Kalla Malla
Ein Apartment mit dunkler Vergangenheit in einem Haus voller leicht unheimlicher Bewohner: Das ist die Bühne für Roman Polanskis fesselnden Thriller. Polanski spielt Trelkovsky, einen stillen, schüchternen Angestellten, dessen unspektakuläres Leben nach dem Einzug in die neue Wohnung zunehmend von dunklen Ängsten überschattet wird. Auch die anderen Hausbewohner tragen nicht gerade dazu bei, seinen Verfolgungswahn zu mildern. Immer tiefer verstrickt er sich in seine Fantasien über das tragische Schicksal seines Vormieters. Ist Trelkovskys Furcht wirklich berechtigt - oder ist alles nur krankhafte Einbildung?
Selten hat ein Film so beunruhigend und hautnah den Übergang von neurotischem Verhalten in erschreckenden Wahnsinn dargestellt. Ähnlich wie in seinem Frühwerk »Ekel« bleibt Polanski ganz bei seiner Hauptfigur und macht ihre Angst und Unsicherheit in jeder Minute spürbar. Dabei gelingen ihm ebenso surreale wie absurd-komische Sequenzen. Wer keine Gänsehaut verspürt, wenn Trelkovski aus seinem Fenster blickt und im Fenster gegenüber...sich selbst sieht, oder wenn die körperlose Gegenwart seiner verunglückten Vormieterin immer mehr Besitz von ihm ergreift (er raucht ihre Zigaretten, trinkt ihren Kakao, schließlich verkleidet er sich als sie), der hat wirklich starke Nerven.
»Der Mieter« bewahrt all seine Geheimnisse, der Film erklärt nichts, er zeigt nur, und die offenen Fragen sind furchterregender als jede Antwort. Als Trelkovski spielt Polanski überwältigend authentisch und sensibel. Man möchte ihm so lange helfen, bis man selbst Angst vor ihm bekommt. Ihm zur Seite stehen Filmgrößen wie Melvyn Douglas, Isabelle Adjani und Shelley Winters.
Neben einigen Reminiszenzen an sein eigenes Werk (insbesondere »Rosemary's Baby«) ist »Der Mieter« eine ganz und gar eigene Arbeit, die mit keinem Film vergleichbar ist. Als »Der Mieter« in Cannes uraufgeführt wurde, blieb er unverstanden. Heute gilt er als einer der größten Horrorfilme überhaupt, ein großes künstlerisches Werk über die Ängste eines unsicheren Menschen, der an der Kälte seiner Umwelt zugrunde geht. Ein Meisterwerk!
Fazit: »Der Mieter« (»Le Locataire«) aus dem Jahr 1976 ist und bleibt für mich Polanskis großartigstes Filmwerk.