Kalla Malla
Man sollte sich von dem irreführenden deutschen Titel »Hemmungslose Liebe« nicht täuschen lassen. »Possessed« (O-Titel) ist kein kitschiger Schmachtfetzen, sondern ein »Film Noir«-Melodram, das voll und ganz auf die grandiose Joan Crawford zugeschnitten ist, die hier eine sensationelle Leistung zeigt.
Dass wir es hier mit einem nicht ganz typischen Crawford-Film zu tun haben, zeigt bereits der beeindruckende Filmanfang, wenn Crawford verwirrt und ohne Make-Up durch Los Angeles im Morgengrauen streift. Diese Einführung ist ganz und gar unglamourös und reinster »Film Noir«. Eine Welt ohne Mitleid, eine Stadt ohne Anteilnahme, und eine Frau ohne Erinnerung. Wenig später wird sie ins Krankenhaus gebracht, und ähnlich wie in Crawfords großem Hit »Mildred Pierce - Solange dein Herz schlägt« wird die Geschichte von »Possessed« in Rückblenden erzählt.
Hatte die Crawford in ihren Filmen oft alles unter Kontrolle, hat sie hier nichts unter Kontrolle - nicht ihre Gefühle, ihre Handlungen und schon gar nicht ihren Verstand. »Possessed« ist die Geschichte einer Psychose, die durch eine Zurückweisung in Gang gesetzt wird. Joan Crawford liebt Van Heflin, doch der beendet ihre Liebesaffäre. Aber Crawford liebt und liebt und liebt, bis sie nicht mehr zwischen Realität und Fantasie unterscheiden kann. Ihre Wahnvorstellungen führen schließlich zu Mord. Ganze Filmsequenzen entpuppen sich als Crawfords Einbildung - ein Stilmittel, welches das damalige Publikum nicht unbedingt gewohnt war.
Regisseur Curtis Bernhardt findet immer wieder expressionistische Bilder, um Crawfords Seelenzustand einzufangen. Die Darsteller spielen mit hohem Tempo - Joan Crawford spricht stellenweise so schnell und zeigt dabei so verschiedene Emotionen, dass es eine reine Freude ist, ihr zuzusehen. Für mich ist Crawfords Leistung in »Possessed« die Beste ihrer Karriere, gerade weil sie vielfach vom Image der Schauspielerin abweicht. Und obwohl sie nicht gerade eine Sympathieträgerin spielt, ist man als Zuschauer immer bei ihr. Wenn ich überhaupt etwas am Film aussetzen wollte, wäre es die Besetzung von Van Heflin, der für mich als Objekt einer besessenen Liebe (gleich mehrerer Frauen) nicht nachvollziehbar ist, aber da der Film dies gleich zu Beginn klarstellt und ernst nimmt, schmälert es nicht die Wirkung des Films.