Schnüffler« J. J. Gittes in Reminiszenz an das große Vorbild Humphrey Bogart, ohne diesen aber zu kopieren.
Denn wie »Chinatown« auch ein Film über die damalige Gegenwart (der Watergate-Affäre) ist, gestaltet auch Nicholson seine Figur mit der Einsicht in die veränderten Zeiten. Sein »Privat eye« ist ein moderner Don Quichotte. Er besitzt keine Chance, gegen ein allgegenwärtiges und beherrschendes Netz von städtischer Korruption anzugehen. Seine Niederlage, sein bitteres Scheitern ist nur konsequent. Er besitzt nicht einmal mehr die moralische Genugtuung eines Philip Marlowe, am Ende die Schuldigen doch irgendwie der Gerechtigkeit zugeführt und die eigene Selbstachtung bewahrt zu haben. Am Ende muß er erkennen, nur eine Nebenrolle gespielt zu haben, in einem Spiel, dessen Regeln er nicht kannte. Fest stand nur, daß er der Verlierer dieses Spiels sein würde.
»Chinatown« ist der Ort, an dem die herkömmlichen Regeln der bürgerlichen Gesellschaft, die Gesetze, »law and order«, außer Kraft gesetzt sind. »Chinatown« ist auch Chiffre für die soziale Herkunft und die unrühmliche Vergangenheit Gittes', die er fast vergessen und verdrängt hat, die in aber in der Realität »Chinatowns« wieder einholt. Polanski ließ am Schluß seines Films die reale und die allegorische Ebene zusammenfallen, indem er das Showdown nach »Chinatown« verlegte.
Wie ungeheuer elegant, unaufgeregt spannend und zeitlos schön Roman Polanskis »Chinatown« ist, kann man besonders gut nach dem Besuch eines aktuellen Kinofilms beurteilen. Hier befindet sich vor und hinter der Kamera jeder auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Jack Nicholson war nie besser als in »Chinatown«, Faye Dunaway ist die letzte moderne Femme Fatale des amerikanischen Kinos, Jerry Goldsmiths Score ist einschmeichelnd und aufreibend zugleich, das Drehbuch von Robert Towne ist ein Musterbeispiel für Intelligenz, Spannung und brillante Dialoge (Oscar 1974).
Roman Polanski inszeniert mit klarem Blick auf kleinste Details, das macht den Film immer und immer wieder sehenswert. Das in »Chinatown« angesiedelte Finale des Films ist heute noch gleichermaßen schockierend wie ernüchternd. »Chinatown« stammt aus einer Zeit, in der Hollywood noch Willens war, anspruchsvolle Unterhaltung für den intelligenten (und erwachsenen) Zuschauer zu produzieren und sogar in einem Genre wie dem Thriller große Werke der Filmkunst zu erschaffen.
»Chinatown« ist ein Film, den man nur genießen kann - immer wieder aufs Neue...