Kalla Malla
Zwei Jahre war der 10jährige Joey in einer Heilanstalt, weil er angeblich seine kleine Schwester Susie umgebracht haben soll. Jetzt darf er wieder nach Hause zu Mum und Dad - und zu Kindermädchen Nanny, die er hasst, wie niemanden sonst auf dieser Welt. Zuhause ist alles wieder wie immer. Joey weigert sich zu essen, was Nanny gekocht hat, weil er vermutet, sie wolle ihn umbringen. Der Streit der beiden spitzt sich im Laufe der Zeit immer und immer weiter zu. Und noch immer steht eine Frage zentral im Raum: Was ist wirklich mit der kleinen Susie passiert?
Als schließlich Mutti an Lebensmittelvergiftung erkrankt und eine babysittende Tante einen Herzanfall erleidet, kommt langsam die Wahrheit ans Licht...
Die britischen Hammer-Studios versuchten sich seinerzeit neben den klassischen Kostüm-Horror-Stoffen wie Dracula und Frankenstein auch an zeitgenössischen Horror- und Psychothrillern im Stil von Hitchcocks »Psycho« und Clouzots »Die Teuflischen«. »War es wirklich Mord?« aus dem Jahr 1965 gehört zu ihren spannendsten Produktionen. Der beste Film der Reihe, der Klassiker »Ein Toter spielt Klavier«, ist übrigens ENDLICH auf DVD veröffentlicht worden! Hier wie da führte Seth Holt Regie, eine tragische Figur des Kinos, der nur wenige Jahre später mit nur 48 Jahren verstarb. Obwohl in der ersten Stunde von »War es wirklich Mord?« kaum etwas passiert, hält er das Katz- und Mausspiel zwischen Nanny und Kind auf Hochspannung. Man will einfach wissen, wie es weitergeht, und man ahnt, dass es noch böse Überraschungen gibt, die auch folgen.
Bette Davis ist natürlich die Hauptattraktion, sie spielt im Gegensatz zu den vorangegangenen »Baby Jane« und »Wiegenlied für eine Leiche« äußerst kontrolliert und zurückgenommen, was sehr gut zu Holts subtilen Inszenierung passt. Ihre stark betonten Augenbrauen lassen sie hier fast schon wie eine Karikatur ihrer selbst aussehen, was sich aber glücklicherweise nicht in ihrem Spiel äußert, denn das ist professionell wie gehabt. Das größte Verdienst von Holt ist aber die Tatsache, dass Kinderdarsteller William Dix zu keiner Zeit nervt (und das hätte leicht passieren können). Seine Angst vor der Nanny ist immer ernsthaft und glaubwürdig, während man gleichzeitig nie sicher sein darf, ob er nicht selbst hinter allem steckt. Der unheimlichste Moment des Films aber gehört Bette Davis, die mit einem Kissen im Arm nachts vor Dix' Tür steht und man nicht weiß, was genau sie im Schilde führt...
Das letzte Drittel des Films ist purer Terror und bietet neben einem nervenstrapazierend in die Länge gezogenem Mord auch eine durch Kameraverkantungen geprägte Rückblende in ein von Armut und Verfall gezeichnetes Arbeiterviertel, die Erinnerungen an das sozialkritische Free Cinema der 50er wachruft. Wie das Mauerwerk dort zerbröckelt auch die Familie von innen heraus, was den verständnislosen Vater und Upper Class-Snob (brillant wie immer: James Villiers) aber nicht davon abhält, auch gegenüber seiner nervenkranken Frau das Aufrechterhalten einer respektablen Fassade für das Maß aller Dinge zu halten.
_Fazit:_ »War es wirklich Mord?« ist gepflegte, altmodische Thriller-Unterhaltung mit ein paar wohldosierten Schauereffekten, angenehm gespielt und inszeniert. Freunde reißerischer Unterhaltung werden hier wohl enttäuscht werden. Auch wenn »The Nanny« nicht an »Hush, Hush, Sweet Charlotte« herankommt (da wäre eine Story mit mehr Überraschungen nötig gewesen), ist dieser Film cineastische Unterhaltung auf sehr hohem Niveau.