Kalla Malla
»Bis das Blut gefriert« (»The Haunting«) erzählt von einer Gruppe, angeführt von einem Parapsychologen (Richard Johnson), die in dem düsteren »Hill House« geisterhaften Vorgängen auf den Grund gehen will. Neben atmenden Türen, lautem Hämmern und mysteriösen Wandbeschriftungen konzentriert sich Wises Film aber hauptsächlich auf die fragile Persönlichkeit Eleanor, die meisterhaft von Julie Harris gespielt wird. Eleanor ist eine unterdrückte Frau, die vom Schrecken des Geisterhauses am nachhaltigsten betroffen wird, in ihm aber schließlich einen Ort der Zuflucht, ein Zuhause, findet, wo sie sich für immer vor der Welt verstecken kann.
Vor fast genau 50 Jahren kam »Bis das Blut gefriert in die Kinos und gilt heute als einer der großen Klassiker des Horrorgenres, obwohl - oder gerade weil - der Film es vermeidet, je explizit zu werden. Sichtbar ist von dem Spuk fast gar nichts, die meiste Zeit über bleibt es bei Andeutungen. Unheimliche Geräusche, Poltern, Temperaturschwankungen, unerklärte Schriftzüge, sich selbständig schließende und öffnende Türen - mehr brauchte Regisseur Robert Wise seinerzeit nicht, um sein Publikum in Angst und Schrecken zu versetzen. Das geht so weit, dass bis zum Schluss nie wirklich klar wird, ob die Ereignisse überhaupt real oder doch nur Einbildung sind.
Das liegt vor allem daran, dass Hauptfigur Eleanor, durch die Erfahrungen mit ihrer sterbenden Mutter zutiefst traumatisiert, selbst diese Grenzen nicht mehr ziehen kann. Im Laufe des Films erliegt sie immer mehr dem Bann des Hauses und verliebt sich in den Gedanken, dass Hill House sie will. Und nur sie. Tatsächlich war Drehbuchautor Nelson Gidding, der im Auftrag von Wise den Roman „The Haunting of Hill House“ von Shirley Jackson adaptierte, der Ansicht, es handelte sich bei der Vorlage überhaupt nicht um eine Geschichte über Geister, sondern die einer psychisch gestörten Frau. Ansonsten recht werkgetreu gehalten, wurde bei der Verfilmung daher der klar übernatürliche Teil reduziert.
»The Haunting« von Robert Wise, nach dem Schauerroman von Shirley Jackson, gehört zu den Beispielen klassischen Horrors, in denen mehr angedeutet als gezeigt und so eine beklemmende Atmosphäre latenten Schreckens erzeugt wird - eine simple Wahrheit, die heute leider keine Beachtung mehr im modernen Kino findet.
Zwar hat auch dieser Film seine Schwächen (die Voice-Over-Monologe von Julie Harris, die Figuren sind oft zu selbstsicher), aber er steht immer noch haushoch über heutigen Produktionen, die teure Special Effects einsetzen, wo ein leises Raunen aus dem Dunkeln vielfach effektiver wäre - besonders deutlich wird das natürlich an Jan De Bonts direktem Remake »Das Geisterschloss«, wo von subtilem Grauen keine Spur mehr zu finden ist.
Robert Wise liefert uns mit »The Haunting« den Beweis, dass ein Geisterhaus-Film ohne irgendwelche sichtbaren Schrecken funktionieren kann. Und wie! Mit der Glaubhaftigkeit der Figuren, der Kameraführung, Ausleuchtung und Musik, den Kulissen sowie dem Schnitt und der Drehbuchfassung von Nelson Gidding ist es Robert Wise gelungen, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren, die einem langsam, aber sicher hinunterzieht in eine Welt, deren Werte und Gesetze tief in uns schlummern, von uns aber verdrängt wurden und immer noch werden.
Fazit: Klassische Spukgeschichte, die ganz ohne Blutvergießen und spektakuläre Trickeffekte ein Höchstmaß an Spannung und Gänsehaut erzeugt. Ein echter Tip, nicht nur für eingeschworene Genrefreunde. Nicht nur was Horrorfilme angeht, gehört für viele »The Haunting« zu den besten Filmen aller Zeiten.