Kalla Malla
Es gibt nicht viele deutsche Underground Regietalente, die auch über die Grenzen des Genrefilmes hinaus Anerkennung erhalten haben. Und wenn ich ehrlich bin, fällt mir außer Jörg Buttgereit auch kein einziger ein. "Nekromantik" ist schon fast skandalöses Kulturgut und strahlt, trotz mehr als ausreichend vorhandener Ekelszenen, die den Film und vorallem dessen Fortsetzung natürlich auch als einfaches Skandalfilmchen mit Splattercharme anschaubar machen, eine sehr künstlerische Stimmung aus. Und genau das ist es, was Butis Filme nicht nur in meinen Augen so besonders machen. Denn egal wie krass der Inhalt und das Gezeigte auch ist: es ist wunderschön gefilmt und keineswegs plakativ in Szene gesetzt. Ästhetik ist hier das Zauberwort.
Bei "Der Todesking" verhält es sich ganz ähnlich: wir sehen 7 Wochentage und 7 (Selbst)morde. So simpel das klingt, so simpel ist es dann prinzipiell auch - jedoch hat hier nicht Fred Vogel Regie geführt, sondern Buttgereit. Und man merkt hier wiedermal, wieviel Mühe er sich gibt, dem Zuschauer ein möglichst unangenehmes Gefühl zu verpassen. Während alle Episoden recht friedlich und eigentlich uninteressant beginnen, werden sie immer unangehmer und haben alle ihren eigenen Reiz. Umrahmt wird das ganze durch Einstellungen einer verwesenden Leiche, die realer nicht hätte ausfallen können.
Zusätzlich sind auch diverse Szenenübergänge und Kamerafahrten so dermaßen clever inszeniert, dass man als Zuschauer nicht weiß, ob man sich jetzt seinen Gefühlen hingeben- und sich elendig deprimiert fühlen soll, oder ob man völlig begeistert auf die Inszenierung schaut, die in so vielen Einstellungen schöner nicht hätte ausfallen können.
Am meisten hat mich die Episode begeistert, in der man Aufnahmen eines Bauwerks, sowie verschiedene Nameseinblendungen sieht. Was anfangs wie die Creditsequenz zu einem Fernsehkrimi wirkt, schlägt einem bald mit gnadenloser Härte ins Gesicht, als sich das Betongebäude als ultra hohe Brücke entpuppt, deren Fußgängerübergang lediglich mit einem hüfthohen Geländer ausgestattet ist. Und plötzlich wird einem klar, dass die Namen am Anfang keine Mitarbeiter an einem Filmset waren: das waren Leute, die sich auf dieser Brücke ihr Leben nahmen.
Zusätzlich punktet Buttgereits Auge fürs Detail, denn zum einen sind an vielen Stellen Poster zu seinen anderen Filmen erkennbar, sondern auch der Soundtrack erinnert an ein paar Stellen an das Gänsehautstück in "Nekromantik". Filmfans wird außerdem der eigentlich recht offensichtliche Bezug zu "Ilsa - She Wolf Of The SS" auffallen, sowie man den ersten Selbsmord eines Herren Barsch in einer Badewanne, sehr einfach auch als Anspielung auf Uwe Barschel deuten kann.
Und wenn wir schonmal bei Barschel sind: nachdem 1992 ein damals noch unbekannter Filmemacher namens Uwe Boll ein Film über dessen Tod drehte, legte dieser ein Jahr später mit einem Hassmanifest mit dem Namen "Amoklauf" nach. Und ich verwette meine Filmsammlung, dass Uwe Boll "Der Todesking" als Inspirationsquelle nahm. Denn von der Atmosphäre, der Kompromisslosigkeit, sowie der Art des Filmes, ähneln sich "Der Todesking" und "Amoklauf" doch gewaltig ... bloß dass ersterer 4 Jahre vorher entstand.
Mit "Der Todesking" hat Jörg Buttgereit wiedermal gezeigt, dass der deutsche Underground mehr zu bieten hat, als Ittenbach oder Schnaas. Der Film lebt von seiner Atmosphäre und fantastischen Inszenierung, allerdings kann man sich nach dem Anschauen für ein paar Stunden von seiner guten Laune verabschieden, denn der Streifen zieht einen schon böse runter...