Kalla Malla
Der Psychologe Perada wird tot aufgefunden. Dringendst mordverdächtig ist seine Verlobte Terry Collins (Olivia de Havilland), die mehrere Zeugen beim Streit mit dem Toten und bei Verlassen seiner Wohnung beobachtet haben. Lieutenant Stevenson (Thomas Mitchell) ist mehr als überrascht, als Terry ein scheinbar perfektes Alibi vorweisen kann: Lückenlos können mehrere Personen bestätigen, dass sie sich noch nicht einmal in der Nähe des Tatorts aufgehalten hätte. Erklärt wird dieser scheinbare Widerspruch durch das Auftauchen von Terrys eineiiger Zwillingsschwester Ruth. Die beiden Schwestern decken sich jedoch gegenseitig und verraten nicht, für wen das Alibi nun gilt. So kann keine Anklage erhoben werden, da kein Zeuge mit Sicherheit sagen kann, wen sie nun gesehen haben. Die letzte Hoffnung, doch noch die Täterin zu identifizieren, liegt nun bei Dr. Scott Elliott (Lew Ayres), Experte für Zwillingsforschung. Er analysiert die Persönlichkeiten der beiden Schwestern und stellt fest, dass die Ähnlichkeit wohl tatsächlich nur äußerlich besteht...
»Der schwarze Spiegel« (»The Dark Mirror«) aus dem Jahr 1946 ist mittlerweile ein Klassiker des psychologischen Thrillers, der ein Jahr nach Hitchcocks »Ich kämpfe um Dich« erneut die Auflösung eines Mordfalls per Freudscher Theorien durchexerzierte. Während Hitchcock aber ganz auf Melodram und Surrealismus setzt, inszeniert Robert Siodmak seinen Film straff und sachlich, fast nüchtern. Siodmak verzichtet hier auf expressionistische Licht- und Kameraspiele, die seinen wohl schönsten Film, »Die Wendeltreppe«, auszeichnen, es gibt außer einer atmosphärischen Kamerafahrt zu Beginn keine stummen Szenen.
Nur einmal blitzt Siodmaks große Kunst auf, wenn die »böse« Olivia de Havilland ihr wahres Gesicht zeigt und dabei ironischerweise fast völlig im Schwarz um sie herum verschwindet. Mit seinen 80 Minuten lässt »Der schwarze Spiegel« trotz seiner Dialoglastigkeit niemals Langweile aufkommen und wird von einer genialen und perfekt gegen den Typ besetzten Olivia de Havilland getragen, die ihre Doppelrolle meisterhaft spielt. Die Tricks, mit denen sie stets doppelt zu sehen ist (Rückpros, Überblendungen, Doubles) sind heute kaum als solche zu erkennen, was für einen Film von 1946 absolut erstaunlich ist.
Inhaltlich hat »Der schwarze Spiegel« mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie Hitchcock, nämlich der naiven Simplifizierung und Amerikanisierung von Freud, die zu einigen haarsträubenden »wissenschaftlichen« Erklärungen führt. So erläutert unser guter Psychiater gegen Ende, dass es bei Zwillingen immer zwei Spiegelbilder gebe, ein helles und ein dunkles. Das klingt zwar hübsch, ist aber hanebüchener Unsinn. Schizophrenie und Paranoia werden ebenfalls in einen Topf geworfen und kräftig umgerührt. Die sehr schlichten »Untersuchungen« zeigen jedem Laien sofort, wer da gut und wer böse ist. Freud goes Hollywood, könnte man sagen.
Klugerweise setzt der Film nicht auf den »Whodunit«-Effekt und enthüllt dem Zuschauer schnell die Wahrheit, so dass man sich angenehm am abgründigen Intrigenspiel der mörderischen Schwester erfreuen und sich um die brave Schwester sorgen kann.
Alles in allem ist »Der schwarze Spiegel« ein sehenswerter Klassiker, exzellent gespielt und schnörkellos inszeniert. Er war ein großer Publikumshit und hat sich bis heute trotz der inhaltlichen Schwächen seinen ausgezeichneten Ruf erhalten.