Kalla Malla
Der Film beginnt sein Unwesen in einem unterirdischen, sehr düsteren Club. Von Zeit zu Zeit werden unter großem Bestaunen des Publikums extra ordinäre Vorführungen geboten. Eine nackte und an ein Holzkreuz gefesselte Frau wird geschlagen, mit dem Blut einer geopferten Taube besudelt und anschließend von einer anderen nackten Frau in lesbisches Allerlei verwickelt. Im Publikum ist eine Person aber nur wenig von dem Lustspiel begeistert, nämlich der ehemalige Priester Vogel, der hier ganz stark an die Präsenz des Bösen glaubt. Er kann natürlich in seinem Wahn nicht wissen, daß hinter der Show nur die Geldmacherei des Journalisten Raymond Franval steckt, der zusammen mit seiner Sekretärin das ganze aus Sensationszwecken organisierte. Vogel hingegen verfällt in einen religiösen Wahn und schleppt eine Prostituierte mit auf sein Zimmer. Er überfällt sie im Namen des Guten und foltert sie, um das Böse aus ihr heraus zu treiben. Dazu gehört neben seinen Gebeten nicht nur das Entfernen der Gedärme, sondern auch das Benutzen von Stacheldraht auf nackter Haut. Eine weitere Prostituierte wird gleich zusammen mit ihrem Freier umgebracht und ein weiteres Mädchen befindet sich erneut in der Gewalt des Priesters.
Man kann nicht sagen, dass der Film unbedingt spannend ist oder einen gar mitreißt - eigentlich ganz im Gegenteil - aber dennoch strahlt er eine gewisse Faszination auf den Betrachter aus, der somit selbst zum Voyeur wird. Man ist gespannt und angewidert zugleich wie sich unserer Held nun weiter verhalten wird. Die Szenen dazwischen sind purer Trash einer ziemlich seltsamen Fantasie des Regisseurs. Am ungeheuerlichsten, aber auch unfreiwillig komischsten, ist die Szene, in der der besessene Jess (oder sollte ich hier lieber sagen Jesus) auf die schlafende Frau einsticht und man in Nahaufnahme eindeutig sieht, dass er gerade eine abgehangene Schweinehälfte malträtiert. Ist das nun unglaublich dilettantisch oder beabsichtigt? Auf jeden Fall unglaublich!
Was mich ebenfalls positiv überrascht hat, ist der Score. Offenbar von einer Zigeuner-Truppe eingespielt, passt ein grosser Teil der Musik sehr gut zu diesem Film.
Dieser sehr bizarre Franco-Film ist mal wieder das leidige Opfer des französischen Fassungsdurcheinanders geworden. Seine Originalfassung aus dem Jahre 1974 litt schon deutlich unter dem geringen Budget der Firma Eurocine, doch die anschließenden Veränderungen zu Vermarktungszwecken gaben dem Film beinahe den Rest. Dabei ist er ein Klassiker des Sexploitation-Genres und ein Frühwerk, welches für damalige Verhältnisse ungeheuer sadistische, blutige und auch sexuelle Darstellungen präsentierte. Die Original-Geschichte stammte ganz klar aus Francos Hirn, doch 5 Jahre später änderte Produzent Marius Lesoeur den Ablauf und änderte den Film mit nicht verwendetem, sowie neuem Material vollständig, um ihn unter dem neuen Titel »Sadist of Notre-Dame« ein weiteres mal gewinnbringend vermarkten zu können.
Die neue Fassung ist aber keinesfalls besser. Im Gegenteil! Die unterschiedlichen Bildqualitäten nerven schon ein wenig. Am schlimmsten macht es sich bei einer neuen, kürzlich veröffentlichten Mischfassung bemerkbar, bei der neben einigen Kürzungen auch ständig innerhalb weniger Minuten die Bildqualität des ohnehin schon bescheidenen Materials ständig in Art, Güte und Farbe hin und her wechselt. Von der Tatsache, daß drei verschiedene Sprachen und einmal sogar Untertitel auftauchen, rede ich erst gar nicht.
Fazit: Majestro Jess Franco selbst als durchgeknallter Ex-Priester Vogel macht auch vor der Kamera eine gute Figur und geht meiner Meinung nach ungewohnt gut als Hauptdarsteller in seiner Rolle auf. Seine sonst so unbeteiligt und starr wirkende Mimik verwandelt sich hier in die eines sadistischen und wahnwitzigen Mörder-Priesters. Das Filmjuwel sollte jeder Trash-Freund mal gesehen haben und ist deshalb nicht nur Franco-Fans allerwärmstens zu empfehlen. Vom US-Label Redemption gibt's seit Oktober 2012 jetzt eine Blu Ray mit mehreren Fassungen des Films, die man jedem Franco-Freund ans Herz legen kann.
