Kalla Malla
Teenagerin Nina (Luna Schweiger) ist Waise und hat etwas gesehen, was sie nicht hätte sehen sollen. Einen Mord. Weil sie das in höchste Gefahr bringt, lässt Staatsanwältin Sara Müller (Karoline Schuch) das Mädchen in ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen. Müller ist entschlossen, die Tat aufzuklären, koste es, was es wolle. Doch Thomas Backer (Heiner Lauterbach), der ebenso einflussreiche wie gewissenlose Drahtzieher des Verbrechens, setzt alles daran, die einzige Tatzeugin zu beseitigen. Zum Glück hat Nina Saras Ex-Freund Max Fischer (Til Schweiger) auf ihrer Seite, ein ehemaliger, hochdekorierter Elitesoldat der Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr - KSK. Er versucht, seinen Schützling aus der Schusslinie von Backers Schergen zu bringen, doch die Gegner sind hartnäckig. Um Nina zu schützen, legt er sich sogar mit Polizeichef Henri Brietner (Herbert Knaup) an. Doch die Verfolger bleiben hartnäckig und bringen auch noch Max´ Freundin Helena (Hannah Herzsprung) in Gefahr. Er sucht schließlich Unterstützung bei Rudi (Moritz Bleibtreu), einem früheren Kriegskameraden, und der sieht letztlich nur eine Lösung: Max muss Backer ausschalten, und dabei will Rudi ihm Rückendeckung geben...
Til Schweiger wäre gern Ben Affleck. Charismatischer Actionheld im großen Kinoformat, ambitionierter Thriller-Regisseur im Zweitberuf. Allerdings hätte Schweiger schon mit charismatischer Actionheld genug zu tun. Dass er beispielsweise als Totschläger gute Figur machen kann, hat er in Quentin Tarantinos »Inglourious Basterds« eindrucksvoll bewiesen – und kam dabei völlig ohne Dialogzeile aus. Seitdem hat er sich immer mal wieder in Hartschale geschmissen, als auftragskillernder »Eisbär«, als skrupelloser Rennfahrer in »Driven«, kriegsgestählter deutscher U-Boot-Kapitän aus »In Enemy Hands«, erfolgshungriger Überflieger in »One Way«, oder als angeblicher Vergewaltiger in »Rache – Vergeltung hat ihren Preis«. Die Liste ließe sich verlängern, und die Titel haben eines gemeinsam: Sie sind – außer für eingefleischte Schweiger-Fans – ziemlich unbekannt. Der Erfolg, der ihm bei seinen Komödien geradezu nachläuft, ist dem taffen Til bisher versagt geblieben. Aber Actionheld spielen, markig sprechen und dann auch noch Regie führen, kann nicht jeder.
Dass auch noch die eigene Tochter Luna neben ihm die zweite Hauptrolle spielt, hat ebenfalls nicht geholfen. Aber so konnten Vater und Tochter wenigstens eine Menge Quality-Time miteinander verbringen. Im zartfühlenden Dialog mit der Tochter lässt Schweiger so viel Zeit vergehen, dass man schon das Sandmännchen ums Eck biegen sieht. Dazwischen wird geballert, was das Zeug hält. Internationales Thriller-Niveau erreicht der »Schutzengel« trotzdem niemals, auch wenn im Hintergrund als großes Vorbild ein Ben-Affleck-Thriller im Fernsehen läuft. Den schaut sich Luna Schweiger in ihrer Rolle als Nina an, während sie sich vor dem Todesschwadron eines Waffenschiebers (grimmig: Heiner Lauterbach) versteckt. Als Zeugin eines Mordes befindet sie sich ständig im Kugelhagel, begleitet von Papa Til als ihrem persönlichen Polizeischutz.
Schweiger ringt um großes Kino, indem er vor allem sprechende Köpfe zeigt – und das in rasender Abfolge. Alle haben Großaufnahmen, sogar die Kaffeemaschine. Dazwischen unterbrechen völlig überzogene Verfolgungsjagden das elende Gequatsche. Und Moritz Bleibtreu sitzt als beinloser Afghanistan-Veteran in Rollstuhl. Angeblich hat Schweiger ja deutschen Soldaten in Afghanistan als Erstes seinen Film gezeigt. Abschreckung in jeder Hinsicht.
Dabei setzt Schweiger auf die bewährten Elemente seiner bisherigen Arbeiten: Humor und Zwischenmenschliches. Trotz aufwendig inszenierter Schießereien und Explosionen ist »Schutzengel« kein echter Actionfilm. Es scheint so, als habe Schweiger Angst, seine Fans durch zu harte Action zu verschrecken. Der Patronenverbrauch ist zwar immens, doch gerade dadurch wirken manche Szenen unfreiwillig komisch: Es hat etwas von einer Actionpersiflage, wenn ein Dutzend schwerbewaffnete Waffenmänner eine völlig frei auf einer Wiese stehende Scheune unter Beschuss nehmen, Max sie aber alle erledigt.
Dass Schweiger selbst sicherlich nicht der begnadeste Schauspieler ist, ist bekannt, doch schafft er es immer wieder, sich Rollen auf den Leib zu schreiben, in denen er durchaus überzeugen kann. So auch der knallharte Ex-Soldat mit weichem Kern, den er überzeugend zum besten gibt. Während seine Tochter Luna gerade in den Actionsequenzen einige Probleme zu haben scheint, macht sie ihre Sache in den ruhigeren Momenten überraschend gut. Als kleiner Scene Stealer erweist sich zudem Moritz Bleibtreu, dessen Szenen sich als die stärksten des Films entpuppen. Als kleine Platzhirsche gefallen zudem Heiner Lauterbach und Herbert Knaup, die in ihren kleinen Rollen sichtlich aufgehen und deren Spaß beim Drehen sich mühelos auf den Zuschauer überträgt.
Fazit: Til Schweiger und Action passen zusammen. Mit Dialogen wie man sie aus »Keinohrhasen« kennt und Actionszenen, die man so noch nicht gesehen hat. Die Mischung aus Action und Emotionen wird im Kino sicherlich ihre Fans finden. Es gibt einige schön choreografierte Actionszenen in diesem deutschen Thriller, der sich anstrengt, möglichst amerikanisch auszusehen, und einen grandios kauzigen Moritz Bleibtreu, der als rollstuhlfahrender Afghanistan-Veteran Behindertenwitze macht. Doch beim Versuch neue Wege zu gehen, schlingert Schweiger doch ein bißchen. Wer damit zufrieden ist, zuzusehen, wie Leute »abgemurkst« werden, bietet »Schutzengel« sicherlich genügend spannende Szenen. Wer sich allerdings von einem Film auch etwas Intelligenz erwartet, wird woanders sicherlich besser bedient.