Kalla Malla
In einer streng geheimen Chemiefabrik mitten im Herzen Neuguineas kommt es bei einer Versuchsreihe mit neuartigen Viren zu einem schwerwiegenden Unfall, in dessen Folge ein hochgefährliches Giftgas austritt, welches bei näherem Kontakt nicht nur ein sofortiges Ableben bewirkt, sondern die Verstorbenen kurz darauf als Untote mit kannibalistischen Ambitionen ins Leben zurückkehren lässt. Um einige geheime Dokumente verschwinden zu lassen und ganz nebenbei die fleischfressenden Zombies wieder unter die Erde zu schicken, wird daraufhin eine vierköpfige Söldnertruppe in das Krisengebiet abgesandt. Was die Soldaten in Neuguinea allerdings erwartet, übertrifft ihre schlimmsten Befürchtungen, sind doch inzwischen bereits ganze Landstriche unaufhaltsam von den Zombies überrollt worden. Der Geheimauftrag entwickelt sich somit nach kürzester Zeit zu einem blutigen Selbstmordkommando, das nicht gerade dadurch erleichtert wird, dass die Söldner alsbald noch unfreiwillige Verstärkung durch ein französisches Reporterpärchen erhält, das während der Produktion eines Dokumentarfilmes ganz unvermittelt in die grausamen Geschehenisse hineingezogen wurde. Gemeinsam schlägt sich das ungleiche Sextett daraufhin durch den unbarmherzigen Dschungel, wird bei einem Eingeborenenstamm Zeuge perverser Riten und stellt sich in der Fabrikanlage zum finalen Blutvergießen schließlich einer schier unbezwingbaren Übermacht an Untoten...
Als ein gewisser George A. Romero mit seinem persönlichen Meisterwerk Dawn of the Dead im Jahre 1978 einen Meilenstein des noch jungen Zombiefilms setzte, dauerte es erwartungsgemäß nicht lange, bis man auch andernorts ein Stück vom Kuchen des Erfolgs abhaben wollte. So sollte das Horrorkino in den 70er und 80er Jahren einen wahren Zombie-Boom erleben, welcher der Filmgeschichte bis heute nicht nur einige bedeutende Klassiker, sondern auf der anderen Seite auch so manche desaströse Trash-Bomben bescherte, die sich im Laufe der Jahre bestenfalls durch ihre allumfassende, inszenatorische Unfähigkeit einen Platz im Herzen der Fans sichern konnten. Würde man nun die italienisch-spanische Koproduktion Virus aka Die Hölle der lebenden Toten in eine jener Extreme einordnen müssen, es wäre wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Kein Wunder, war mit Exploitationfilm-Ikone Bruno Mattei, der in früheren Jahren vor allem mit reißerischer Nazisploitation (SS Extermination Camp, SS Girls) oder anstößigen Mondos (Alle Perversionen dieser Welt, Libido Mania) auf sich aufmerksam machte, doch kein geringerer als die italienische Massenvernichtungswaffe des gesunden Filmgeschmacks für die Regie des Zombie-Splatterfilms verantwortlich und inszenierte damit ein ungemein trashiges Dawn of the Dead-Ripoff, das bis heute zu den denkwürdigsten Werken der damaligen Ära zählt. Mattei, der Mann der 1000 Pseudonyme, der sich stets offen dazu bekannte, dass seine Streifen rein finanzielle Absichten verfolgten, ging bei seiner offensichtlichen Nachahmung bekannter Werke sogar so weit, dass er sich für Die Hölle der lebenden Toten nicht nur unautorisierte Szenen aus anderen Filmen "lieh", nein, als Krönung wird an vielelerlei Stellen sogar der direkt übernommene Score aus Dawn of the Dead angespielt. Dies alleine spricht ohne Frage schon für sich, wird dann aber von der zweifelhaften Qualität des Films noch einmal problemlos in den Schatten gestellt.
Dieser 96-minütige, sagenhaft trashige Marathon des Ideenklaus wurde der Welt unter anderem noch als Virus cannibale, Night of the Zombies, Zombi 4, Zombi 5: Ultimate Nightmare, Zombie Creeping Flesh, Inferno dei morti viventi oder Hell of the Living Dead verkauft, doch es hilft alles nichts. Selbst bei 100 alternativen Titeln würde sich Die Hölle der lebenden Toten noch problemlos an die Speerspitze des zum Kult avancierten Schwachsinns positionieren. Bruno Mattei hegte offensichtlich eine derartige Verehrung für George A. Romero, dass er sich für dieses Werk das Pseudonym Vincent Dawn aneignete, das er auch in späteren Werken noch oftmals aufgreifen sollte. Ob sich Romero mit dieser Ehrerbietung und dem unverholenen Diebstahl seines Soundtracks allerdings sonderlich geschmeichelt fühlte, darf bezweifelt werden, beginnt die lange Liste inszenatorischen Unvermögens im Falle von Die Hölle der lebenden Toten doch schon bei der Story. Der unter anderem von Claudio Fragasso (Women's Prison Massacre, Troll 2) zu Papier gebrachten Handlung wurde eine grob blödsinnige Öko-Botschaft aufgesetzt, die aber schon beim leisesten Windhauch unbeholfen in sich zusammenfallen dürfte und onehin nur als rudimentäres Fundament für das volle Programm an schwachbrüstiger Zombie-Action zu werten ist. Wieder einmal sind es die priviligierten Industriestaaten, die aus purem Eigennutzen und auf Kosten eines Dritte-Welt-Landes die titelgebende Hölle entfesseln, was hier in Form einer kostengünstig inszenierten Chemiefabrik geschieht, die mehr oder minder versehentlich ein Giftgas entlässt und in der Folge ganze Landstriche zombifiziert. Autsch! Um die Sache wieder ins Lot zu bringen, wird anschließend eine vier Mann starke (!) Spezialeinheit in blauen Overalls in das Gebiet geschickt, um den bösen Untoten dezent auf die Fingerchen zu klopfen. Schnell wird aber ersichtlich, dass unsere werten Dschungelrambos für die anstehende Aufgabe in etwa so viel auf dem Kasten haben wie ein vermoderter Zombie in punkto Feinmotorik. So ist die sogenannte Spezialeinheit nicht viel mehr als ein zusammengewürfelter Haufen von Vollpfosten und Dilettanten, deren Krönung ohne Frage der Charakter des Zantoro darstellt, der mehrere Male mitten in eine Horde Zombies hineinrennt und die Untoten mit wirren Sprüche und geisteskranken Blicken traktiert, während er wie ein Irrer auf LSD zwischen ihnen auf und ab springt. Dies ist jedoch noch nichts im Vergleich zu einer späteren Szene des Films, in der einer der Knallchargen im Keller eines Familienhauses ein grünes Kleid vorfindet, sich dieses kurzerhand überstreift und vor einigen anrückenden Zombies eine ebenso kuriose wie verstörende Tanzeinlage aufs Parkett legt. Von sympathischen oder gar geistig zurechnungsfähigen Protagonisten ist Die Hölle der lebenden Toten somit in etwa so weit entfernt wie etwa die Hälfte der Szenen dieses Films von einer Daseinsberechtigung. Verbessert wird dies zu einem späteren Zeitpunkt dann nicht gerade dadurch, dass noch ein wahnsinniger Dokumentarfilmer mit Pornoschnauzer, sowie seine bildhübsche Kollegin ins Spiel kommen, welche sich bei der erstbesten Gelegenheit ihrer Kleidung entledigt und sich obskure Zeichen auf die Brüste malt, um auf diese Weise einen Stamm gefährlicher Eingeborener zu besänftigen.
Wem dies noch nicht ausreichend erscheint, der darf sich auf unvermittelte Handlungssprünge, denen jede Kontinuität verloren geht ebenso freuen wie auf spontane Tag-Nachtwechsel innerhalb einer Szene, während die bescheuerten Dialoge oftmals vermuten lassen, dass der Drehbuchautor in einer frühen Entwicklungsphase des Films als Headshot-Dummie zweckentfremdet wurde. Da hat ein ein Mitglied unserer debilen Blue-Suit-Group doch tatsächlich nichts Besseres zu tun, als die Reporterin Lia während eines Zombieangriffs auf ein Sektfrühstück einzuladen. Man würde es nicht glauben, wenn es in Die Hölle der lebenden Toten nicht in all seiner herrlichen Hirnlosigkeit zu sehen wäre. Den dicksten Bock schießen dann allerdings die Szenen mit dem Eingeborenenstamm, die nicht nur unverholen aus dem 1974 erschienen Mondo Gesichter des Sterbens geklaut wurden, sondern sich im Rahmen von Matteis Zombie-Clash in keinster Weise mit der restlichen Handlung decken. Für eine gefühlte Ewigkeit dürfen wir seltsamen Riten, nackten Buschmännern und ekeligen Madenverspeisungen beiwohnen, was den Film merklich in die Länge zieht und wie erwähnt keinerlei (!) notwendigen Kontext in dem Film findet. Um dann allerdings doch eine gewisse Verbindung zu dem entwendeten Material herzustellen, drehte Bruno Mattei selbst noch einige Szenen eines primitiven Stammes und fügte diese mit den Aufnahmen aus Gesichter des Sterbens zusammen. Blöd nur, dass weder die als Ureinwohner geschminkten Afroamerikaner, noch die gänzlich anders aussehenden Bambushütten auch nur im Entferntesten mit dem Ausgangsmaterial übereinstimmen.. Nicht in dieser Form nervtötend, aber zumindest genau so kurios fallen dann die zahlreichen Tieraufnahmen aus, die hierfür aus dem französischen Film La Vallée entwendet und kreuz und quer ohne jeden Zusammenhang in Die Hölle der lebenden Toten eingestreut wurden. Ist man nun als kleinlich einzustufen, wenn sich einem da die dezente Frage aufwirft, warum denn nun springende Affen, hysterische Elefanten, aufgebrachte Vögel oder rennende Hyänen plötzlich mitten in eine Dialog-oder Actionszene geschnitten werden müssen? Man wird es wohl nicht mehr erfahren, aber Ed Wood hätte es zweifellos nicht besser machen können.
Bis hierhin ist also festzuhalten, dass es sich bei Die Hölle der lebenden Toten in seiner Quintessenz um einen zum Schreien komischen Dünnpfiff eines Films handelt, doch betrachtet man das Ganze nun nüchtern als bewusst stumpfsinnigen Zombie-Trash, dann kristalliert sich die Intention des Herrn Mattei so langsam aber sicher heraus. Der Film soll in seiner plumpen Aneinanderreihung von Blut, Brüsten und Blödsinn lediglich anspruchslos unterhalten und zumindest dies gelingt ihm phasenweise erstaunlich gut. Wenn sich die grenzdebile Spezialeinheit wiederholt einer anrückenden Zombietruppe stellt und dabei auch beim x-ten Mal noch Unmengen an Munition in Bauch- und Brustbereich pumpt, obwohl im Film selbst schon die Tatsache geklärt wurde, dass man ihnen lediglich in den Kopf schießen müsse, dann ist das immer wieder ein Höhepunkt der unfreiwilligen Komik. Ebenso fehlt es den Untoten an jedweder einheitlichen Erscheinungsform, denn während manche mit der blaugrünen Schminke von Romeros Vorbild aufwarten, lassen andere eher eine Referenz an die vermoderten Wiedergänger aus Lucio Fulcis Woodoo erkennen. Herrlich. In den Charme des billig-italienischen Schmodderkinos reihen sich die obligatorischen Goreszenen ein, die natürlich auch in Die Hölle der lebenden Toten nicht fehlen dürfen. Bei einer Vielzahl typischer Fressszenen gibt sich Bruno Mattei unter diesem Gesichtspunkt zunächst einfallslos, bis später noch etwas Abwechslung Einzug in das blutige Treiben erhält. Splattriger Höhepunkt ist dabei die Szene, in der sich die Zombies plötzlich ungewohnt sadistisch zeigen und einer jungen Frau nicht nur die Zunge herausreißen, sondern ihr anschließend auch noch die Augen von hinten aus den Höhlen drücken. Obwohl der Effekt dabei sofort als solcher zu erkennen ist, kommen die Splatterfans somit vereinzelt doch noch auf ihre Kosten. Bei den Schauspielern wurden derweil augenscheinlich drastische Einsparungen vorgenommen, da hier beinahe durchgängig ein solches Overacting an den Tag gelegt wird, als ging es bei den Dreharbeiten damals um Leben und Tod. Stellvertrend sei hier das Schauspiel von Franco Garofalo genannt, der mit seinen völlig überdrehten Mimiken und Aktionen jedem Zombie problemlos den Schrecken raubt und dem seine Kollegen in dieser Hinsicht in nichts nachstehen.
Fazit: Virus aka Die Hölle der lebenden Toten ist somit ein filmgewordener Widerspruch. Obgleich Bruno Matteis trashige Anhäufung von geklautem Material und purem Stumpfsinn in keinster Weise ernst genommen werden kann, fährt diese absolut kuriose Untoten-Sause dennoch einen stimmigen Unterhaltungswert auf, der mit billigem Italo-Schmodder, grenzenlosem Overacting und einem absolut gefälligem Synth-Score jeden DVD-Abend unter trashgeprüften Kollegen gewaltig bereichern dürfte. Würde die oftmals unpassende Szenenverwurstung dümmlicher Tier- und Eingeborenenaufnahmen das Tempo des Films nicht immer wieder merklich ausbremsen, so könnte Die Hölle der lebenden Toten glatt der Status als naiver Trash-Geheimtipp ausgesprochen werden. Doch auch so macht der Schund von Exploitation-King Bruno Mattei noch ordentlich Laune, auch wenn es einem Verrat an jedweden filmischen Werten gleichkäme, hier von einem auch nur ansatzweise inszenatorisch wertvollen Streifen zu sprechen. Die Hölle der lebenden Toten ist auf Zelluloid gebannter, dreist zusammengeklauter Unfug der übelsten Sorte, doch gerade als solcher ein einmaliges und sündiges Vergnügen.