Kalla Malla
Veronika Voss (Rosel Zech) ist ein ehemaliger UFA-Filmstar. Psychisch labil, drogenabhängig und vom Alter gezeichnet, bekommt sie in der aufstrebenden Bundesrepublik keine Rollen mehr. Bei Frau Doktor Katz (Annemarie Düringer) ist sie in nervenärztlicher Behandlung. Die verbrecherische Ärztin treibt ein dunkles Spiel und richtet die einstige Filmdiva systematisch zugrunde, um sich an ihr zu bereichern. Der Rettungsversuch des Sportreporters (Hilmar Thate), in den sich Veronika verliebt, scheitert auf tragische Weise.
»Die Sehnsucht der Veronika Voss« war R.W. Fassbinders vorletzter Film und stellt den künstlerischen Höhepunkt seines Schaffens dar. Diese Quasi-Variante von »Sunset Boulevard« beruht auf der tragischen Lebensgeschichte des UFA-Stars Sibylle Schmitz, ist von Kameramann Xaver Schwarzenberger in unglaubliche, stilisierte Schwarz/Weiß-Bilder getaucht, eine Mischung aus amerikanischem Film Noir und deutschem Stummfilm-Expressionismus.
»Die Sehnsucht der Veronika Voss« ist der letzte Film von Fassbinders BRD-Trilogie, in der sich der Regisseur kritisch und stellenweise mit bitterem Sarkasmus mit dem kulturellen und politischen Klima in der Bundesrepublik der 50er Jahre auseinandersetzt. Zeitlich gesehen bildet »Die Sehnsucht der Veronika Voss« das Mittelstück der Trilogie. Während »Die Ehe der Maria Braun« vom Wiederaufbau und »Lola« von der Anpassung an das Wirtschaftswunder handelt, verweigert die Titelheldin von »Die Sehnsucht der Veronika Voss« ihre »Mitarbeit«. Sie lebt in der Vergangenheit und von ihrem verblassenden Ruhm.
Inspiriert wurde der Film von der Biografie des UFA-Stars Sybille Schmitz und auch visuell lässt Fassbinder den deutschen Vorkriegsfilm wieder auferstehen: mit der Verwendung des Schwarz-Weiß und bewusst gewählter altmodischer Blenden. »Veronika Voss« gehört wohl zu den schönsten Schwarz-Weiß-Filmen, die ich jemals gesehen habe. Die Geschichte ist wie immer bei RWF keine leichte Kost. Sie ist schrilles Melodram, Krimi (Fassbinder bezieht sich oft auf den Stil der reißerischen Polizei-Dramen der 50er) und Horrorfilm, aber mit durchaus absurd-komischen Zügen. In der Hauptrolle interpretiert Rosel Zech die Figur Veronika Voss großartig, sie ist gleichzeitig zerbrechlich, neurotisch, brutal, kindlich und tieftraurig. Allein die Szene, in der sie am Filmset für eine peinliche Verzögerung nach der nächsten sorgt, ist ebenso tragisch wie komisch und geht tief unter die Haut.
In weiteren Rollen brillieren Cornelia Froboess, Hilmar Tathe und Armin Müller-Stahl. Unvergesslich bleiben Rudolf Platte und Johanna Hofer als Überlebende des Konzentrationslagers. Fassbinders grimmiger Blick auf das verlogene Nachkriegsdeutschland, in dem die Greueltaten der jungen Vergangenheit kollektiv ausgeblendet und verdrängt werden, ist allgegenwärtig. Anders als die Trümmerlandschaft von »Maria Braun« oder »Der Tanz auf dem Vulkan« in »Lola« ist »Veronika Voss« auch ein Film der Resignation und Hoffnungslosigkeit, eine bittere Abrechnung mit der ach so heilen Welt der 50er.
Der deutsche Film hat mit Fassinders Tod das letzte große Regietalent verloren und wartet bis heute auf einen legitimen Nachfolger. »Veronika Voss« beweist, warum das Warten umsonst ist. Ein solches Talent gibt es nur einmal. »They don't make movies like that anymore«, wie wahr.