Kalla Malla
Der 17 jährige Bill Whitney (Billy Warlock) hat im Grunde alles, was man sich für ein zufriedenes Leben wünschen kann. Er sieht gut aus und wohnt mit seiner wohlhabenden Familie in einem beschaulichen Haus in Beverly Hills. Alles könnte perfekt sein, wäre da nicht dieses ungute, unerklärliche Gefühl, das Bill schon seit geraumer Zeit beschleicht. Mehr und mehr verdichten sich seine Befürchtungen, von seinen Mitmenschen nicht akzeptiert zu werden, selbst seine Eltern behandeln ihn wesentlich abweisender als seine Schwester Jenny (Patrice Jennings). Da vertraut sich ihm eines Tages der Außenseiter Milo (Evan Richards) an, der schon länger in Jenny verliebt ist und ein äußerst beunruhigendes Tonband parat hat. Auf diesem ist zu hören, wie seine Eltern auf einer ausschweifenden Party mit seiner Schwester und anderen Leuten Sex haben und anschließend jemanden töten.
Bill wendet sich hilfesuchend an seinen Psychiater, der allerdings mehr zu wissen scheint, als er preiszugeben bereit ist. Es scheint, als könne Bill niemandem mehr vertrauen, jeder scheint mit seinen Eltern unter einer Decke zu stecken. Als Milo kurz darauf getötet und Bill zwangsweise in eine Anstalt eingewiesen wird, ahnt der Teenager noch nicht, dass ihm das Schlimmste noch bevorsteht. Wie er bald feststellen muss, sind seine Eltern und viele andere, wohlhabende Bewohner Beverly Hills' Mitglieder einer "Gesellschaft", die ihre "normalen" Mitmenschen auf perversen Partys im wahrsten Sinne des Wortes aussaugen. Und Bill ist der nächste auf ihrer Speisekarte...
Der Name Brian Yuzna sollte im Grunde jedem, der sich des öfteren mit Horrorfilmen auseinandersetzt, ein Begriff sein. Erstmalig trat Yuzna 1985 als Produzent für den mittlerweile als Kultfilm gehandelten "Re-Animator" in Erscheinung, woraufhin er noch viele weitere Genre-Streifen produzierte, bis er 1989 schließlich seinen ersten, eigenen Film drehte - "Society". Aus heutiger Sicht zählt sein Debut allerdings zu seinen eher unbekannten Werken, da die meisten Horrorfans Brian Yuzna wohl in erster Linie mit "Bride of Re-Animator", "Return of the Living Dead III", "Faust" und den "Dentist" Filmen in Verbindung bringen. Nichtsdestotrotz verdient auch sein Debut Beachtung. Zwar kann es noch nicht ganz mit den späteren Werken des Filmemachers mithalten, dennoch bekommt man auch hier bereits eine sehr schräge und einzigartige Splatter-Satire geboten, die man so schnell nicht wieder vergessen wird.
Das Besondere an dem Film, gleichzeitig auch der Grund für zahlreiche negative Reviews, ist die Tatsache, dass er sich für den Storyaufbau enorm viel Zeit lässt. Grob gesagt widmete sich Yuzna hier einer Stunde lang ausschließlich der Handlung, bevor er dann im letzten Drittel eine Ekelparade auf den Bildschirm zaubert, die sich gewaschen hat und die auch heute noch zum abgedrehtesten gehören dürfte, was man im Genre finden kann. Dennoch fällt es schwer, "Society" durch und durch als Horror-, oder gar als Splatterfilm zu bezeichnen, da diese Attribute in der bereits genannten, ersten Stunde nur wenig zur Geltung kommen. In der ersten Linie bietet Yuzna über weite Strecken einen ironischen Blick auf die damalige High Society Gesellschaft und deren Beschaffenheit.
Hauptcharakter und Identifikationsobjekt ist dabei der 17 jährige Bill, der nicht so recht ins Upper-Class Leben passen will, da er lieber mit Freunden aus der unteren Gesellschaftsschicht Basketball spielt, als mit seiner Familie Partys oder sonstige Veranstaltungen zu besuchen. Dieses Gefühl der Unverbundenheit steigert Brian Yuzna sehr schnell und lässt seine Hauptfigur eine ernsthafte Paranoia an den Tag legen. Als Zuschauer weiß man zu Beginn noch nicht, ob es sich bei dem Ganzen um berechtigte Ängste, oder doch nur Wahnvorstellungen Bill's handelt, bis sich die Vermutungen dann immer mehr verdichten und eine Verschwörung immer offensichtlicher wird. Beinahe alle Menschen in Bill's Umfeld legen plötzlich ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag, auch wenn man über die Hintergründe erst später aufgeklärt wird.
Vordergründig ist "Society" in der ersten Stunde ein durchaus unterhaltsames Katz-und Mausspiel vor den Kulissen des wohlhabenden Beverly Hills. Hinter der Fassade von teuren Anwesen, dicken Schlitten und aufgeblasenen Poolpartys scheint allerdings etwas Schreckliches im Gange zu sein. Bill wird Zeuge immer unglaublicherer Ereignisse, so sieht er seine erotische Schwester Jenny in einer Szene beispielsweise durch die Milchglas-Scheibe der Dusche und muss dabei feststellen, dass ihr gesamter Körper auf seltsame Art und Weise verdreht ist. Immer mehr derartige Vorfälle häufen sich, Bill's Eltern und Jennifer weisen verstärkt inzestuöse Verhaltensweisen auf. Sonderlich verstörend wird die Story dabei nie, wenngleich man auch stets unbedingt den weiteren Verlauf der Handlung und den Ausgang der Geschichte verfolgen will.
Dieser kommt dann ebenso unerwartet, wie heftig. In einer drastischen, etwa 20 minütigen Szene, ändert "Society" seinen Stil plötzlich abrupt und wird von der ironisch-mysteriösen High-Society-Parodie zum effektgeladenen Fest der Geschmacklosigkeiten. In einer riesigen, ungehemmten Orgie, zeigen die Mitglieder der "Gesellschaft", deren Geheimnis Bill lüften konnte, ihre wahren Gesichter und offenbaren sich als übernatürliche Wesen, die sich von Menschen ernähren. In einer dekadenten Orgie verschmelzen die Monster auf belustigend-ekelhafte Art mit ihren Opfern, saugen ihnen die Körpersäfte aus allen nur erdenklichen Körperöffnungen, während sie es selbst allesamt miteinander treiben. Hier offenbart Brian Yuzna zusammen mit Effekt-Spezialist Screaming Mad George die Möglichkeiten zur Verunstaltung des menschlichen Körpers, wenn diese plötzlich dutzendfach ineinander verfließen und zu einem einzigen, sich paarenden Geschwulst aus nackten Leibern zusammenwachsen. Hier bekommt der Horror-Fan schier unvergessliche Szenen geboten, etwa ein "Arschgesicht" im wahrsten Sinne des Wortes, oder ein Körper, der von innen heraus "umgekrempelt" wird.
Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen und sich von "Society" einen pausenlosen Marathon der Geschmacklosigkeiten erhoffen. Die erste Stunde steht im krassen Gegensatz zu den unvorstellbaren Ausschweifungen im letzten Drittel, auch wenn einem auch hierbei nur selten langweilig wird. Die Inszenierung weiß dabei stets zu gefallen. Yuzna lässt ein Jahrzehnt quasi noch einmal Revue passieren, wenn er all seine Darsteller in den hässlichsten Frisuren und den undenkbarsten Klamotten antanzen lässt. Die allgemein bunte Aufmachung wirkt beinahe wie eine Parodie und gleichzeitig ein Abgesang auf die 80er und deren Eigenheiten, die man hier noch einmal voll versammelt vorfindet. Die Darsteller agieren allesamt zufriedenstellend. Allen voran natürlich Billy Warlock, der später noch in "Baywatch" zu sehen war, überzeugt vollends und ebnete sich so den Weg für seine weitere Karriere.
Fazit: "Society" ist nicht unbedingt ein Film, den man um jeden Preis gesehen haben muss, alles in allem bietet er Fans phantastischer Filmkost aber solide Unterhaltung. Brian Yuzna lieferte einen respektablen Regie-Einstand und zeigt in seinem Debut eine grellbunt-schillernde Parodie auf die dekadente High-Society Beverly Hills' mit zum Teil wirklich deftigen Ekeleinlagen. Besonders interessant ist dabei der Wechsel, den der Streifen im letzten Drittel vollzieht und die Zuschauer somit vollkommen unerwartet mit Szenen überschüttet, die diese so schnell nicht wieder vergessen werden.
