Kalla Malla
Für die drei eingeschworenen Freunde Fred, Karine und Chloé bedeutet eine anstehende Klettertour im kroatischen Gebirge ein letztes, gemeinsames Abenteuer, bevor sich ihre Wege in naher Zukunft womöglich für lange Zeit trennen werden. Derweil kann Chloé's neuer Freund Loïc, der nur ihr zu liebe an dem Ausflug teilnimmt, die Vorfreude der anderen jedoch nicht teilen, stört ihn neben einer gewissen Furcht vor großen Höhen doch vor allem die Anwesenheit von Chloé's Exfreund Guillaume, der sich der Gruppe in letzter Sekunde angeschlossen hat und sich bei seiner Ehemaligen noch immer Chancen zu erhoffen scheint. Schnell aufkeimende Eifersüchteleien erweisen sich jedoch alsbald als das geringere Problem der fünf jungen Franzosen, die nach ihrer Ankunft feststellen müssen, dass der eigentlich geplante Aufstieg ohne Angaben von Gründen gesperrt wurde. Der erfahrene Extremsportler Fred will sich von dieser Tatsache jedoch nicht die Tour vermasseln lassen und überredet seine Freunde, die verbotene Route dennoch in Angriff zu nehmen. Schon bald stellt sich jedoch heraus, dass der Aufstieg nicht umsonst von der Bergewacht gesperrt wurde, sind die in die vertikalen Felswände geschlagenen Trittsteige doch in einem ebenso maroden Zustand wie eine alte Hängebrücke, die über einem mehrere hundert Meter tiefen Abgrund geradewegs unter den Kletterern zusammenbricht. Für die jungen Leute, die diesen Zwischenfall nur mit viel Glück überleben, soll der eigentliche Albtraum nun aber erst beginnen, ist ihr Rückweg doch abgeschnitten, während auch Loïc's panische Höhenangst inzwischen ihren Tribut fordert. All das ist jedoch nichts im Vergleich zu dem Grauen, das bereits auf dem Gipfel auf die fünf Bergsteiger wartet...
Es ist schon eine Sache für sich, mit diesen französischen Horrorfilmen. Kontroversen und schonungslosen Genre-Erfolgen wie High Tension, Inside oder Martyrs sei Dank, erfreuten sie sich in den letzten Jahren einer stetig wachsenden Popularität, doch unlängst scheint sich mit vermehrt durchschnittlichen bis kaum mehr nennenswerten Produktionen à la Resonnances oder Mutants so langsam die Kehrseite dieses Trends anzukündigen. Auch der 2009 entstandene Horrorthriller Vertige, der in Deutschland unter seinem internationalen Titel High Lane veröffentlicht werden wird, erweist sich da leider nicht als die erhoffte Wiedergutmachung und das, obwohl bereits die Prämisse des Films jedem Genre-Liebhaber die Freudentränen in die Augen treiben dürfte. So wartet Regie-Newcomer Abel Ferry in seinem Leinwanddebut mit einem theoretisch vielversprechenden Konglomerat aus Cliffhanger, The Descent und Wrong Turn auf, aus dem sich mit einem geschickten Händchen für stringenten Spannungsaufbau und der nötigen, ernsthaften Kompromisslosigkeit ein superber Genre-Hit hätte formen lassen können, doch leider vermag High Lane diese Erwartungshaltung letztendlich nicht in erhofftem Maße zu erfüllen. Statt seine Möglichkeiten eines adrenalintreibenden Höhenangst-Schockers vor beeindruckendem Kletterszenario voll auszuspielen, wechselt der Film leider irgendwann abrupt das Terrain, um sich anschließend in austauschbaren Versatzstücken gängigster Backwood-Slasher-Klischees zu verlieren.
Als besonders deutliches Merkmal zieht sich eine solche Ambivalenz darüber hinaus beinahe über die gesamte, 81-minütige Lauflänge des Films, da es den Verantwortlichen aus unerfindlichen Gründen einfach nicht gelingen mochte, den durchaus bemerkenswerten Unterhaltungswert ihres High Lane mit einer mindestens ebenbürtigen Dramaturgie oder gar durchgehend inhaltlicher Plausibilität ins Rennen zu schicken. Einem Wechselbad der Gefühle gleich offerieren die Drehbuchautoren Johanne Bernard und Louis-Paul Desanges dem geneigten Publikum somit gerade in der ersten Hälfte einen nervenzerreißenden Spannungsmoment nach dem anderen, bis ihnen dann irgendwann die Lust oder der kreative Funke abhanden kam und High Lane somit auch mit immer mehr holprigen Logiklöchern, dramaturgischen Unstimmigkeiten und, wie erwähnt, einer gänzlich deplatzierten Kehrtwendung innerhalb seiner Handlung aufwartet. Wer seine Ansprüche hingegen auf Null herunterzuschrauben weiß und sich ohne banger Erwartungen dessen, was da noch kommen mag, auf den ersten Abschnitt des Films einzulassen bereit ist, der wird dafür mit einem ebenso fesselnden wie technisch versierten Bergsteiger-Thriller entlohnt, der sich in dieser Form keineswegs vor den Größen dieses wenig beachteten Genres verstecken muss. Vor atemberaubenden Landschaftspanoramen und schwindelerregenden Höhen folgen wir den fünf Hauptprotagonisten Fred, Karine, Chloé, Guillaume und Loïc auf ihrer schweißtreibenden Kletterpartie, die sich mit riskanten Aktionen an glatten Felswänden und auf instabilen Brückenkonstruktionen schnell zum packenden Nägelkauer mausert. Die souveräne und dicht am Mann gehaltene Kameraführung vermittelt dem Zuschauer ein ums andere Mal das Gefühl, selbst in halsbrecherischer Höhe über dem tödlichen Abgrund zu schweben und lässt einen somit gerne über das bis dato oberflächliche Storykonstrukt hinwegsehen.
Dennoch scheint High Lane so seine Schwierigkeiten damit zu haben, sich zu seinen profanen Charakteren und den beinahe schon künstlich heraufbeschwörten Konfliktsituation zwischen Loïc und Guillaume zu bekennen. Nur wenig überzeugend muten der psychologische Aspekt und die gruppeninternen Spannungen an, welche die meiste Zeit über oberflächlich abgenudelt werden und letzten Endes sogar noch einige plötzliche und nicht nachvollziehbare Handlungen mehrerer Charaktere verantworten dürfen. Doch mit der Logik halten es Abel Ferry und seine Mannen onehin nicht so genau, unterliegt die Einbringung eines unter panischer Höhenangst leidenden Protagonisten doch der puren Zweckdienlichkeit, welche High Lane zwar bereits im ersten Drittel eine gewisse Spannung bescheren soll, in dieser plumpen Ausführung aber nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Films untermauert. Hinzu kommen Fragen, die bis zum Ende hin unbeantwortet bleiben, so dass man etwa nur erraten darf, was es denn mit Chloé's ständig wiederkehrenden Visionen auf sich hat. All das ist jedoch noch nichts im Vergleich zu dem missglückten Versuch dieser französischen Produktion, im Fahrwasser derartiger Backwood-Slasher wie Wrong Turn oder Timber Falls zu schwimmen.
Hier entwickelt sich der Plot dann unversehens zum munteren Spießrutenlauf der Klischees, bei denen die obligatorisch in der Natur verstreuten Fallen natürlich ebenso wenig fehlen dürfen wie die dekorativen Leichenteile in der Hütte des Gipfel-Hillbillies. Diesem wurde derweil vom Drehbuch eine möglichst glaubwürdige Backstory verpasst, was dann in etwa so aussieht, dass der ebenso schmächtige wie mörderische Redneck auf den Namen Anton hört, als Kind im kroatischen Gebirge ausgesetzt wurde und sich Fremden gegenüber nun reichlich unbequem zeigt. Im Vergleich zu den degenerierten und sehenswerten Rednecks ähnlich gelagerter Produktionen sorgt Milchbubi Anton jedoch für unablässige Momente der gepflegten Fremdscham und scheint dabei nicht einmal die für einen Hinterwäldler übliche Waffensammlung sein Eigen zu nennen, da er die meiste Zeit über nur prügelnd in Erscheinung tritt. Im Grunde mag es in diesem Fall zwar für die Franzosen sprechen, dass die Gorekeule ausnahmsweise mal brav im Sack gelassen wurde, doch weiß High Lane das fehlen eines anständigen Härtegrades andererseits leider nicht vernünftig auszugleichen. Damit fügt sich jedoch auch dieser Aspekt nahtlos in den Kontext der leider völlig belanglosen und vorhersehbaren zweiten Hälfte des Films ein, welche dann insgesamt auch von den Schauspielern nicht mehr sonderlich aufgewertet werden kann. Die Akteure scheinen zwar ihr Möglichstes zu geben, was jedoch nichts an dem wiederkehrenden Problem ändert, das man als Zuschauer damit hat, ihnen ihre angestrebten Emotionen auch abzukaufen. Angst oder Panik kommen vereinzelt kaum zur Geltung, was die Schauspieler zu klaren Nebendarstellern im Vergleich zur wunderbaren Kulisse dieses Gipfelthrillers degradiert.
High Lane ist somit im Gesamten eine durchaus zwiespältige Angelegenheit, denn während sich das Werk in seinen spannungsgeladenen Kletterszenen zunächst voll in seinem Element befindet und dem Publikum Szenen atemlosen Nervenkitzels präsentiert, verkommt das Geschehen zum späteren Zeitpunkt zur gänzlich trivialen und missglückten Farce eines Backwood-Slashers. Ein omnipräsenter Unterhaltungswert weiß über diese Tatsache jedoch ebenso wenig hinwegzutäuschen wie über klaffende Logikschluchten oder überforderte Schauspieler. Glücklicherweise bietet sich zur Reduzierung einer Enttäuschung jedoch noch immer die Möglichkeit an, High Lane nach der sehenswerten, ersten Hälfte einfach auszuschalten und anschließend etwas Sinnvolleres mit seiner Zeit anzufangen. Nach gelungener, französischer Genre-Kost Ausschau halten, zum Beispiel.