Kalla Malla
Gegliedert in 5 Episoden wird eine einzelne Nacht aus der Sicht verschiedenster Taxifahrer(innen) aus aller Welt gezeigt.
Los Angeles:
Die 18 jährige Corky (Winona Ryder) verdient sich ihr Geld in der "Stadt der Engel" als Taxifahrerin. Die kaugummikauende, kettenrauchende und ihre Basecaps steht verkehrt herum tragende junge Frau ist glücklich mit dem was sie tut und hofft irgendwann einmal auf einen Job als Mechanikerin. Gerade erst hat sie noch zwei Rockstars an den Flughafen gefahren, da steigt auch schon der nächste Fahrgast zu ihr ins Taxi: Die Casting-Agentin Victoria (Gena Rowlands). Diese erzählt Corky während der Fahrt nach Beverly Hills von ihrem Problem, dass sie schnellstmöglich ein Talent für einen neuen, großen Spielfilm benötigt aber einfach nicht fündig wird. Während sich die Frauen so beiläufig unterhalten, mustert Victoria die junge Taxifahrerin sehr genau und eröffnet ihr nach der Fahrt die Möglichkeit, das lange gesuchte Talent zu werden. Corky lehnt ohne lange zu überlegen ab. Ihr ist der Wunsch, irgendwann einmal Mechanikerin zu werden und einen aufrichtigen Mann kennen zu lernen wichtiger als Ruhm und Reichtum.
New York:
Verzweifelt versucht Yo-Yo (Giancarlo Esposito) ein Taxi anzuhalten, das ihn um diese Uhrzeit noch nach Brooklyn bringt, doch selbst das auffällige schwenken mit einem Geldbündel bringt ihm nicht den erwünschten Erfolg. Yo-Yo will gerade aufgeben, da kommt vor ihm ein Taxi zum Stehen, dessen Fahrer sich mit gebrochenem Englisch gerne dazu bereit erklärt, den Mann zu transportieren. Der Taxifahrer stellt sich als Helmut Grokenberger (Armin Mueller-Stahl) vor und ist noch nicht lange in diesem Beruf tätig, was man seiner unsicheren, holprigen Fahrweise auch deutlich anmerkt. Zwar ist das Taxi mit Automatik ausgestattet, doch Helmut bringt das Fahrzeug kaum 5 Meter weit. Yo-Yo kann sich das nicht lange ansehen und schlägt Helmut vor, selbst nach Brooklyn zu fahren, dafür würde er dann auch bezahlen. Zögernd willigt der Ostdeutsche Taxifahrer ein. Obwohl Helmut kaum mehr als 10 Wörter Englisch spricht, verstehen sich die beiden Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, auf Anhieb. Der New Yorker mit dem überraschend großen Herz und der Ex-Clown aus der DDR unterhalten sich über derartige Dinge wie ihre beinahe identischen Pelzmützen und ihre Vornamen und bringen dadurch fast schon so etwas wie Wärme in das Taxi, das sich seinen Weg durch die kalten Armutsgegenden New York's bahnt.
Paris:
Ein von der Elfenbeinküste stammender Taxifahrer (Isaach De Bankolé), der gerade zwei Landsmänner auf dem Rücksitz hat, hatte alles andere als einen tollen Tag. Zu allem Überfluss machen sich seine beiden Passagiere auch noch über ihn lustig, was er sich jedoch nicht lange bieten lässt. In einer abgeschiedenen Straße wirft er die angetrunkenen Männer hinaus, nur um sich im nächsten Moment darüber zu ärgern, dass er vergessen hat, sie zuvor bezahlen zu lassen. Kurz darauf steigt eine blinde, junge Frau (Béatrice Dalle) ins Taxi, woraufhin sich schon bald ein hitziges Gespräch entwickelt, das nicht selten von aggressiven Untertöten und Vorurteilen begleitet wird.
Rom:
Ein lautstarker und überaus geschwätziger Taxifahrer (Roberto Benigni) lenkt seinen Wagen geschickt durch die Engen Gaßen Rom's. Die Zeit vertreibt er sich mit allerlei Witzchen oder sexuellen Anspielungen über den Taxifunk, bis er schließlich den Auftrag erhält, einen Priester (Paolo Bonacelli) aufzugabeln. Dieser wartet an einem Brunnen auf den Taxifahrer und muss sich erst noch dessen Späße gefallen lassen, bevor er in's Taxi einsteigen darf. Während der anschließenden Fahrt berichtet der Taxifahrer dem Priester von seinen Jugendsünden und davon, dass er seine ersten sexuellen Erfahrungen mit einem Kürbis und einem Schaf hatte. Dass der Priester derweil einen schweren Herzanfall hat und aufgrund der rasanten Fahrweise des Taxifahrer's nicht dazu kommt, seine Pillen zu schlucken, bemerkt dieser gar nicht, sondern steigert sich immer mehr in seine schmutzigen Erzählungen.
Helsinki:
Vor der Kulisse des winterlich-romantischen Helsinki nimmt der Taxifahrer Mika (Matti Pellonpää) drei sturzbetrunkene Fahrgäste mit, einer von ihnen ist sogar schon total weggetreten. Seine beiden Freunde berichten Mika von der Misere, in der ihr Kumpel gerade steckt. Zuerst hat er seinen Job verloren, anschließend hat ihm jemand sein Auto demoliert und zu guter letzt hat er noch erfahren, dass seine minderjährige Tochter schwanger ist und wurde von seiner Frau vor die Tür gesetzt. Mika hört den Erzählungen seelenruhig zu und quittiert sie damit, dass alles schlimmer sein könnte. Die beiden Betrunkenen glauben ihm das natürlich nicht, woraufhin Mika die todtraurige Geschichte erzählt, die kürzlich seiner Frau und ihm wiederfahren ist.
Dass Independentregisseur Jim Jarmusch noch nie für ein überaus breites Publikum gefilmt hat, ist hinreichend bekannt. Auch "Night on Earth" konnte bislang noch nicht zu Weltruhm gelangen, doch dafür hat sich der Streifen schon längst seinen Platz im Herzen vieler Fans gesichert und zählt nicht umsonst zu Jarmusch's besten Werken. Das Drehbuch hierzu schrieb der Gute in nur acht Tagen und die eigentliche Intention war es nie, einen Streifen des Geldes wegen zu drehen. Dies ist sehr beachtlich, Jarmusch dreht immer nur Filme, die ihm auch selbst gefallen.
"Night on Earth" fällt auf den ersten Blick durch seine liebevolle, harmonische Aufmachung auf, hinter der man die Liebe fürs Detail des Regisseurs richtig spürt. Wenn gleich zu Beginn die melancholische Musik eines Tom Waits ertönt und das Bild dazu langsam auf eine Erdkugel heranzoomt, dann erzeugt das eine ganz eigene Stimmung. In der nächsten Einstellung richtet sich die Kamera auf fünf nebeneinander hängende Uhren, eine für jede Stadt, in der eine der Handlungsstränge spielt. Desweiteren, und das hat mir besonders gefallen, ist jede Episode in ihrer landespezifischen Sprache gedreht, für ein besseres Verständnis muss man also auf Untertitel zurückgreifen. So erzeugt Jarmusch fünf jeweils grundverschiedene Atmosphären, die jedoch alle eines gemeinsam haben: Sie verbinden jeweils zwei Menschen in einem kleinen Taxi, die sich hier manchmal näher kommen, manchmal streiten, manchmal voneinander lernen oder sich einfach nur Nähe schenken.
Es ist schwer, "Night in Earth" so zu erklären, dass die Faszination dieses Filmes transportiert wird, man muss ihn sich selbst ansehen. So viel sei aber gesagt: Wer kultige Dialoge à la Tarantino erwartet, dürfte mit diesem Werk nicht glücklich werden, es geht hier eine ganze Spur tiefgründiger zur Sache. Da bei vielen Betrachtern deshalb schnell Langeweile aufkommen könnte, ist es wichtig, im Vorraus zu wissen, mit was man es hier zu tun hat. "Night on Earth" ist das beste Beispiel für einen Film mit einem Minimum an Geschehen und einem Maximum an hervorgerufenen Gefühlen beim Zuschauer, sofern sich dieser darauf einlassen kann. Dieser Film lebt von seinen kleinen Höhepunkten, Momente voller Tragik und Komik, die die 120 Minuten permanent durchziehen. Während man in der einen Sekunde noch eine Gänsehaut bekommt, wenn man Helmut's Lebensweisheit lauschen darf: "I'm a clown. Money is not important for me, I need it, but it is not important" kann man sich in der nächsten Szene kaum halten, wenn der römische Taxifahrer von seinen sexistischen Erlebnissen erzählt und sich so sehr hineinsteigert, dass er gar nicht bemerkt, wie sein Fahrgast auf dem Rücksitz stirbt.
"Night on Earth" lebt einzig und allein von seinen Charakteren und so ist es natürlich nicht verwunderlich, dass Jarmusch eine ausnahmslos traumhafte Darstellerriege auf die Beine zauberte. Von Armin Mueller-Stahl, über Winona Ryder, bis hin zu Roberto Benigni gibt es nur ein passendes Wort, das dargebotene Schauspiel in Worte zu fassen - Perfekt!! Egal ob nun Taxifahrer oder Fahrgast, ein jeder bringt seine Rolle genau auf den Punkt und agiert symphatisch und glaubhaft.
Fazit: "Night on Earth" ist eine zweistündige Taxifahrt durch fünf große Metropolen dieser Welt bei Nacht. Ein optisches Erlebnis, ein Zeugnis von Tragik, menschlichen Werten, zerissenen Charakteren, traurigen Schicksalen und Hoffnungen. Die hier zu Worte gebrachten Dialogen sprechen ehrlich aus dem Leben und wirken in keinster Weise gekünstelt oder unecht. Die Tatsache, dass Jarmusch tatsächlich in den entsprechenden Städten filmte und alle seine Darsteller die dortige Sprache sprechen ließ, verleiht dem Ganzen zudem noch einen sehr realen Grundton und die traurige Musik von Tom Waits sorgt für den richtigen Grad an Melancholie. Da die Schauspieler zudem noch jede einzelne Rolle genial rüberbringen, vergebe ich letztendlich perfekte