Kalla Malla
Drei junge Filmemacher haben es sich zur Aufgabe gemacht, einen Killer bei seiner alltäglichen "Arbeit" zu filmen. Mit Ben (Benoît Poelvoorde) finden sie das ideale Anschauungsobjekt, das sich gerne dazu bereit erklärt, seinen Alltag von der jungen Crew festhalten zu lassen. Ben ist ein auf den ersten Blick normaler Mann mittleren Alters, intelligent, gewitzt, symphatisch, jedoch mit der kleinen Abnormität, dass er sein Geld dadurch "verdient", Menschen zu töten. So muss zum Beispiel immer am Monatsanfang der Postbote dran glauben, der die Rentengelder ausliefert. Ebenso beliebte Opfer sind allein lebende Senioren, die laut Ben am Einfachsten auszurauben und zu töten sind.
Die drei Filmemacher fühlen sich anfangs noch von Ben abgestoßen, erliegen nach einer gewissen Zeit aber seinem Charme und verlieren sich immer mehr in dieser Welt aus Gewalt, in der der Stärkere die Macht über den Schwächeren besitzt. Der Redegewandte Killer bewegt die jungen Männer nach einer gewissen Zeit sogar dazu, ihm bei seinen perversen Taten zu helfen. Erst als einer von ihnen stirbt, realisieren die Filmemacher, auf was sie sich da eingelassen haben, doch an diesem Punkt angelangt, gibt es schon längst kein Zurück mehr...
Bei dem Versuch, sich einen unkonventionellen Serienmörderfilm in Erinnerung zu rufen, werden wohl die meisten auf kurz oder lang bei Oliver Stone's "Natural Born Killers" landen. Der obskure Skandalfilm, der wie eine blutrünstige Variante der bekannten "Romeo und Julia" Thematik auf Droge wirkt, verdrängte dabei einen weitaus kleineren Film aus Belgien, der sich dem Stoff auf eine sehr ähnliche Art und Weise annähert. "Mann beißt Hund" mag extrem harter Tobak sein, doch die eigentliche Intention der Macher, sowohl schwarzen Humor, als auch Kritik in den Streifen einfließen zu lassen, geht dabei zu keiner Sekunde verloren.
Einen Vergleich zu "Natural Born Killers" werde ich im weiteren Bericht nicht mehr anstellen, da dieser alleine schon aufgrund der sehr unterschiedlichen Budgets nicht möglich wäre. "Mann beißt Hund" ist ein Low Budget Film, bei dem die meisten der Beteiligten gleich mehrere Aufgaben übernahmen, um die Kosten gering zu halten. Durch den schwarzweißen Handkameralook wirkt das Ganze noch deutlich kostengünstiger, doch genau das ist beabsichtigt. Wer vielleicht mal gelangweilt durch das Abendprogamm zappt und dabei auf "Mann beißt Hund" stößt, wird im ersten Moment zu 100% glauben, hierbei handele es sich um eine reale Dokumentation und genau das ist das Schockierende. Lange schon vor "The Blair Witch Project" wurde diese Idee hier auf eine eindrucksvolle Weise verarbeitet, die für zartbesaitete ein ziemlich harter Schlag in die Magengrube darstellen sollte. Das amateurhafte Kamerageruckel garantiert Realismus und auch ansonsten wurde auf alles geachtet.
Durch den realen Look und den glaubwürdigen Hintergrund, hat man nicht die Möglichkeit, sich aus dem Geschehen zu entziehen und die Ausrede aufzufahren, dass es sich hierbei doch nur um einen Film handelt. Ab einem gewissen Grad ist diese Grenze nämlich nicht mehr existent und genau das wurde hier erreicht. Obwohl ich schon im Grunde genommen wesentlich härtere Filme als "Mann beißt Hund" gesehen habe, hat mich dieser Streifen in manchen Sequenzen doch sehr mitgenommen und das lässt sich einzig und allein auf die Story und deren realistische Inszenierung zurückführen.
Wo beim Lesen der Inhaltsangabe die Fronten noch klar verteilt sind, ist es beim Betrachten von "Mann beißt Hund" nicht mehr möglich, den Mörder Ben als kranken Bastard abzutun. Nein, die Macher gehen hier soweit, dass nicht nur das junge Kamerateam, sondern auch der Zuschauer selbst eine Art Beziehung zu dem geisteskranken Irren entwickelt. Wenn nämlich jemals ein Serienmörder eine natürliche Symphatie ausgestrahlt hat, dann ist dies ohne Frage Ben. Der überaus redselige Mörder wickelt einen mit seiner trotz allem natürlichen Art geschickt um den Finger, nur um einem dann letzten Endes um so brutaler an einem Punkt zu treffen, der wirklich schmerzt. Denn gerade wenn man dabei ist, den Killer gerne zu sehen und zu hören, dann überschüttet uns Regisseur Rémy Belvaux mit einem menschenverachtenden Härtegrad, der nicht immer leicht zu ertragen ist. Das ist dann auch der Punkt, an dem sich jeder Zuschauer zwangsläufig die Frage stellen wird, wie er von dem Film nur derart manipuliert werden konnte. Denn obwohl Ben reihenweise Leute ermordert, empfindet man das irgendwann als normal, lauscht gespannt den Lebensweisheiten des Killers, bis einem dann mit einer derben Vergewaltigung, sowie einem perversen Kindermord der Boden unter den Füßen weggerissen wird.
Das Faszinierende an dem Film ist die Tatsache, dass er trotz seines ernsten Grundthemas immer noch einen Lacher versteckt hält. Zwar muss man schon ein Faible für schwarzen, bösartigen Humor besitzen, doch ist der gegeben, dann bietet "Mann beißt Hund" einigen Anlass zur Unterhaltung. Wenn Ben berichtet, dass er alte, alterschwache Menschen meist zu Tode erschreckt, um so eine Kugel zu sparen, dann ist dies schon ein Schmunzeln wert. Die dazugehörigen Bilder sind zwar alles andere als schön anzusehen, aber eine gewisse Faszination geht vom Geschehen aus, eben weil man nicht umhin kommt, den amüsanten Erklärungen des Killers gebannt zu lauschen. Und spätestens dann, wenn Ben einem zuvor getöteten Schwarzen die Hose öffnet, um zu sehen, was an dem gemeinhin wohl bekannten Gerücht dran ist, und dann vor Staunen den Mund fast nicht mehr schließen kann, wird spätestens klar, dass "Mann beißt Hund" nicht ausschließlich harte Provokation sein will.
Ohne überzeugende Schauspieler kann ein Film wie "Mann beißt Hund" nicht funktionieren, da eine Verbindung zu den Akteuren aufgebaut werden muss. Dessen war sich auch Rémy Belvaux bewusst, der den Streifen ausschließlich mit Darstellern besetzte, die einem die Freudentränen in die Augen treiben. Insbesondere Benoît Poelvoorde als verschlagener Killer ist eine Offenbarung. Er spielt so unheimlich, wie man eine derartige Rolle nur rüberbringen kann, schafft es aber dennoch, das Publikum beinahe schon magnetisch auf seine Seite zu ziehen. Wenn das keine große Schauspielkunst ist, also dann weiß ich auch nicht. Auch in den restlichen Parts ist "Mann beißt Hund" super besetzt, auch wenn diese meist in den Hintergrund rücken, um Benoît Poelvoorde Platz zu machen.
Fazit: Durch seinen realistischen Umgang mit Gewaltdarstellungen und seiner authentischen Aufmachung ist "Mann beißt Hund" nicht für jeden zu empfehlen, doch wer damit keine Probleme hat, wird hiermit einen Film sehen, den man so gewiss nicht häufig findet. "C'est arrivé près de chez vous", so der Originaltitel des Films, ist ein 90 minütiger Einblick in das Leben eines Killers, in dessen Denkweise und Moral. Dass dabei kein massenverträglicher Film entstehen kann, sollte nicht wundern, doch gerade deshalb ist das Resultat ein ebenso verstörendes, wie humorvolles Must See für Freunde des unkonventionellen Films.